Newsletter 02/2013 – Gehirngerechte Gestaltung

Im letzten Newsletter ging es um die Theorie des Neuromarketings (Neuromarketing – Gedankenlesen 2.0?). Also darum, wie man mit Hilfe von Kernspintomografie z.B. versucht, unsere Entscheidungen besser zu verstehen und dieses Wissen im Marketing nutzbar zu machen. Aber nicht nur für Marketer, auch für Konzepter und Gestalter sind diese Erkenntnisse nützlich.

Dabei ist es zwar ganz interessant, sich über die verschiedenen Teile des Gehirns zu informieren und ihre beeindruckenden Namen (wie Gyrus Cinguli oder oribitofrontaler und ventromedialer präfrontaler Kortex) zu lernen. Wen das nicht interessiert, der muss sich damit nicht befassen – die abgeleiteten Ergebnisse versteht man auch, ohne sein anteriores Cingulum oder andere Hirnareale übermäßig anzustrengen.

Forschen fürs kleine Budget

Kernspintomografen kosten Millionen und die Probanden fühlen sich in der lärmenden Röhre sicherlich nicht so entspannt wie auf dem heimischen Sofa. Daher gibt es etliche Ansätze, mit weniger Aufwand physiologische Daten zu gewinnen.

Gemessen werden dazu zum Beispiel:

  • Blickpfade
  • Blinzelrate
  • Pupillengröße
  • Hautwiderstand (= Hautleitwiderstand, ein Maß für die Feuchtigkeit)
  • Puls
  • Temperatur

Mit diesen Parametern bekommt man einen zusätzlichen Anhaltspunkt über die Aufgeregtheit einer Testperson. Das nutzt man beispielsweise bei Usability-Tests. Aber wie bei den Daten aus dem Kernspintomografen gilt: Alle Ergebnisse sind mit Vorsicht zu interpretieren und machen nur Sinn im Zusammenhang mit dem Kontext.

Praktischer Nutzen

Auch, wer selbst gar keine Tests durchführen will, kann von den Erkenntnissen der Kollegen profitieren. Wie im letzten Newsletter mehrfach betont, sind die meisten Erkenntnisse nicht neu. Sie belegen aber, dass manche Regeln ihre Berechtigung haben, die man bisher nur aus einem Bauchgefühl heraus befolgt hat.

Gestaltung

Hirnfreundliche Websites nehmen dem Besucher Arbeit ab. Unser Gehirn ist auf maximale Effizienz getrimmt. Wann immer es Arbeit vermeiden kann, vermeidet es Arbeit. Sorgen Sie daher auf Ihren Seiten für eine klare Struktur. Diese erreichen Sie durch:

  • klares Raster
    Jedes Element sollte ein einem definierten Platz sitzen, die Einteilung der Seite in Bereiche sollte auf den ersten Blick erkennbar sein. Visuelle Unordnung schreckt ab, weil sie für das Hirn Aufwand bedeutet.
  • konsistente Gestaltung
    Überschriften sollten klar abgehoben sein vom restlichen Text. Alle gleichartigen Elemente sollten immer gleich gestaltet sein.
  • gute Kontraste
    Unterschiedliche Elemente sollten deutlich unterschiedlich gestaltet werden. Auch wenn leichte Abstufungen eines Farbtons harmonischer wirken mögen – deutlichere Unterschiede erleichtern unserem Hirn die Arbeit.

Inhalt

Je mehr Anknüpfungspunkte unser Hirn hat, desto besser merkt es sich Dinge. Vermitteln Sie die Inhalte daher möglichst auf mehreren Kanälen. In Frage kommen:

  • Text
  • Grafik
  • Foto
  • Video
  • Audio
  • Interaktive Elemente

Auch für den Text gilt: je mehr Anknüpfungspunkte, um so besser. Also:

  • Beleuchten Sie Ihr Thema von mehreren Seiten.
  • Beziehen Sie sich auf Dinge, die der Nutzer schon weiß. So kann der Leser neues Wissen einordnen und verankern.
  • Bringen Sie praktische, plastische Beispiele. Diese regen weitere Regionen des Gehirns an und erleichtern so das Behalten.
  • Erzählen Sie Geschichten. Geschichten sind ein hoch effizienter Weg, Fakten einprägsam zu machen. Geschichten merkt man sich, nackte Tatsachen vergisst man schnell wieder.

Engagement

Je mehr man sich mit etwas beschäftigt, desto enger fühlt man sich damit verbunden. Daher versuchen so viele Sites, die Besucher über die reine Inhaltsaufnahme hinaus zu engagieren.

Wer eine Bewertung abgibt, einen Kommentar schreibt, eine Seite weiterempfiehlt oder auch nur einen Like-Button klickt, der stärkt automatisch seine Bindung zu dieser Site. Bei der Gelegenheit: Über Kommentare im Blog freue auch ich mich immer… 😉

Soziale Erwünschtheit

Wir sind Herdentiere. Auch der größte Individualist möchte Anerkennung. Die sucht er zwar nicht durch Herdenverhalten, sondern durch das Gegenteil – aber auf die Reaktion seiner Umwelt ist auch er aus.

Die Anzahl der „Likes“ oder „Fans“ auf vielen Websites belegen die soziale Erwünschtheit. Auch die Zitate anderer, die Produkte, Dienstleistungen oder Personen loben, fallen in diese Kategorie.

Autorität

Die genannten Zitate können auch dazu dienen, Autorität zu vermitteln. Das kann auch über Gütesiegel o.Ä. passieren.

Ziel ist immer, Vertrauen zu schaffen und Glaubwürdigkeit auszustrahlen. Diese bauen Sie auch dadurch auf, dass Sie Zuverlässigkeit vermitteln – angefangen von gutem Design über solide recherchierte Inhalte bis hin zu Aktualität und schnellen Antworten auf Anfragen.

Links

www.usabilityblog.de/2011/05/meine-ersten-erfahrungen-mit-mirapodo-de-–-schuhe-kaufen-mit-begeisterung
Praxisbericht von Hautwiderstandsmessung im Usability-Labor und Interpretation der Ergebnisse

www.gehirn-atlas.de
Nicht gerade hirngerecht gestaltet, aber faszinierend: Interaktive Karte des Gehirns mit Links zur Beschreibung der jeweiligen Funktion. Für echte Neuro-Nerds.

www.uxmatters.com/mt/archives/2012/07/using-neuroscience-to-inform-your-ux-strategy-and-design.php
Hier werden Tipps zur Gestaltung aus Erkenntnissen der Hinrnforschung abgeleitet. Ein gutes Beispiel dafür, wie die Argumentation funktioniert.

1 Gedanke zu „Newsletter 02/2013 – Gehirngerechte Gestaltung“

  1. Wieder einmal ein Beweis,dass der Mensch von Natur den Aufwand scheut. Daher sollte man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen,dass man für den Nutzer arbeitet und ihm die Arbeit/den Aufwand abnimmt,denn erst dann hat er Spaß an dem Umgang mit der Site. Schlussfolgerung ist,dass er durch die positive Assoziation gerne zurückkommt.

    Das Thema beweist,wie der Mensch denkt.Warum sollte man sich nicht dem Verhalten anpassen?

    Antworten

Schreibe einen Kommentar