In den nächsten Wochen gibt es immer wieder mal ein Interview mit einem der Experten, die mir für die neue 8. Auflage der Website-Konzeption Rede und Antwort gestanden haben. Im Buch finden sich Ausschnitte davon, hier im Blog gibt es den ganzen Text zum Nachlesen. Den Anfang macht:
Jan Jursa, Teamleiter Konzeption und UI-Design – idealo internet GmbH, Mitorganisator MOBX- und IA-Konferenz
Frage Jens Jacobsen: Was war die erste Website, bei der du an der Konzeption beteiligt warst?
Antwort Jan Jursa: 2000 bin ich nach Berlin gezogen. Auf dem Weg von Frankfurt nach Berlin habe ich noch ein Flash-4-Buch gelesen, und „Information Architects“ von Saul Wurman. Das hat mich total angefixt und auf die IA-Schiene gebracht. Ich habe gleich angefangen bei einer Firma, die die Bundesregierung betreut hat. Da habe ich Spiele und kleine Flash-Filme konzipiert und gebaut, so kleine Themen-Seiten. Weil ich drei Wochen Flash-4-Erfahrung hatte, war ich der einzige, der das konnte.
Was hat sich seitdem an der Konzeption geändert?
Design und User Experience haben sehr, sehr viel an Bedeutung gewonnen. Das waren damals nur die Streusel auf dem Kuchen. Heute tauchen Designer oder UXler auch schon mal in der Führungsebene auf. Das Design bekommt also viel mehr Anerkennung und Bedeutung.
Der Prozess selber wird diesem Bild im Alltag oft nicht so gerecht. Nach wie vor müssen alle Design-Teams darum kämpfen, nicht Lösungen vorgesetzt zu bekommen, die sie dann nachbauen, sondern vielmehr daran beteiligt zu sein, das Problem zu verstehen. Ich will nicht das Problem auf einem Fax geschickt bekommen, sondern ich will schon daran beteiligt sein, das Problem überhaupt zu beobachten und zu verstehen.
Da sind wir sicher schon ein ganzes Stück weiter, aber das ist noch nicht in allen Firmen gelebter Alltag. Es gibt ja eine Norm zum User Centered Design, die ISO 9241, aber niemand kennt die. Man hat das Gefühl, man muss das Thema in jedem Unternehmen immer wieder neu entdecken. Aber generell kann man sagen, das Selbstbewusstsein der Konzepter und Designer ist besser.
Und deren Arbeitsweise, ist die auch anders?
Die agile Thematik ist in den letzten Jahren noch stärker geworden, da gibt’s so ein Buzzword-Cluster, habe ich das Gefühl. Lean UX, Lean Management, das ganze Lean- und Agile-Feld. Da hat jeder ein anderes Verständnis für die Begriffe. Auch MVP zum Beispiel (Minmal Viable Product). Das Thema ist meiner Meinung nach verbrannt. Ich bin da kein Fan von gewesen, das wurde oft dafür genutzt, eine Ausrede zu haben, warum man nicht das Gesamte mit einer tollen UX umsetzt, sondern nur die Hälfte macht. So ein Projekt nennt man dann am Ende gescheitert, aber es ist vor allem gescheitert, weil es nur ein halbfertiges Ding war.
In dem ganzen Feld ist viel Blabla, vor allem sind die Begriffe sind nicht klar.
Und das Thema „Informations-Architektur“ ist in Deutschland am Aussterben. Nicht als Tätigkeit, aber als Begriff. Das hatte einen Höhepunkt, aber heute nennt sich so niemand mehr. Das sind alles Interaction Designer oder UX-Designer. Auch die ganzen jungen Leute kennen Informations-Architektur nicht, der Begriff ist durch.
Das heißt, alle wollen nur in UX-Teams arbeiten?
UX-Teams in Unternehmen sind Unsinn. Mein Team heißt absichtlich nichts mit UX, auch wenn das der gängige Begriff ist. Ich sage immer, wir sind nicht das Team, das UX macht. Denn das machen wir alle. Das macht das Marketing, das machen die Entwickler, das machen die Redakteure, die SEO-Experten.
Auf welchen Social-Media-Kanälen bist du denn aktiv?
Ich bin auf Twitter, Facebook, Xing, und auf LinkedIn ein bisschen. Facebook habe ich in letzter Zeit doch als ganz brauchbaren Kanal entdeckt. Da mache ich sehr wenig privat, aber Konferenzen promoten funktioniert gut. Ich lese viel auf Facebook, ab und zu kommentiere ich auch.
Mittlerweile habe ich so ein Quervernetzungschaos, wo ich nicht mehr so ganz genau weiß, was da durch welchen Mechanismus auf welcher Plattform weitergepostet wird. Deshalb könnte man denken, dass ich permanent irgendwo Sachen poste.
Instagram habe ich mir auch eingerichtet, aber ich bin jetzt nicht so der große Knipser. Google nutze ich nicht so. Google Plus nicht und Google Werbung schalte ich auch nicht. Ich finde, bei Facebook kann ich die Zielgruppe besser eingrenzen, die meine Werbung sehen soll.
(Jan betreibt außerdem das Blog The Hot Strudel sowie das Blog IATV, in dem er Youtube-Videos zum Thema UX und IA postet, sowie den Podcast Abends in der Kreativwirtschaft.) Das heißt, du findest es in Ordnung, Posts automatisch absetzen zu lassen?
Ja. Wenn ich mir die Statistiken ansehe, stelle ich fest, dass ich Leser von der ganzen Welt habe. Und bei Twitter ist es ja noch so, dass der Stream synchron durchläuft, das heißt, die Leser verpassen meine Posts, wenn sie schlafen. Deshalb finde ich es legitim, denselben Tweet ein paar Stunden versetzt nochmal zu posten.
Meist fange ich bei Twitter an. Wenn ich noch mehr Marketing-Absichten habe, dann würde ich eher auf Facebook anfangen. Da kann man auf seiner Seite Mini-Geschichten einstellen. Bei einer Konferenz können wir etwa zeigen, wie die Bücher eintreffen, die wir später verlosen. Oder wie wir aufbauen… solche Sachen können wir auf Facebook besser erzählen als auf Twitter.
Was ist dein Tipp für erfolgreiche Posts?
Gerade hatte ich den Fall, dass ich in einen Tweet eines von den vordefinierten animierten GIFs reingenommen habe. Das war so ein scrollendes Wireframe. Also total generisch, auch wenn es ganz nett aussah. Der Tweet war überdurchschnittlich erfolgreich. Auch auf Facebook merkt man: Wenn man seine Posts visuell aufbereitet, vor allem mit einer kleinen Animation oder einem sehr kurzem Video, dann kommen die viel besser an als trockene Texte.
Generell ist es sinnvoll, auch die älteren Beiträge anzusehen, und wiederzuverwenden, wenn sie noch aktuell sind.
Was wird sich im nächsten Jahr ändern im Web?
Was ich nicht sehe sind Tools, die deine Website dynamisch für dich zusammenbauen. Da gab es vor einiger Zeit mal einen Trend. Den Tools hast du was über dich gesagt, und dann haben die deine Site generiert. Das sah immer schlecht aus, das wird sich nicht durchsetzen.
Konzeption, User Centered Design, das sind Sachen, die werden Bestand haben. Die sind schon recht alt und werden jetzt langsam von der breiten Masse so umgesetzt, wie es vor zwanzig, dreißig Jahren von den Autoren beschrieben wurde. Der Prozess ist gut, und auch wasserdicht, wenn man sich dran hält.
Und für 2025, wie siehst du da die Zukunft des Webs?
Ganz wichtig werden wahrscheinlich Chatbots, oder conversational UI, dieser lockerer Dialog als UI-Element, da kommt dann auch Storytelling mit rein.
Und Apps werden immer wichtiger, dieses Desktop-Web geht so langsam weg. Auf dem Smartphone im Browser oder in der App, da mache ich viel, aber auf dem Desktop? Das sehe ich nicht. Klar, die Leute surfen in der Arbeit nebenher noch ein bisschen, aber das Meiste macht man doch auf dem Smartphone oder auf dem Tablet.