Marketing mit schlechtem Gewissen klappt nicht – Newsletter 8/2018

Eine gute Website überzeugt. Von der guten Sache, die Ihr Verein vorantreibt. Von der kompetenten Beratung, die Sie anbieten. Von den hervorragenden Produkten, die Sie herstellen. Von dem wunderbarem Essen, das Sie servieren. Zum Überzeugen betreiben Sie Ihre Site.

Ihre Website ist nicht für Sie

Wer nicht aus dem Marketing kommt, für den ist diese Grundweisheit, dass eine Site überzeugen muss, besonders wichtig. Denn all zu leicht verliert man sich in dem, was man mitteilen möchte. In Beschreibungen der eigenen Ziele. In der Aufzählung von positiven Eigenschaften. In der Darstellung des eigenen Unternehmens. Und die interessieren die Besucher höchstens sekundär. Zunächst interessieren sich die Besucher für ihre eigenen Ziele. Und nach denen müssen wir die Inhalte unserer Sites ausrichten.

Wer dagegen aus dem Marketing kommt, der kennt die vielen psychologischen Tricks, mit denen man Menschen überzeugen kann – davon gibt es unzählige, mit am bekanntesten sind die Prinzipien von Robert Cialdini (Sympathie, Autorität, Knappheit…, siehe auch Wie überzeuge ich andere?).

Zu viel des Guten – Überzeugen mit dem Holzhammer

Bein Einsatz dieser Prinzipien muss man aber genauso aufpassen. Denn die Nutzer kennen diese Tricks natürlich. Und schnell macht man hier zu viel des Guten. Sie wollen mit Ihrer Website ja nicht wirken wie der nervige Verkäufer, der immer wieder fragt, ob er Ihnen helfen kann. Oder wie der Kellner, der alle zwei Minuten fragt, ob Sie noch etwas trinken wollen. Oder wie der Autoverkäufer, der Ihnen „zum Sonderpreis“ noch die roten Ledersitze mit verkaufen will.

Screenshot Booking.com Überzeugungs-Elemente
Booking.com arbeitet extrem stark mit Persuasion-(Überzeugungs-)Elementen. „Sehr gefragt!“, „letzte verfügbare Zimmer“, „204-mal gebucht“. Für die meisten Sites wäre das zu viel.

Schlechtes Gewissen machen zieht nicht

Was definitiv die zweifelhafteste Methode ist: wenn Sie versuchen, Ihren Besuchern ein schlechtes Gewissen zu machen. Das ist gar nicht so selten, wie Sie vielleicht meinen. Kommt Ihnen so etwas bekannt vor?

Bitte wählen Sie:

Ja, ich will den Newsletter abonnieren!

Nein, ich will meine Website nicht verbessern.

Das ist Manipulation vom Feinsten. Solche Links versuchen, dem Nutzer ein schlechtes Gewissen zu machen. Wer will schon keine bessere Website? Eben, daher muss der Besucher den Newsletter einfach abonnieren.

Screenshot Clickshaming Gogozone
„Nein Danke, ich habe genug Umsatz mit Social Media“ – es kostet schon ein bisschen Überwindung, diesen Button auf Gogozone.de anzuklicken.

Sie selbst wissen ja, dass Ihr eigener Newsletter hervorragend ist. Doch ein Besucher Ihrer Site, den müssen Sie erst noch überzeugen, dass Ihr Newsletter ihm hilft, seine Website zu verbessern. Daher fühlt er sich genötigt, wenn er hier eine Auswahl treffen muss. Und das gilt besonders, wenn er keine Möglichkeit hat, eine dritte Option zu wählen und die Auswahl nicht zu treffen.

Daher ist diese Methode besonders gemein, wenn sie z.B. auf einem Abdecker verwendet wird, der die gesamte Site verbirgt. Um weiter den Inhalt der Site nutzen zu können, muss der Besucher also entweder etwas tun, von dem er noch nicht überzeugt ist oder er muss einen Link klicken, der eine Aussage trifft, die er nicht machen möchte.

Klickshaming – der Klick der Schande

Im Englischen gibt es einen schönen Begriff für diese Masche: Clickshaming Ich zwinge die Nutzer also, etwas zu klicken (click), wofür sie sich schämen (shaming). Die Methode greift so stark um sich, dass es sogar einen weiteren Begriff gibt: Manipulinks – also manipulative Links.

Screenshot Clickshaming Razorsocial
Auch razorsocial.com arbeitet mit Clickshaming. Entweder man bekommt die „besten Tools“ oder man will nicht mehr Umsatz.

Psychologische Mechanismen hinter Clickshaming

Warum funktioniert Clickshaming – oder warum glauben manche zumindest, dass es funktioniert? Die Psychologen sprechen hier von kognitiver Dissonanz, die wir Menschen vermeiden wollen. Das heißt, irgend etwas passt nicht zusammen, und dann fühlen wir uns unwohl. Unsere Überzeugung, dass wir alles geben, um unsere Website erfolgreich zu machen, passt nicht damit zusammen, dass wir einen Link klicken, auf dem das Gegenteil steht.

Beim Marketing-Psychologen Cialdini heißt das „Konsistenz“. Vor uns selbst und vor anderen wollen wir ein konsistentes Bild unserer Person abgeben. Und daher haben wir kein gutes Gefühl, wenn wir einen solchen Link anklicken, der unseren Überzeugungen widerspricht.

Warum manipulative Links nicht funktionieren

Die Psychologie von solchen Manipulations-Links funktioniert bei jedem Menschen. Aber wir Menschen sind nicht rein triebgesteuert, wir denken auch bei sehr verlockenden Angeboten nochmal darüber nach, ob wir auf sie eingehen. Und der Verstand praktisch aller Ihrer Besucher ist scharf genug, dass sie nicht auf diese Manipulation hereinfallen.

Versuchen Sie Ihre Besucher zu manipulieren, verlieren Sie deren Vertrauen.

Aber da die psychologischen Mechanismen greifen, fühlen sie sich dennoch unwohl, so einen Link anzuklicken. Und so ein Gefühl will man mit seiner Website bei den Besuchern nicht hervorrufen.

Sie zerstören damit ein Stück weit das Vertrauen, das Ihre Besucher in Sie haben.

Und ja, es gibt Studien (A/B-Tests), die beweisen, dass ein paar mehr Besucher Newsletter abonnieren, wenn Sie mit Manipulinks arbeiten. Aber wie gut fühlt sich jemand, der sich dazu überredet oder gar gezwungen fühlt, Ihren Newsletter zu abonnieren? Wie lange wird er den Newsletter lesen?

Und, vor allem: Wie viele Besucher verlieren Sie, die sich über solche Manipulinks ärgern und sich nicht manipulieren lassen wollen? Das wird mit A/B-Tests nicht erfasst.

Was tun statt dessen?

Versuchen Sie es statt mit Manipulation mit Überzeugung. Sie haben etwas zu bieten, das die Besucher weiterbringt. Beschreiben Sie ihnen das. Statt dem Beispiel von oben

Bitte wählen Sie:

Ja, ich will den Newsletter abonnieren!

Nein, ich will meine Website nicht verbessern.

Versuchen Sie so etwas:

Ja, ich will einmal im Monat das Wichtigste aus der Konzepter-Welt

Das ist länger, aber nicht manipulativ und verrät etwas über die Inhalte. Und man kann auch die Inhalte in einen Button und einen kurzen Text darunter aufteilen, das funktioniert auch ganz gut.

Gute Links bei AWeber
Der Newsletter von AWeber macht Versprechungen mit seinen Links. Das setzt zwar auch auf psychologische Tricks, aber der Nutzer fühlt sich nicht schlecht, wenn er den Link nicht anklickt.

Auch beim Abbestellen von Newslettern sollten Sie unbedingt vermeiden, dem Nutzer ein schlechtes Gewissen zu machen. Wer auf „abmelden“ klickt, der will Ihren Newsletter nicht mehr bekommen. Entweder er hat zu viel zu tun, bekommt zu viele Mails oder er interessiert sich nicht mehr für Ihr Thema. Vielleicht will er aber auch nur den Newsletter an eine andere Adresse bekommen. Vermeiden Sie daher unbedingt Links wie „ich will nicht mehr auf dem Laufenden bleiben“ oder „ich interessiere mich nicht mehr für Website-Optimierung“.

Sie können natürlich um Feedback bitten, warum der Nutzer abbestellen will. Oder Sie können ihm sagen, wie er den Newsletter wieder bestellen kann, wenn er das einmal möchte. Oder ihm weitere Möglichkeiten nennen, wie er mit Ihnen in Kontakt bleiben kann (über Twitter, Facebook, andere Newsletter…).

Generell gilt hier wie bei allen anderen Links und Buttons: Geben Sie den Nutzern überzeugende Gründe und verraten Sie ihnen, was sie nach dem Klick erwartet, dann werden diese bei Interesse auch darauf klicken.

Überzeugt? Dann lesen Sie solche Texte einmal pro Monat in Ihrer Inbox & abonnieren Sie den benutzerfreun.de-Newsletter 😉

1 Gedanke zu „Marketing mit schlechtem Gewissen klappt nicht – Newsletter 8/2018“

  1. Selbstverherrlichung hat mit Marketing nichts zu tun. „Ihre Website ist nicht für Sie da“ – dem stimm ich 100% zu! Insbesondere die Startseite ist DIE Gelegenheit, Ihre Besucher in die Seite „hineinzuziehen“ und sie gleich von sich zu überzeugen. Der Besucher entscheidet innerhalb von Sekunden, ob er weiterlesen oder die Website verlassen möchte. Leider nutzen viele Unternehmen die Möglichkeiten der Homepage nicht aus und verwenden sie, um langweilige Firmenfakten aufzuzählen.

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