Erfolgsgeschichte Storytelling – Newsletter 3/2023

Ein nicht mehr ganz junger Mensch schleppt sich Montag Morgen ins Büro. Am Schreibtisch öffnet er sein Mailprogramm und sieht 37 ungelesene Nachrichten. Mit einem Schnaufen schließt er das Programm und macht sich erstmal auf zur Kaffeemaschine. Dort trifft er eine Person, die er dort nie vermutet hätte.

Und, wollen Sie wissen, wie es weiter geht? Vermutlich.

Wir Menschen können nicht anders, als uns für Geschichten zu interessieren. Geschichten gibt es schon länger als die Schrift, Menschen erzählen sich Geschichten, seitdem Menschen zusammensitzen. Geschichten sind sozialer Kitt, sie spenden sogar Sinn, wo keiner ist und spenden Trost, wo er gebraucht wird.

Storytelling – Geschichten erzählen geht immer

Die gesamte Unterhaltungsindustrie ist um Geschichten herum aufgebaut: Romane, Kinofilme, Serien, Shows, ja sogar Witze. Sie alle erzählen eine Geschichte.

Das Geschichtenerzählen wird seit einigen Jahren unter dem Begriff Storytelling im Marketing als bewährte Methode gesehen. Ein Grund dafür ist, dass klassische Werbung immer schlechter funktioniert. Wir Menschen wollen nicht mit Werbebotschaften belästigt werden. Wir schalten ab, installieren Ad-Blocker und sortieren Marketingmails als Spam aus. Was aber immer funktioniert, ist, sich die Kraft der Geschichten zunutze zu machen.

Die Vorteile einer guten Geschichte sind – nicht nur im Marketing:

  • Sie macht neugierig.
  • Sie fesselt die Aufmerksamkeit.
  • Sie ist leicht verständlich.
  • Sie lässt sich leichter merken.
  • Sie regt zum Teilen an.
Foto Menschen am Lagerfeuer
Spätestens seit wir Menschen am Feuer sitzen, erzählen wir uns Geschichten.

Wie nutzen wir Storytelling zum Überzeugen?

Eine Idee ist: Wir sagen nicht einfach: „Unser Produkt ist toll!“ Das war Werbung vor Jahrzehnten. Stattdessen erzählen wir eine Geschichte von einem Menschen, der ein Problem hat. Und dieses Problem löst – unser Produkt.

Das muss man dann nicht explizit sagen, der Leser merkt das dann schon von selbst. Das wirkt nicht nur bescheidener, sonder auch glaubwürdiger. Und eine solche Geschichte, auch wenn sie frei erfunden ist, behalten die Leser im Gedächtnis.

Menü mit den Einträgen: Shop, Installation, Support, Kontakt, Rückgabe
Auch ein Menü kann eine Geschichte erzählen. Welche erzählt dieses?

Wie strukturiere ich meine Geschichte?

Damit eine Geschichte funktioniert, braucht sie vor allem eines: einen Spannungsbogen. Dabei können wir uns bei einer Methodik bedienen, die fast so alt ist wie die menschliche Sprache. Intensiv befasst haben sich mit dieser Thematik vor allem Autorinnen und Autoren von Romanen und Drehbüchern. Es ist faszinierend, wo man dieses Schema alles wiederentdeckt. Es heißt „Heldenreise“ und kaum ein Kinofilm folgt nicht diesem Verlauf. Das gilt für Action-Reißer genauso wie für psychologische Dramen oder Liebesfilme.

Die Heldenreise ist seit der Odyssee von Homer bewährt, die vor über 2700 Jahren erstmals erzählt wurde. Ein:e Held:in verlässt seine:ihre gewohnte Welt, geht auf große Fahrt, besteht jede Menge Prüfungen, stellt sich seinem:ihrem größten Gegner und kehrt ruhmreich zurück.

Der Film Star Wars ist das bekannteste Beispiel für einen Film, der dieser Struktur ganz genau folgt. Aber auch in Romanen wie Herr der Ringe oder Harry Potter finden Sie sie.

Die 12 Stationen der Heldenreise

Nach dem Drehbuchautor Christopher Vogler hat die Held:innenreise folgende 12 Stationen:

  1. Ausgangspunkt: die (meist langweilige) aktuelle Welt der Heldin.
  2. Die Heldin wird vom Boten zum Abenteuer gerufen.
  3. Sie verweigert sich zunächst.
  4. Ein Mentor überredet sie, die Reise anzutreten – ihr Abenteuer beginnt.
  5. Die Heldin überschreitet die 1. Schwelle, es gibt kein Zurück mehr.
  6. Es folgen erste Bewährungsproben, sie trifft Verbündete und Feinde.
  7. Die Heldin dringt bis in tiefste Höhle vor, sie trifft auf ihre Gegner.
  8. Konfrontation und Überwindung der Gegner.
  9. Die Heldin bekommt den „Schatz“ (Gegenstand oder besonderes, neues Wissen).
  10. Rückweg, die Heldin entrinnt dabei nur knapp dem Tod.
  11. Die Heldin ist durch das Abenteuer zu einer neuen Persönlichkeit gereift.
  12. Rückkehrer nach Hause. Die Heldin findet Anerkennung & Ruhm.

Die Held:innenreise funktioniert auch, wenn man nicht gegen Orks oder böse Magier kämpft.
Auch Liebesfilme sind so aufgebaut – der Gegner ist dann z.B. das Desinteresse des/der Angebeteten oder die bösen Eltern.

Heldenreise für Websites

Diese 12 Punkte sind als Gliederung für ein Drehbuch gut geeignet, doch taugen sie kaum als Gliederung für Ihren nächsten Beitrag auf der Website. Sie können diese 12 Punkte aber gut als Checkliste nutzen oder als Anregung für Ideen.

Damit können Sie prüfen, ob Ihre Geschichte genug Spannung hat, ob sie die Lesenden packt.

Beginnen Sie also nicht damit, die Vorteile Ihres Produktes aufzuzählen, das sie verkaufen möchten. Seit Jahrzehnten bewährt haben sich z.B. Praxisbeispiele und Erfolgsgeschichten zufriedener Kund:innen. Diese können Sie nach dem Schema der Heldenreise erzählen:

  1. Beschreiben Sie die komplizierte Ausgangslage, das Problem Ihrer Kund:innen.
  2. Ein Ereignis zeigt, so geht es nicht weiter. Etwa der Einbruch der Verkaufszahlen. Oder eine Rüge der Vorgesetzten.
  3. Widerstrebend macht sich die:der Held:in des Fallbeispiels an die Arbeit.
  4. Ein Kollege rät, sich Ihre Lösung anzusehen.
  5. Der:die Held:in beginnt, diese einzusetzen.
  6. Er:sie trifft auf Widerstände im eigenen Unternehmen…

Sie sehen, Sie können tatsächlich die 12 Stationen eine nach der anderen durchlaufen mit solch einer Geschichte. Aber in den meisten Fällen werden Sie etwas kürzen.

Generell kann eine Geschichte nie zu lang sein – sie kann nur langweilig sein. Der Roman „Herr der Ringe“ zum Beispiel hat weit über 1.000 Seiten und wird dennoch seit Jahrzehnten von Leserinnen und Lesern verschlungen. Aber die Situation muss natürlich passen. Wenn ich auf eine Website gehe, will ich keinen Roman lesen, sondern etwas erledigen. Jemanden kontaktieren, etwas kaufen, eine Information finden.

Sie müssen sich nicht streng an Ablauf und Umfang der Held:innenreise halten. Weichen Sie vom Schema ab, wo immer es Ihnen sinnvoll erscheint. Nutzen Sie es als Anregung, Ihre Botschaften spannender zu verpacken – aber bleiben Sie so flexibel, dass Sie das beste für Ihren eigenen Anwendungsfall herausholen, ohne sich einengen zu lassen. Letztlich wollen Sie am Ende kein Drehbuch für den nächsten Kinohit schreiben, sondern Ihren nächsten Blogbeitrag, Newsletter oder eine Fallstudie.

Storytelling für UX

In der praktischen Arbeit nutzen wir in der UX-Arbeit ebenfalls häufig die Methoden des Storytellings. Auf der Hand liegt das, wenn wir Informationen über unsere Arbeit vermitteln wollen. Bei einer Präsentation, aber auch bei einem schriftlichen Bericht nutzen wir Geschichten, um die Inhalte interessanter aufzubereiten und um zu überzeugen. Ein Kernthema unserer Arbeit ist ja, Empathie für die Nutzenden zu schaffen. Und das geht ganz hervorragend mit Geschichten.

Beispiel Customer Journey Map
Diese Customer Journey Map erzählt die Reise der Kundin vom ersten Interesse bis nach dem Kaufabschluss.

Customer Journey Maps und Personas sind nur zwei Beispiele, wie wir Geschichten erzählen, um unsere Erkenntnisse in einer Form weiterzugeben, die anderen erlauben, die Nutzerinnen und Nutzer besser zu verstehen und Empathie mit diesen zu entwickeln.

Und, welche Methoden des Geschichtenerzählens nutzen Sie?

1 Gedanke zu „Erfolgsgeschichte Storytelling – Newsletter 3/2023“

  1. Ja, es stimmt alles, was hier sehr Kompakt und gut zu lesen zusammengefasst wurde.

    Storytelling kann auch aus dem Leben gegriffen sein. Erfahrungen und spannende Momente im Leben bereichern nicht nur die Protagonisten, auch Leser oder Zuhörer können interessiert sein.

    Ganz ehrlich, ist nicht jeder Tag wert, in ein Storytelling eingebunden zu werden?

    Selbst eigene Gedanken können eine Story wert sein.

    Und sogar Gegenstände des Alltags erzählen uns stumme Geschichten. Gabel und Messer eines Edelrestaurants sind wahre Fundgruben, um über das Benehmen von Menschen zu erzählen.

    Von Hotelzimmern und Friseurstühlen ganz zu schweigen.

    Lassen wir es dabei. Ich werde hier weiterstöbern, da Du / Ihr sehr gute Tipps und Informationen bietet.

    Gratulation!

    Oskar.

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