Dem Rummel um Künstliche Intelligenz kann man sich schwer entziehen. Im Bereich der Bildgenerierung und im Bereich von Text haben wir hier in den letzten Monaten eindrucksvolle Leistungen gesehen. Kann KI auch ganze Websites erstellen?
An sich sollte das nicht zu komplex sein. Sieht man sich den ganz, ganz großen Teil der Websites heute an, stellt man fest: Sie sehen alle ziemlich ähnlich aus. Auch die Texte unterscheiden sich von der Art her nicht großartig. Wenn KI komplexe Bilder generieren kann, dann sollte sie Websites ja eigentlich auch hinbekommen. Dass man die Site dann 1:1 übernehmen und veröffentlichen kann, das erwartet dabei wohl niemand. Aber man könnte sich schon vorstellen, dass es mit ein paar Anpassungen getan ist, man zumindest eine solide Ausgangsbasis bekommt. Wenn ich die tausendste Website für ein Restaurant, eine Ärztin oder einen Rechtsanwalt erstelle, dann sind Kreativität und Einzigartigkeit meist nicht gefragt – sondern gute Usability und Schnelligkeit in der Umsetzung, denn viel Geld bekomme ich für so etwas nicht. Und das Interesse oder gar Verständnis für gute Gestaltung ist bei solchen Auftraggebenden meist gering, das ist ja auch nicht deren Job.
Vorweg: Meine Begeisterung für die KI-Tools in diesem Bereich hält sich in Grenzen. Das liegt nicht daran, dass ich Angst um meinen Job habe. Aber beides könnte sich in wenigen Monaten natürlich ändern.
Wenn wir uns ansehen, wer Künstliche Intelligenz für die Erstellung von Websites anbietet, finden wir einige Start-ups und praktisch alle klassischen Anbieter von Website-Baukästen („Homepage-Baukästen“).
KI konzipiert meine Website
Website-Baukästen setzen immer stärker auf KI-Tools, um ihre Dienstleistungen für die Nutzenden zu verbessern. Die Versprechungen sind vielfältig: von der automatischen Generierung der Gestaltung und der Texte über die Optimierung der UX bis hin zur Analyse des Nutzungsverhaltens der Besuchenden. Auf den ersten Blick scheint das eine attraktive Möglichkeit für alle, die eine Website konzipieren und umsetzen wollen – schnell und ohne viel Fachwissen.
Doch was ich mir auch ansehe, die Enttäuschung lässt nicht lange auf sich warten. Wer von den Anbietenden was auf sich hält, wirbt mit KI-Werkzeugen, doch bei manchen sucht man im Produkt dann vergeblich. Bei anderen verbirgt sich hinter „der KI“ dann lediglich ein Schritt-für-Schritt-Einrichtungsassistenzsystem, wie es seit vielen Jahren schon üblich ist. Oder es ist eine experimentelle Funktion ans Produkt geschraubt, das keinerlei verwertbare Resultate liefert.
Die behauptete „Intelligenz“ dieser Systeme liegt oft nur in einfachen Algorithmus-basierten Auswahlmechanismen. Das Ergebnis ist oft ganz vorzeigbar, allerdings kann es nur eine Auswahl aus vordefinierten Optionen treffen, keine kreativen oder einzigartigen Lösungen erzeugen. Die menschzentrierte Gestaltung, die komplexe Entscheidungen und kreative Problemlösungsansätze erfordert, wird durch solche Tools kaum unterstützt. Nichteinmal die wirtschaftlichen Ziele, die ich mit einer Website verfolge, können sie sauber abbilden.
Das heißt, wir müssen bei der Konzeption einer Website derzeit immer noch hart nachdenken über die folgenden Dinge:
- Was will ich mit meiner Website überhaupt erreichen (meine Ziele)?
- Wen will ich ansprechen (meine Zielgruppe)?
- Was will die erreichen (deren Ziele)?
Den eigentlich schweren Teil der Arbeit nimmt mir also derzeit noch keine KI ab.
Auch die emotionale Ansprache der Besuchenden, die Berücksichtigung des Kontexts und die Betrachtung einer umfassenden User Journey, die auf den Bedürfnissen und Erwartungen der Zielgruppe beruht, kann eine KI noch nicht berücksichtigen.
Aber was ist mit der Umsetzung? Kann mir ein solches System nicht wenigstens dabei zur Hand gehen?
KI baut meine Website
Schon 5 Jahre alt ist dieses Video, das eine KI bei der Arbeit zeigen soll: https://www.youtube.com/watch?v=s95tQ3VqRyE&t=26s
Man sieht ein Programm, das ein einfaches Scribble in eine Webseite umsetzt. AirBnB soll das programmiert haben. Man liest von diesem Programm immer wieder, findet aber kaum Infos darüber, ob das in der Praxis eingesetzt wurde oder wird und ob es eine Weiterentwicklung gab.
Ich habe auch sonst kein anderes Werkzeug gefunden, das Vergleichbares macht. Was am ehesten hinkommt, sind Tools, die Scribbles in Wireframes umsetzen. Die also keinen HTML/CSS-Code erzeugen, aber immerhin editierbare Grafiken. (Dazu mehr im nächsten Newsletter.)
Lediglich Fronty behauptet, Code aus Scribbles erstellen zu können, verweigerte mir bei meinen Tests aber dauerhaft die Arbeit wegen Serverproblemen.
Der beste Ansatz: ChatGPT programmieren lassen
Was tatsächlich einigermaßen gut funktioniert, ist ChatGPT den HTML- und CSS-Code direkt schreiben zu lassen. Das heißt, ich muss in meiner Eingabe (prompt) ziemlich detailliert beschreiben, was ich mir vorstelle. Das ist leider ziemlich umständlich, ein visuelles Werkzeug wäre hier natürlich praktischer. Ich rechne damit, dass wir ein solches bald sehen, kenne derzeit aber noch keines.
Der Code, den ChatGPT ausspuckt, ist sauber strukturiert und wird gut erklärt. Man kann nachfragen und sich Teile erklären lassen. Und Änderungen beauftragen.
Das Ergebnis ist live hier zu bestaunen: https://spielwiese.benutzerfreun.de/ki-generatoren/
Wer wissen will, wie die Unterhaltung aussah, um das zu erstellen, hier ein PDF davon: ChatGPT-Website-Prompts.pdf
Die einzige Handarbeit war das Aussuchen und Hochladen der Fotos, das kann mir ChatGPT nicht abnehmen.
Eindrucksvoll an diesem Ergebnis ist nur, dass der Code im Dialog mit ChatGPT entstanden ist. Ansonsten alles nur Klischees: Die Texte, die Gestaltung, die Struktur. Mit solch einer Site lockt man heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Aber: Wenn man noch ein, zwei Stunden investiert und ChatGPT ein paar weitere Anweisungen gibt, kann das ganz ordentlich aussehen. Die Basis ist zumindest da.
Mit einer guten Vorlage oder etwas Erfahrung wäre ich persönlich aber mit einem klassischen Design-Werkzeug schneller gewesen.
Fazit: KI machen alle, KI kann keiner
Ein Vorteil von mit KI erzeugten Sites könnte sein: Sie halten sich an gängige Standards. Schrift ist nicht mehr unleserlich gesetzt. Kontraste sind nicht mehr zu gering. Formulare haben gut platzierte, immer sichtbare und aussagekräftige Labels. Icons sind erwartungskonform ausgewählt, Bilder ordentlich beschriftet. Die grundlegenden Regeln für barrierefreie Gestaltung und Suchmaschinenoptimierung sind eingehalten.
Derzeit haben die KIs, die fürs Erstellen von Websites eingesetzt werden, leider davon genauso wenig Ahnung wie ein Großteil derjenigen, die mittelmäßige Websites erstellen. Woher auch, wurden sie ja mit dem trainiert, was es schon gibt.
Da müsste man eigens eine KI darauf trainieren, und sicher sitzen irgendwo Menschen, die genau das gerade tun. Bis sie damit fertig sind, kommen wir mit guten Vorlagen und bekannten Baukasten-Systemen immer noch genauso weit.
(Ausblick: Nächsten Monat sehen wir uns dann einige Dienste an, mit und ohne KI, und sehen, was diese für uns tun können.)
Links
Der Anbieter The Grid versprach schon bei seiner Gründung vor knapp 10 Jahren, Websites mithilfe von Künstlicher Intelligenz zu erstellen und im laufenden Betrieb anzupassen, je nachdem, was die Besuchenden auf der Site tun (oder eben nicht tun). Der Haken: Das scheint nie funktioniert zu haben. Seit 2019 zeigt die Website, was sie noch heute zeigt: Ein Versprechen, „bald“ mit einer neuen Version online zu sein. Hintergrundbericht dazu: What happened to the Grid?
Der beste Text zum Thema Design & KI, den ich kenne, zeigt auf, wohin es wohl gehen könnte die nächsten Monate bis Jahre:
https://uxdesign.cc/navigating-the-ai-revolution-how-designers-can-stay-competitive-7798bc664210
Und schließlich noch ein vernachlässigtes Thema – nicht besonders differenziert oder detailliert dargestellt, aber mit einigen wichtigen Gedanken: The Environmental Costs of AI