Werte im Web – Newsletter 7/2025

Davon, dass Ihre Website ein klar definiertes Ziel braucht, habe ich Sie hoffentlich im letzten Newsletter überzeugt (Website-Erfolg durch Zieldefinition). Ohne Ziel bleibt der Erfolg einer Website dem Zufall überlassen. Sie selbst wissen dann nicht, worauf Sie hinarbeiten sollen – und alle anderen Beteiligten genauso wenig.

Wenn Sie Probleme haben bei der Zieldefinition, dann liegt das meist daran, dass Sie Ihr Geschäftsmodell nicht klar definiert haben. Das ist vor allem ein wirtschaftlicher Aspekt. Mindestens ebenso wichtig aber ist es, dass Sie sich über die Werte im Klaren sind, die hinter Ihrem Unternehmen, hinter Ihrer Organisation stehen. Die Werte, die Sie selbst für wichtig halten. Das hat zwar auch wirtschaftliche Aspekte, ist aber vor allem eine Frage der Haltung und der Überzeugungen.

Warum Werte immer wichtiger werden

Dass Menschen mit dem Geldbeutel abstimmen, ist keine neue Erkenntnis. Natürlich spielen Preis und Leistung eine wichtige Rolle. Aber mit zunehmender Transparenz durch Suchmaschinen, Vergleichsportale und auch durch KI wird es immer wichtiger, sich auch darüber Gedanken zu machen, wofür man stehen will. Auch als Arbeitgeber macht man sich dadurch attraktiver, wenn man klare Werte definiert und vor allem auch nach diesen handelt.

In einer Welt zunehmender Polarisierung wird auch von Unternehmen erwartet, dass sie sich positionieren. So entsteht zum einen Differenzierung, aber vor allem auch Vertrauen.

Unternehmen, die ihre Werte klar kommunizieren, vor allem aber klar nach ihnen handeln, sind erfolgreicher. Menschen kaufen lieber dort, wo sie sich verstanden fühlen – für viele ist der Preis nicht der einzige Faktor. Und besonders bei der Mitarbeitergewinnung zahlt sich das aus: Menschen arbeiten lieber bei Unternehmen, deren Werte sie teilen, wo sie sich wertgeschätzt fühlen.

Werte im Web

Gerade im Web rücken Werte immer mehr ins Zentrum, besonders für Inhalte. Schon länger sind sie z.B. auch ein Kriterium für die Bewertung der Suchmaschinen: Seit Jahren weist Google darauf hin, dass die Inhalte vor allem Menschen nützen sollten. Inhalte, die neu, hilfreich, Mensch-zentriert sind, landen weit oben auf den Trefferlisten.

Und: Selbst hinter dem Google-Algorithmus stecken menschliche Werte, ja sogar immer noch Menschen. Denn der Algorithmus wird von Menschen trainiert. Sie geben letztlich vor, wie die Maschine zu werten hat. (Siehe z. B. Google Shares Valuable SEO Takeaway About Quality Raters Guidelines)

Screenshot von Google Developers mit Details dazu, wie hilfreiche Inhalte aussehen sollten
Google gibt detaillierte Informationen dazu, wie gute Inhalte aus deren Sicht aussehen – welche Werte sie für guten Content für wichtig halten

Werte in der KI

Stichwort Trainieren: Ganz zentral sind Werte auch beim Training von KI-Modellen. Denn sie sind die Basis für alles, für jede einzelne Antwort einer KI. Sie bekommen einen Satz von Werten mit, denen sie folgen. Das einfache „You are a helpful assistant …“ als sogenannter System Prompt gibt einem Sprachmodell vor, wie es sich verhalten soll. Wenn ich über eine Programmierschnittstelle darauf zugreife, kann ich das auch ändern. Nicht ändern kann ich aber die Werte, die viel tiefer im System verankert sind. Beim Training und Feintuning wird Sprachmodellen unter anderem abgewöhnt, die Nutzenden zu beleidigen, sich rassistisch zu äußern oder Minderheiten zu diskriminieren – mit nicht immer durchgreifendem Erfolg. Das Sprachmodell von Elon Musks Firma wird explizit beworben als eines, das dank ihrer anderen Trainings weniger „woke“ ist, also auch politisch unkorrekte oder sogar teilweise auch rechtsextreme Aussagen machen kann.

Auch unterscheiden sich die Werte, die hinter US-amerikanischen Modellen wie ChatGPT und Claude stecken, generell von denen, die beim Training des chinesischen R1/DeepSeek hinterlegt wurden, die wiederum anders sind als die des französischen Sprachmodells LeChat/Mistral.

Das Thema Werte ist aber noch tiefgreifender, es geht über den Schaden hinaus, den ein solches System in der menschlichen Gesellschaft anrichten kann. Bei der generellen Ausrichtung einer KI auf menschliche Werte spricht man auch von Alignment. Macht man beim Entwickeln einer KI hier Fehler, kann das dazu führen, dass eine fortgeschrittene KI in ihren Handlungen menschlichen Werten zuwiderläuft und Entscheidungen trifft, die kein Mensch je so treffen würde. Das ist natürlich besonders relevant, je mehr KI in Gesundheitswesen, Personalwesen, Finanzen und Militär eingesetzt werden.

Werte stehen hinter Vorlagen

Aber Werte sind auch im ganz Kleinen wichtig: Hinter jeder Vorlage, die wir erstellen, stecken genauso Werte. So wichtig und hilfreich Styleguides, Checklisten, Handbücher etc. sind, so begrenzt sind sie. Es wird immer Zweifelsfälle geben und es wird immer Fälle geben, die darin nicht abgedeckt sind, weil sie so neu und speziell sind. Hier helfen letztlich nur Werte weiter. Sie müssen am Anfang festgelegt werden – und sie machen es dann auch noch viel leichter, die vorgegebenen Regeln nicht nur zu verstehen, sondern auch sie zu unterstützen und zu verinnerlichen.

Es ist z. B. keine ästhetische Entscheidung von mir, dass ich immer sage, zentrierter Text ist bei längeren Passagen zu vermeiden. Im Gegenteil, das kann gut aussehen. Aber ich weiß aus Usability-Tests, dass die Leserlichkeit leidet und zentrierte Texte seltener gelesen werden. Aus der Forschungsliteratur weiß ich, dass das Auge den Zeilenanfang jedes Mal neu suchen muss, wenn er (wie bei zentriertem Text immer) nicht links stets an der gleichen vertikalen Position ist.

Fragen Sie sich, wo der Wert hinter der Empfehlung ist, nur sehr kurze Texte zentriert zu setzen oder am besten gar nicht? Der Wert dahinter ist die Mensch-Zentriertheit. Der Wert, dass Design möglich alle Nutzenden dienen sollte und für alle möglichst leicht zugänglich sein sollte. Den Wert, etwas gut nutzen zu können bewerte ich höher als den, dass etwas gut aussieht.

Jedes Design und jeder Inhalt leitet sich von einem zugrunde gelegten Menschenbild ab – bewusstes Definieren dieses Bilds sorgt für stimmige Anwendungen und Inhalte.

Welche Werte will ich?

Wer seine Werte noch nie ausformuliert hat, hat jetzt die Chance, das zu tun. Beginnen Sie am besten damit, zu analysieren, welchen Werten Sie bereits folgen. Sehen Sie sich an, wie Sie am Markt, gegenüber Kundschaft und gegenüber Mitarbeitenden auftreten. Welche Werte lassen sich daraus ableiten? Passen diese immer zu dem, was Sie selbst für richtig und wichtig halten?

Üblicherweise definiert man Werte nicht allein, sondern gemeinsam in der Unternehmensleitung, mit Mitarbeitenden und vielleicht sogar mit Kundinnen und Kunden.

Typische Werte für Organisationen sind:

  • Respekt
  • Transparenz
  • Nachhaltigkeit
  • Teamarbeit
  • Echtheit/Authentizität
  • Qualität
  • Wertschätzung
  • Kundenorientierung
  • Diversität
  • Inklusivität

Zu viele sollten es nicht sein, typischerweise suchen Sie 4 bis 6 aus. Dann gilt es, diese Werte mit Leben zu füllen. Ein Satz beschreibt sie etwas konkreter. Es folgen 2 bis 3 konkrete Beispiele oder Verhaltensregeln, aus denen man sieht, wie die Werte gelebt werden.

Ein Beispiel: Sie wollen Nachhaltigkeit als Wert etablieren.
Das beschreiben Sie mit:

Wir verpflichten uns, Ressourcen zu schonen und unsere Umweltauswirkungen kontinuierlich zu reduzieren.

Oder besser noch konkreter:

Wir reduzieren unsere CO₂-Emissionen kontinuierlich und wollen bis 2030 klimaneutral sein.

Die konkreten Regeln sind dann z. B.:

  • Für alle physischen Produkte verwenden wir bevorzugt Recyclingmaterialien. Sind diese nicht erhältlich, verwenden wir zertifiziert nachhaltige.
  • Wir berechnen für jedes unserer Produkte einen CO₂-Fußabdruck und kommunizieren diesen öffentlich.
  • Wir bevorzugen regionale Partner und Lieferketten, um Transportwege kurz zu halten und die Region zu stärken, in der wir agieren.
Screenshot bild.de, auf dem Klimaschutzmaßnahmen erklärt werden
Bild.de verbindet nicht jeder mit Klimaschutz. Hier erklärt die Zeitung, wie sie sich auf diesem Gebiet engagieren.

Und in der Praxis auf unserer Website?

Wenn Sie überlegen, wie Sie Ihre Werte darstellen, denken Sie vor allem daran, dass Nutzende fast nie Lust haben, etwas über Ihre Werte im Allgemeinen zu lesen. Nutzende beurteilen Sie und Ihre Site fast immer nach Ihrem Handeln – also nach Ihren Produkten und Ihren generellen Inhalten auf der Website. Die Nutzenden interessiert vor allem, ob sie sich ernst genommen fühlen von Ihnen, ob sie das Gefühl haben, dass Sie ihnen wertschätzend und auf Augenhöhe gegenübertreten.

Die Werte und ihre Ausformulierung auf der „Über uns“-Seite sind aber für manche spezielle Gruppen wichtig: Für Sie selbst, für alle, die im Unternehmen arbeiten und für alle, die sich für einen Job bei Ihnen interessieren. Ein paar Tipps dazu finden Sie in diesem schön älteren, aber noch immer ganz aktuellen Newsletter: Philosophie, Vision, Mission – wovon kein Nutzer etwas wissen will
Gehen Sie es also an, beschäftigen Sie sich mit Ihren Werten und bringen Sie diese auf Ihre Site.

Links

Was ist KI-Alignment?
IBM erklärt ausführlich, was Alignment ist und welche Gefahren drohen, wenn wir hierbei Fehler machen.

AI’s next fight is over whose values it should hold
Die Nachrichtensite Axios beleuchtet den globalen Wertekampf hinter dem Training von KI.

Consumers care about sustainability & back it up with their wallets
NielsenIQ und McKinsey analysieren US-Verkaufsdaten und belegen, dass Produkte, die als nachhaltig beschrieben werden, sich besser verkaufen. Das zeigt, dass das ein Kriterium bei Kaufentscheidungen ist.

Wie man die passenden Unternehmenswerte bestimmt
Personio beschreibt, wie man vor allem für Jobsuchende seine eigenen Werte definiert.

15 Beispiele für Unternehmenswerte und 5 Tipps zur Festlegung eigener Werte
Asana liefert einige konkrete Beispiele für Werte von Unternehmen.

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