Interview Wolfgang Waxenberger, Head of User Experience, GfK

Foto Wolfgang WaxenbergerHier ein weiteres Interview mit einem der Experten, die mir für die neue 8. Auflage der Website-Konzeption Rede und Antwort gestanden haben. Heute: Wolfgang Waxenberger, Head of User Experience, GfK

Frage Jens Jacobsen: Was war die erste Website, bei der Sie an der Konzeption beteiligt waren?

Antwort Wolfgang Waxenberger: Das war 2004, da hab ich hier bei GfK angefangen, der Kunde war Otto. Das waren so die Anfänge des E-Commerce und da ging es darum, erste Usability-Labore in realistischem Kontext zu machen. Wo Leute tatsächlich etwas kaufen und einen Teil Ihres Incentives investieren, also des Geldes, das sie für die Teilnahme am Usability-Test bekommen. Das war spannend, weil es einfach etwas anderes ist, wenn man etwas in der Theorie testet oder wenn man tatsächlich etwas kaufen soll.

Hat sich seitdem an der Herangehensweise an Usability-Test etwas geändert?

Zum einen sind die Kunden deutlich professioneller geworden, sie betreiben oft ihre eigenen UX-Abteilungen. Viele Kunden greifen nur auf Agenturen zurück, wenn es methodisch recht komplex wird oder wenn der Umfang sehr groß wird.

Heute wird nicht mehr eine Website von vorne bis hinten getestet, sondern eher nur einzelne Bereiche, die nach und nach optimiert werden. Oder es geht um Vorlagen, die dann so in mehreren Ländern ausgerollt werden.

Und viele klassische Usability-Probleme tauchen einfach nicht mehr auf, weil das Wissen stark zugenommen hat. Dass z.B. die Sternchen an den Pflichtfeldern fehlen oder ein Fortschrittsbalken, das passiert heute einfach nicht mehr. Es geht mehr um das Anwendungserlebnis oder darum, wie man die Informationen ansprechend aufbereitet.

Sind Usability-Tests auch für kleine Sites mit kleinem Budget sinnvoll?

Jede Form von Test ist besser als kein Test. Für ganz kleine Budgets gibt es online-Usability-Tests. Die finde ich persönlich methodisch etwas fragwürdig – man weiß nicht, wie man die richtige Zielgruppe bekommt und man braucht viel Interpretationsvermögen, das sinnvoll auszuwerten. Aber für ein paar Hundert Euro bekommt man so schon einen kleinen Test. Besser ist es natürlich, das professionell zu machen oder sich zumindest die Meinung von einem Experten einzuholen.

Generell kann man bei kleinen Budgets nur mit 4–5 Testpersonen arbeiten. Und, wie bei allen anderen Projekten, sollte man möglichst früh mit den Tests beginnen.

Welche anderen UX-Methoden sollte man bei kleinem Budget unbedingt einsetzen?

Immer gut ist, einen Experten zu haben, mit dem man ein Abrufkontingent vereinbart. Einfach nur, um hin und wieder einen Blick auf Sachen zu bekommen, der einen bei speziellen Fragen unterstützt. Ansonsten gibt es Tools, die man selbst bedienen kann. Etwa fürs Online-Card-Sorting, um eine gute Informations-Architektur zu erstellen. Oder solche, mit denen man die Struktur der Seite vorher testen kann, mit reverse Card-Sorting.

Was auch noch gut ist im Vorfeld, sind online Umfragetools. Mit Surveymonkey z.B. kann man schnell eine Umfrage erstellen, was meine Kunden überhaupt wollen, damit kann ich die Bedürfnisse meiner Zielgruppe herausbekommen. Aber generell würde ich immer einen Experten einbinden, wenn man es sich irgendwie leisten kann.

Wie kann man einen skeptischen Chef überzeugen, dass man Usability-Tests braucht?

Das ist immer schwierig. Es gibt schon Berechnungen, wie viel Geld man sich spart, weil man später weniger Fehler beheben muss. Ansonsten gibt es Einzelbeispiele. Eines von uns ist die mobile Site von eBay. Da haben wir an einer Stelle noch einen „bezahlen“-Button eingefügt und der hat pro Jahr jetzt 500 Millionen mehr Umsatz generiert. Bei so etwas ist der ROI, also der wirtschaftliche Nutzen, gut zu messen.

Es kann aber auch sein, dass Usability-Tests dazu führen, dass man weniger Vertriebsmitarbeiter braucht, oder weniger Support, weil die Besucher die Sachen auf der Site selber finden.

Haben Sie einen Wunsch für die Website-Konzeption im nächsten Jahr?

Was ich mir am meisten wünsche: Noch mehr Verständnis beim Kunden, früh in den Prozess einzusteigen und die Nutzer schon bei der Konzeption einzubeziehen. Und ein Verständnis dafür, dass ein Scheitern erstmal etwas Positives ist, etwas durch das man weiß, wie es nicht funktioniert. Ein bisschen mehr Pioniergeist und Mut zur Kreativität würde ich mir wünschen.

Und für 2025, wie sehen Sie da die Zukunft der Konzeption?

Es wird einem großen Wandel geben in der Branche. Die Kompetenzen wachsen weiter, viele machen das selbst, was heute Agenturen machen. Das ist aber eine Chance, weil wir noch mehr zu User Experience arbeiten können, mehr zum Erlebnis, zu den Services, die um die Site herum angeboten werden. Das alles können wir heute auch schon, aber das wird sich noch sehr viel weiterentwickeln.

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