Wie uns Personas helfen, bessere Websites und Apps zu konzipieren, umzusetzen und zu betreiben, darum ging es im letzten Newsletter (Personas, die Empathiemaschinen).
Nun gehen wir einen Schritt weiter und sehen uns an, was eine so genannte Customer Journey Map hier für uns tun kann – oder vielmehr, was wir mit dieser anstellen können. Die Journey Map ist sozusagen der nächste Schritt, den wir zusammen mit unseren Personas gehen.
Was ist eine Customer Journey Map?
Customer Journey und Customer Experience kann man übersetzen mit Kundenreise und Kundenerfahrung, aber das wirkt etwas seltsam und jeder nutzt eigentlich die beiden englischen Begriffe. Die Customer Journey ist der Weg, den der Kunde geht, wenn er etwas kauft. Sie ist also die Beschreibung der Customer Experience anhand eines einzelnen konkreten Einkaufs – und darüber hinaus.
Diese Reise stellt die Customer Journey Map visuell dar. Inklusive aller vorhergehenden und nachfolgenden Erfahrungen. Der Stil ist meist eher der einer Infografik, das heißt mit relativ vielen kleinen Textblöcken, mit Symbolen, Linien und Kurven.
Es geht nicht nur um Kunden, es geht um Menschen
Auch wenn die Methode Customer Journey Mapping heißt, eignet sie sich für viel mehr als nur für Käufer und Käuferinnen. Sie eignet sich für alle Erfahrungen, die Menschen machen. Daher sprechen manche nur von Journey Maps. Ein großartiges Beispiel, wie sich Journey Maps für unerwartete Fragestellungen einsetzen lassen, erzählt Jim Kalbach (mehr zu ihm gleich): Er hat Journey Maps verwendet, um nachzuvollziehen, wie Aussteiger aus radikalen Neonazi-Gruppen überhaupt in diese Kreise gekommen sind, was sie dort erlebt haben und wie sie den Ausstieg geschafft haben. Auf Basis dessen können Dinge wie Prävention, Aufklärung, Hilfsangebote und weitere Maßnahmen geplant werden, um Menschen zu unterstützen.
Auch hat eine Auftraggeberin mir erzählt, dass sie für ein Theater Journey Maps für die Besucherinnen und Besucher erstellt haben, um sie (noch mehr) vom Theater zu begeistern und Noch-Nicht-Theatergehende zu motivieren.
Doch zurück zum Standard-Fall – Journey Maps für Unternehmen, die Websites oder Anwendungen erstellen:
Wozu mache ich das?
Auf der Journey Map bilden Sie ab, wie die derzeitige Erfahrung Ihrer Kundinnen bzw. Nutzer mit Ihrer Organisation ist. Sie sehen recht gut, wo Sie ansetzen können, um deren Erfahrungen mit Ihnen zu verbessern. Sie sehen deutlich, was noch nicht ideal läuft und wo es Chancen gibt, etwas zu verbessern. Wie man z.B. den Wert eines einzelnen Einkaufs erhöhen kann. Oder wie man Menschen dazu bringen kann, Sie weiterzuempfehlen. Oder an welcher Stelle sich entscheidet, ob Interessierte letztlich wirklich kaufen.
Am besten versteht man das Prinzip, wenn man sich ein praktisches Beispiel für eine Customer Journey Map ansieht:
Wie entsteht eine Customer Journey Map?
Die Journey Map ist ein Werkzeug. Dabei ist das Ergebnis wichtig, viel wichtiger ist aber der Entstehungsprozess. Denn dabei setzen sich alle Beteiligte an einen (auch virtuellen) Tisch, um sich gemeinsam ganz genau anzusehen, wie das Unternehmen, das Produkt aus Sicht derjenigen aussieht, die es kaufen. Im Alltag blicken wir darauf fast immer nur mit unserer Innen-Perspektive. Beim Journey Mapping dagegen wechseln wir in die Außen-Perspektive.
Durchführung eines Mapping-Workshops
Um einen guten Journey Mapping-Workshop durchzuführen, brauchen Sie unbedingt:
- Sorgfältig erstellte, datenbasierte bzw. validierte und von allen Beteiligten akzeptierte Personas
- Eine klare Definition der Geschäftsziele bzw. der Ziele der Site oder Anwendung
- 3 bis 12 Teilnehmende am Workshop, von denen zumindest ein Teil die Zielgruppen sehr gut kennen sollten
Bessere Ergebnisse bekommen Sie, wenn Sie zusätzlich Folgendes haben:
- Aktuelle Analytics der Website, v.a. Einstiegs- und Ausstiegsseiten, Konversionsraten etc.
- Ergebnisse von Nutzer-/Kundenumfragen, Überblick der Zielgruppen
- Liste & Gewichtung der aktuellen Wege, auf denen (potenzielle) Kund:innen Kontakt zum Unternehmen aufnehmen bzw. mit deren Marketingmaterialien, Website, Support etc. in Kontakt kommen bzw. in Kontakt kommen sollten (das sind die so genannten Touchpoints, dazu später mehr)
- Erkenntnisse von Stellen in der Organisation, die mit Kundinnen und Kunden direkt zu tun haben (Telefonsupport, Service…) bzw. Auswertungen der Kundendatenbank
Manchmal wird eine Journey Map einfach nach Gefühl erstellt. Das ist dann eine so genannte Wunsch-Map. Diese kann helfen, das Ziel zu definieren. Das heißt, damit bilden Sie ab, wie die Erfahrung der Menschen mit Ihrem Unternehmen aussehen sollte.
Wenn Sie aber abbilden wollen, wie es derzeit tatsächlich ist, dann kommen Sie um das Erheben oder Sammeln einiger konkreter Daten und Informationen der Nutzenden nicht herum. Je mehr davon Sie haben, desto besser wird die Map.
Optimal ist es, wenn Sie auch Ergebnisse von solchen Untersuchungen haben:
- Fokusgruppen
- Tiefeninterviews mit Kundinnen und Kunden
- Usability-Tests
Kurz: Alles, was Sie an qualitativen und auch quantitativen Daten haben, können Sie gebrauchen.
Zentrale Elemente jeder Journey Map
Was im Zentrum jeder Journey Map steht, ist der konkrete Mensch. Man bildet daher oft eine Persona links am Rand der Map ab, damit klar wird, dass es um die ganz konkrete Erfahrung dieser Person geht.
Dabei beantwortet die Map folgende Fragen:
- Was erwartet die Person, welche Ziele hat sie?
- Was tut sie?
- Was fühlt, was denkt sie dabei?
- Welche Belege haben wir für die Dinge, die wir beschreiben?
Was oft noch eingezeichnet wird auf eine Journey Map sind
- Touchpoints und
- der Moment of Truth
Ein Touchpoint ist die Stelle, an welcher die Person in Berührung kommt mit uns. Das kann die Website sein, das kann das Telefon sein, wenn die Person im Service-Center anruft. Es kann ein Plakat im Ladengeschäft sein oder auch der Verkäufer. Die Touchpoints sind daher wichtig, weil sie oft das Einzige sind, was wir überhaupt beeinflussen können.
Der Moment of Truth, der Moment der Wahrheit, ist der kritische Punkt. Es ist die Stelle in der Journey Map, an der sich entscheidet, ob ein Geschäft zustande kommt. Konnten wir den Menschen überzeugen? Dieser ist entscheidend, denn natürlich ist es das, weshalb wir die ganze Übung überhaupt unternehmen.
Gestaltung der Map
Wie die Journey Map aussieht, ist weniger wichtig. Man kann mit dem arbeiten, was auf der Tafel oder auf dem Flipchart (oder auf einem Online-Whiteboard) entsteht. Meist überführt man dies aber noch in eine grafisch ansprechendere und leichter lesbare Form.
Es gilt das Gleiche wie für Personas: Nutzen Sie das Werkzeug, das gut für Sie funktioniert. Die Map soll leicht zu erfassen sein und wenn sie gut aussieht, wird sie eher genutzt.
Wie genau sie ausgearbeitet ist und welche Abschnitte und Bereiche sie hat, ist nicht so wichtig. Das können Sie frei anpassen an Ihre Bedürfnisse. Im Web finden Sie unzählige Beispiele als Inspiration.
Grundlage & Alternative: Nutzungs-Szenarien
Wenn Sie wenig Zeit haben, sind Nutzungs-Szenarien eine Alternative zu Journey Maps – oder eine Grundlage für Ihren Journey Mapping Workshop. In Nutzungs-Szenarien schreiben Sie kurz auf, wann und wie Ihre Personas mit Ihnen interagieren.
Diese Methode ist weniger üblich, aber ich arbeite gern mit ihr, weil man damit immerhin etwas Struktur in das Nachdenken bekommt, wie unsere Zielgruppen mit unseren Anwendungen umgehen.
Alternative: Empathy Maps
Eine weitere einfache und schnelle Methode sind Empathy Maps. Dabei zeichnen Sie vier Quadranten auf:
- Sehen
- Hören
- Sagen & Handeln
- Denken & Fühlen
In die Mitte kommt die Persona. Und dann unten noch zwei schmale Kästen mit den Abschriften:
- Ziele („Gains“)
- Probleme („Pains“)
Darüber schreiben Sie den Namen der Persona und beschreiben in einem Satz das Szenario – also was die Persona macht, wie sie interagiert mit Ihnen.
Einen Workshop, in dem Empathy Maps entstehen, bekommen Sie auch in einer einzigen Stunde unter. Hier finden Sie eine Vorlage:
https://www.benutzerfreun.de/wp-content/uploads/resources/Empathy-Map-Vorlage.pdf
Vertiefung: Buch Kalbach
Wenn Sie sehen wollen, wie mächtig die Methode ist, lege ich Ihnen das Buch von James („Jim“) Kalbach ans Herz: Mapping Experiences: A Complete Guide to Creating Value through Journeys, Blueprints, and Diagrams
Darin beschreibt er nicht nur ausführlich das Beispiel mit den Aussteigern aus den Neonazi-Gruppen, das ich vorher erwähnt habe. Er zeigt auch, wie Sie die Methode für alle möglichen Standard- und Spezialfälle einsetzen können, um mehr über Menschen zu lernen.
Dann noch eine Empfehlung für alle, die weniger Zeit haben: Bei der Nielsen Norman Group gibt es einen sehr guten Vergleich der wichtigsten verwandten Methoden wie Journey Maps, Experience Maps, User Stories, Service Blueprints: Journey Mapping 101
Und schließlich noch ein Hinweis auf eine andere Mapping-Methode, die bei Entwicklern oft zum Einsatz kommt: User Story Mapping – noch näher am Nutzer – Newsletter 3/2015