Kann KI Konzeption? – Newsletter 2/2024

Vor wenigen Tagen ist die vierte Auflage des Praxisbuchs Usability und UX erschienen, das ich zusammen mit Lorena Meyer geschrieben habe. Nicht fehlen durfte natürlich das Thema Künstliche Intelligenz, das seit letztem Jahr Menschen in allen Branchen bewegt, ängstigt oder beflügelt. Wir haben lange diskutiert, wie und wo wir das Thema im Buch aufgreifen.

Beim Schreiben eines Buches muss man einplanen, dass das Geschriebene über mindestens zwei Jahre hinweg gültig sein muss. Was uns aber sogar geholfen hat, einen nüchternen Blick auf das Thema KI zu werfen. Wir haben uns dagegen entschieden, ein eigenes Kapitel dazu einzufügen. Denn wir denken, KI wird fast alle Bereiche relevant werden, die wir in dem Buch behandeln. Das Faszinierende an den Entwicklungen der letzten Monate ist ja gerade, dass KI schon heute auf einigen Gebieten richtig gute Ergebnisse liefern kann. Und es ist absehbar, dass es immer mehr werden.

Kann KI die Texte für unsere Website schreiben?

Dienste wie ChatGPT schreiben schneller als jeder Mensch erstaunlich gut lesbare Texte. Können wir uns da nicht sehr viel Arbeit sparen und die künstliche Intelligenz auch den Text für unsere Websites schreiben lassen? Klingt verlockend, aber ganz so einfach, wie man erstmal denkt, ist es nicht. Eines der Hauptprobleme: Sie müssen ChatGPT sehr gute Vorgaben machen, damit überhaupt brauchbare Texte herauskommen.

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine neue Kollegin, super motiviert, fleißig und mit tollen Schreibfähigkeiten. Sie sagen ihr einfach: „Mach’ mal die Texte für die Website.“ Und fahren dann in Urlaub.

Trotz ihrer hohen Kompetenzen wird die Kollegin nichts Brauchbares produzieren können. Denn Sie haben ihr die gesamten Hintergrundinfos vorenthalten, die sie braucht, um gute Texte erstellen zu können: Wer ist die Zielgruppe? Was genau sind die Produkte bzw. was sind die Themen, um die es gehen soll? Was sollen die Texte jeweils bewirken? Was wissen die Besuchenden der Site schon, was sollen die Texte ihnen Neues erklären?

Ähnlich geht es einer KI, der Sie eine solche Aufgabe geben.

Und die Kollegin hat noch den Vorteil, dass sie andere im Unternehmen fragen kann. Oder sie kann sich Konkurrenzsites ansehen. Sie kann mit wenigen Informationen starten und klar auflisten, was sie braucht, um weiterarbeiten zu können. ChatGPT dagegen präsentiert normalerweise gleich eine fertige Lösung – die aber bei unklaren Vorgaben völlig unbrauchbar ist.

Damit KI beim Erstellen von Content sein Potenzial ausschöpfen kann, brauchen Sie ein gutes Verständnis davon, wie die Technologie funktioniert und wie sie den Chatbots Texte entlocken, die tatsächlich gut sind. Als Buchautor mache ich mir noch keine Sorgen um meinen Job – es wird noch eine Weile dauern, bis umfangreiche Texte fachlich korrekt, inhaltlich kohärent und für die Zielgruppe wertvoll von KI erstellt werden können. Und: Irgendjemand muss der KI sagen, was sie überhaupt schreiben soll. Das Konzept muss bis auf Weiteres ich selbst liefern.

Screenshot ChatGPT mit der Frage, ob KI ein Fachbuch schreiben kann
Mit der richtigen manipulativen Frage bringt man ChatGPT leicht zu Selbstkritik.

Was dagegen heute schon leidlich funktioniert, ist das Verbessern von vorhandenen Texten. Die KI-Dienste kommen zwar nicht an menschliche Textprofis heran. Viele Menschen tun sich aber beim Formulieren schwer, und diese kann KI durchaus unterstützen. Sie müssen aber alle Ergebnisse sorgfältig prüfen, denn es schleichen sich dabei gern auch mal falsche Informationen ein.

Und wenn Sie Blindtext für Ihre Website brauchen, sind KI-generierte Texte eine Alternative zum klassischen „Lorem ipsum“. Solche Texte bergen aber die Gefahr, dass Menschen, die Ihre Entwürfe oder Prototypen sehen, das für die finalen Texte halten. Es kann daher sein, dass Sie Zeit damit verschwenden, Feedback zu diesen Texten zu bekommen, auszuwerten und Erklärungen abgeben zu müssen.

SEO und KI-generierte Texte

Was Sie generell im Hinterkopf haben sollten: Generische Inhalte, die keine konkreten, neuen oder umfassenden Informationen bieten, fallen nicht nur bei Nutzenden durch und werfen ein schlechtes Bild auf Ihre Website.

Sie werden auch von Suchmaschinen als solche erkannt und sind problematisch – auch wenn sie gut formuliert sind und inhaltlich korrekt. Google etwa bewertet den sogenannten Knowledge Gain also den Wissenszuwachs einer Seite. Damit bezeichnet Google das, was Ihre Seite den Suchenden an Wissenszugewinn bringt – verglichen mit der Konkurrenz. Zu manchen Themen bringen tausende Sites Inhalte. Diese sind zwar vielfach hochwertig, bringen aber alle die gleichen Infos. Für Nutzende ist es also nicht sinnvoll, mehrere solche Seiten zu besuchen, eine davon reicht. Je mehr Sie sich abheben, indem Sie zusätzliche und möglichst einzigartige Informationen bringen, desto besser für das Ranking auf den Trefferlisten. Und das wird schwierig mit KI zu erreichen. Denn ChatGPT & Co speisen sich ja gerade aus den Inhalten, die es schon gibt.

Deshalb ist derzeit noch einiges an Handarbeit nötig – und Chatbots können hier am ehesten bei der Formulierung helfen.

Wo kann KI noch unterstützen?

von Dall-E erzeugtes Bild mit einem Roboter, der ein Buch schreibt
Viele Bilder, die Dall-E und andere Bildgenerierungs-KIs erzeugen, sind nur fast gut. Und mit Text haben sie heute immer noch Probleme.

Neben Texten kann KI heute auch beeindruckende Bilder erzeugen. Auch dem Thema haben wir uns in der Neuauflage des Praxisbuchs zugewandt. Das möchte ich jetzt hier nicht weiter ausführen, ich kann aber verraten: Das Fazit fällt ähnlich aus wie beim Text: Ja, das kann man nutzen, man muss aber genau wissen, wie, damit das Ergebnis passt.

Wir geben im Buch einige Tipps, wie speziell im User Research (der Nutzungsforschung) KI helfen kann. Und wo man auf dem Laufenden bleibt, welche Quellen zu empfehlen sind, die nicht vor lauter Begeisterung jedes Mal hyperventilieren, wenn ein neues Tool auf den Markt kommt. Sondern die eine nüchterne Einschätzung geben, welche der KI-Werkzeuge, die im Wochentakt aus dem Boden sprießen, in der Praxis wirklich nützlich sind.

Auch neu im Buch: Barrierefreiheit, unmoderierte Tests und viele Updates

Wir haben für die 4. Auflage aktuelle Infos zu den neuen gesetzlichen Anforderungen bei der Barrierefreiheit (Accessibility) ergänzt. In einem eigenen Kapitel lesen Sie, wie Sie Barrierefreiheit bei der Konzeption und Umsetzung berücksichtigen und bekommen Tipps zur Überprüfung.

Cover Praxisbuch Usability und UX, 4. Auflage
Die gerade erschienene 4. Auflage

Das Thema Online-Usability-Tests (remote testing) ist jetzt integriert ins Kapitel für Usability-Tests. Damit berücksichtigen wir, dass heute in der Praxis in den allermeisten Fällen Online-Tests durchgeführt werden und der Test vor Ort bzw. im Uselab die Ausnahme ist.
Unmoderierte Tests haben jetzt ein eigenes Kapitel.

Insgesamt ist der Umfang der 4. Auflage von 592 Seiten auf 624 gewachsen. Aber es ist noch deutlich mehr Neues hinzugekommen, denn wir haben auch gekürzt. Das heißt, wir haben Abschnitte entfernt, die heutzutage selbstverständlich sind, oder die uns verzichtbar erschienen. Damit wollen wir sicherstellen, dass tatsächlich alles, was Sie in der neuen Auflage finden, auch hoch relevant für die Praxis ist.

Rezensierende gesucht

Wenn Sie sich vorstellen können, die neue Auflage bei einem Online-Buchhändler, in einem Blog oder an ähnlicher Stelle zu rezensieren, dann antworten Sie bis zum 20.2. auf diese Mail. Unter allen Einsendungen verlosen wir 3 Exemplare des Buchs, das der Verlag Ihnen dann gern kostenlos zuschickt.

Wenn Sie mehr wissen wollen zur neuen Auflage: Hier finden Sie eine Zusammenfassung sowie Links zum Inhaltsverzeichnis und zu einer Leseprobe: https://www.benutzerfreun.de/praxisbuch-usability-und-ux/

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