Influencer Marketing – bringt das was? – Newsletter 7/2020

„Die jungen Leute sehen nicht fern und lesen schon gar keine Zeitschriften. Sie starren immer in ihr Handy, daher sehen sie nicht einmal Plakate. Dafür treiben sie sich den ganzen Tag auf sozialen Medien rum, die Ältere nicht mal vom Namen her kennen.“ Solche Vorurteile hört man nicht selten, und mit aus dieser Ansicht heraus ist das Influencer Marketing geboren – ob die Vorurteile nun stimmen oder nicht.

Was ist überhaupt ein Influencer?

Das Wort kommt natürlich vom Englischen „influence“, was Einfluss, Beeinflussung heißt. Gemeint ist mit Influencer eine Person, die auf den Sozialen Medien aktiv ist und viele Follower/Fans hat, die ihre Beiträge wahrnehmen. Das können Youtube-Stars sein, Instagram-Nutzer oder auch Twitter-Größen. Mini-Influencer haben um die Tausend Fans, Freunde bzw. Follower – die Stars der Szene haben mehrere Millionen.

Und Millionen kassieren die Stars von Unternehmen, deren Produkte sie bewerben. Daher ist angeblich bei Kindern der Berufswunsch „Influencer“ inzwischen ganz weit oben auf der Liste.

Screenshot T-Shirt Influencer
Wenn es ein Thema auf vorgefertigte T-Shirts schafft, ist es wohl in der Mitte der Gesellschaft angekommen wie hier bei Spreadshirt.

Die Idee hinter dem Influencer Marketing: Über die Influencer erreichen Unternehmen Zielgruppen, die sie sonst kaum noch erreichen können. Und: Wir vertrauen Freunden, wenn diese uns etwas empfehlen. Viele Fans empfinden die Influencer als ihre Freunde, und so scheinen sie die idealen Werbeträger zu sein. Besser noch als Prominente – denn wenn ein Fußballstar ein Produkt empfiehlt, zählt das nicht besonders viel. Kaum ein Fan hat das Gefühl, solch einen Promi persönlich zu kennen. Aber wenn ich jede Woche eine Stunde zusehe, wie ein Influencer sein Leben lebt und vielleicht sogar auf meine Kommentare antwortet, dann baue ich eine persönliche Beziehung zu dieser Person auf.

Screenshot Influencer Youtube
Fast 6 Millionen Abonnenten – seit 2012 macht Bianca Claßen Videos zu den Themen Mode und Kosmetik auf Youtube. Sie stellt Kosmetikprodukte und Kleidung vor, gibt Schmink- und Modetipps. In letzter Zeit erzählt sie vor allem aus ihrem Leben. Die Fans konnten fast 9 Monate lang an allen Details zur Vorbereitung der Geburt ihres 2. Kindes teilhaben.

Nicht nur die Anzahl von Inhaltsproduzenten auf Blogs, Youtube und insbesondere Instagram stieg Anfang des 21. Jahrhunderts rasant – vor allem die Zahl der Leser/Rezipienten/Follower/Fans auf diesen Sozialen Medien. Und so kamen mehr und mehr Marketing-Menschen auf die Idee, diejenigen Inhaltsproduzenten auszumachen, auf deren Meinung ihre Fans etwas geben. So richtig Fahrt nahm das um 2015 auf.

Screenshot Influencer-Tipps
In knapp 680 Wörtern erklärt Pro7, wie man selbst Influencer wird.

Funktioniert Influencer Marketing überhaupt?

Der Soziologe Duncan J. Watts hat sich mit den Influencern in vielen wissenschaftlichen Studien befasst. Und hat herausgefunden, dass die Behauptungen rund um die Wirksamkeit des Influencer Marketings meist kaum haltbar sind. Wie wir Menschen Meinungen bilden und Entscheidungen treffen ist hoch komplex. Und wir können das selbst kaum in Worte fassen – geschweige denn in einer Umfrage korrekt wiedergeben. Auf solchen Umfragen beruht aber vielfach die Argumentation, warum Influencer Marketing eine gute Idee sein soll.

Wie bei Werbung generell gilt: Die Wirksamkeit ist schwer nachzuweisen. Inzwischen haben auch die Werbeexperten ihre Begeisterung fürs Influencer Marketing verloren:

Der Hype ist vorbei

Die Wirtschaftswoche meint, „Influencer-Marketing steckt in der Krise“, „Engagementraten auf Talfahrt: Influencer in der Krise“ schreibt Medienreport, von „Influencer in der Vertrauenskrise“ ist beim PR Report zu lesen.

Screenshot Suchergebnisse Influencer
Die Werberzeitschrift „Horizont“ versucht, dagegen anzuschreiben, was die Spatzen schon seit Längerem von den Dächern pfeifen: Influencer Marketing ist out.

Hauptgrund für die Krise: Viele Menschen äußern inzwischen in Umfragen, dass sie Influencern nicht (mehr) vertrauen. Dass sie nicht authentisch sein, dass sie gekauft seien, dass sie sich verkaufen. Das hat sicher auch damit zu tun, dass viele Influencer es übertrieben haben. Sie haben Produkte positiv dargestellt, ohne klarzumachen, dass sie dafür Geld vom Hersteller bekommen. Andere haben mit Fake-Fans gearbeitet. Es ist immer wieder die Zahl zu lesen, dass nur jeder 5. Fan bei den großen Stars in den Sozialen Medien echt sei – der Rest sind Bots, die automatisch Beiträge liken und positive Kommentare abgeben.
Mag im Einzelfall so sein – wie viele es jeweils sind, das lässt sich ohne intensive Detektivarbeit kaum herausbekommen.

Hinzu kommen virtuelle Influencer: Das sind keine Menschen, sondern mit Photoshop erstellte Portraits, unter deren Namen von Marketing-Teams verfasste Inhalte veröffentlicht werden. Damit bauen Unternehmen ihre eigenen „Influencer“ auf und machen sich unabhängig von den echten Menschen, die sie nie ganz unter Kontrolle haben können. Solche virtuellen Influencer wie etwa Lil Miquela kommen auf Instagram auf über 2 Million Fans – und wurden von traditionellen Medien wie Vogue oder The Guardian „interviewt“.

Influencer auf Instagram Screenshot
Lil Miquela auf Instagram. Auf den ersten Blick nicht von echten Influencer-Beiträgen zu unterscheiden.

Einige virtuelle Influencer machen kein Geheimnis daraus, dass sie eine Fiktion sind. Bei manchen kam das erst später heraus oder es wurde von den Machern nach einer Weile enthüllt.

Jeder ist ein Influencer

Interessant sind auch die Zahlen zu den Influencern: Nach einer Studie, die PR Report zitiert, ist jeder elfte Deutsche ein Influencer – das wären dann 5 Millionen Menschen zwischen 18 und 65 Jahren. Wir alle sind demnach umgeben von Influencern. So landen wir wieder bei der Frage, wer uns beeinflusst in unserer Meinung von Firmen und Produkten, in unseren Entscheidungen, welche Websites wir besuchen, was wir kaufen.

Und damit kommen wir zum eigentlich Spannenden: Der Frage, was das alles für Betreiber von Websites heißt:

Fazit & Tipp fürs Influencer-Marketing

Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit, die Influencer zu suchen, die für Ihre spezielle Nische, für Ihre Zielgruppe perfekt passen. Selbst wenn es reizvoll scheint, eine Person zu finden, die für wenig Geld Werbung für Sie macht – das funktioniert meist nicht. Entweder will die Person nicht wenig Geld, sondern viel – oder die Werbung wirkt nicht. Und nicht selten sogar beides.

Behandeln Sie daher am besten jeden Besucher Ihrer Site, jeden Empfänger von allen Ihren Mails als Influencer. Denn in der Tat beeinflusst jeder Mensch andere. Der Chef beeinflusst seine Mitarbeiter. Umgekehrt beeinflussen diese ihren Chef. Die Kollegen beeinflussen sich untereinander. Die Freunde, die Familie, das gesamte berufliche und private Umfeld bildet unsere ganz persönliche Meinung mit.

Und darum sollten wir dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen nicht nur positiv über uns und unsere Produkte/Dienstleistungen denken. Wir sollten auch dafür sorgen, dass sie darüber sprechen.

Ein paar erste Ideenansätze, was Sie konkret tun können, damit andere über Sie sprechen:

  • Tweet-/Facebook-/Pinterest-/LinkedIn-/Xing-Buttons auf Ihrer Site einbinden (alter Ansatz, aber wenig aufwendig)
  • Bitte, Mails weiterzuleiten an Interessierte (noch ältere Idee, klappt aber immer noch)
  • Gutscheine zum Weitergeben für Neukunden/Freundschaftswerbung (uralt, aber bewährt)
  • Checklisten, White Paper, Vorlagen etc. zum Weitergeben (etwas aufwendiger, denn nur gut gemachte Inhalte werden geteilt)
  • Bitte, Produkte auf für Sie relevanten Plattformen zu bewerten (App Store, Amazon, Trip Advisor etc.)

Am besten funktioniert das alles natürlich, wenn wir unsere Kunden begeistern. Durch hervorragende Produkte, guten Service und echtes Interesse an diesen.

Sie sehen: Es gibt leider keine Abkürzung zum Erfolg. Influencer-Marketing kann das auch nicht bieten. Den größten Einfluss haben Sie selbst auf Ihren Erfolg im Web, und darauf sollten Sie sich daher auch konzentrieren.

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