Gefühle auf der Website messen

Neuromarketing ist ein Schlagwort, das manche lieben, andere aber schaudern lässt. Jeder hat eine andere Vorstellung davon – die einen denken an skrupellose Werber, die uns manipulieren, uns zu willenlosen Konsum-Marionetten machen wollen.
Andere denken daran, die Vorgänge im Hirn bei unserem Umgang mit Technik so gut zu verstehen, dass wir Nutzer optimal unterstützt werden und schließlich die für uns beste Entscheidung treffen können.

Ein paar Hintergründe dazu habe ich im Newsletter 01/2013 – Neuromarketing – Gedankenlesen 2.0 beschrieben.
Was das für die Praxis als Konzepter oder Designer bedeutet, darum geht es im Newsletter 02/2013 – Gehirngerechte Gestaltung.

Wie auch immer man dazu steht – man sollte wissen, was hier Stand der Technik ist.
Ein Startup aus Berlin, Emolyzr, bietet nun einen Dienst an, der versucht, mit Hilfe unserer Emotionen Websites zu optimieren.

Es verspricht, die unbewussten Emotionen messen zu können, die Probanden beim Besuch einer Website haben. Die Ergebnisse sollen dann dabei helfen, die Seiten zu verbessern. Klingt vielversprechend. Aber geht das auch?

Was mir gut gefällt: Bei dieser Technik entfällt das Befragen der Testpersonen. Denn was ein Teilnehmer an einem Usability-Test berichtet, kann interessant sein, ist aber immer durch verschiedene Faktoren beeinflusst – wir sagen nicht immer, was wir denken. Zum Beispiel, weil uns manches selbst nicht bewusst ist. Oder weil wir glauben, andere Dinge wissen zu müssen. Oder weil wir unser Gegenüber nicht blamieren wollen.
Die Technik des “Lauten Denkens” beeinflusst die Interaktion der Testperson ebenfalls bei der Durchführung. Das alles sind Faktoren, die keinesfalls gegen klassische Usability-Test sprechen. Man sollte nur wissen, dass sie einen Einfluss haben.

Die Technik

Die Methode der Blickverfolgung nutzen Usability-Experten schon seit Jahren: Eine Kamera erfasst dabei die Pupillenbewegung der Testperson. Zusammen mit der Aufzeichnung dessen, was auf dem Bildschirm passiert, kann man dann zeigen, wie lange was angesehen wurde – und welche Elemente die Testperson sogar übersehen hat.

Beim Startup Emolyzr kommt zur Blickverfolgung die Messung der Gesichtsmuskelaktivität hinzu: Den Testpersonen werden Elektroden angesetzt, ähnlich wie sie auch beim EEG verwendet werden. Diese Elektroden messen die Aktivität verschiedener Teile der mimischen Muskulatur.

Das System registriert damit, wenn sich die Gesichtsmuskeln der Testperson minimal anspannen – auch wenn das nur Bruchteile einer Sekunde dauert. Grundlagenstudien der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass diese Veränderungen mit positiven bzw. negativen Emotionen korrelieren.

Bringt man die Daten aus dem Eytracking nun mit den aus den Gesichtsmuskel-Messungen gewonnenen Emotionen in Verbindung, dann kann man Rückschlüsse ziehen: Wie reagiert die Testperson auf ein bestimmtes Gestaltungselement? Hat es dazu positive oder negative Gefühle?

Auch die Hautleitfähigkeit wird übrigens gemessen – sie ist ebenfalls ein Indikator für den emotionalen Zustand der Testperson.

Fazit

Warum genau sich unsere Emotionen in unseren Gesichtsmuskeln widerspiegeln, darüber lässt sich nur spekulieren. Vermutlich hängt es damit zusammen, dass die Mimik ein ganz grundlegendes Kommunikationsmittel von uns Menschen ist – entwicklungsgeschichtlich deutlich älter als etwa die Sprache.

Das Berliner Startup bringt Mimik-Messungen zusammen mit Blickverfolgungsdaten und macht damit Aussagen über die emotionale Reaktion von Testpersonen auf unsere Webseiten.

Das klingt spannend, in der Praxis muss man aber sehen, wie gut sich davon Verbesserungsmöglichkeiten ableiten lassen. Sehe ich z.B., dass Nutzer für ein paar Millisekunden negative Gefühle haben, wenn sie mein Logo ansehen, hilft das allein noch nicht viel.
Ich muss herausfinden, ob die negativen Emotionen etwa von der Farbe oder dem Symbol des Logos kommen. Oder ob die Nutzer z.B. an diese Stelle gesehen haben, weil sie dort eine bestimmte Funktion erwartet haben – das negative Gefühl kommt in dem Fall dann nicht von dem, was die Testperson an dieser Stelle gesehen hat, sondern von dem, was sie hier nicht gesehen hat.

Wie beim klassischen Usability-Test gehört auch hier eine Menge Erfahrung dazu, die Daten richtig zu interpretieren – und eine Menge Klugheit gehört dazu, dann davon die richtigen Änderungen an der Webseite abzuleiten.

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