Digitale Produkte entstehen selten nur durch die Arbeit einer einzelnen Person. Selbst an einer Website mit nur einer einzigen Seite sind meist drei Menschen beteiligt, oft noch sehr viel mehr.
Dabei ist eine Rolle am wenigsten beachtet: Die der Person, die die Texte schreibt, – obwohl die Texte für den Erfolg einer Website oft am entscheidendsten sind. Und bei Apps etwa führen die Schreiberinnen und Schreiber ein noch schattigeres Dasein. Doch in den letzten Monaten rückt eine neue Rolle in den Vordergrund: UX Writer.
Wer denkt, ach nein, nicht noch eine neue Rolle, den verstehe ich vollkommen. Ich glaube auch, dass die meisten Projekte keine:n eigene:n UX Writer brauchen. Und doch braucht es eine Person, die sich um die Texte kümmert. Der die klare Verantwortung dafür zugewiesen wird und die dafür sorgt, dass die Texte nicht nur da sind, sondern auch dafür, dass sie gut sind.
Im Wesentlichen gibt es zwei Aspekte des Felds UX Writing:
- Das Erstellen von Inhalten in Textform
- Den textlichen Aspekt der User Experience (also Beschriftung von Buttons, Labels, Fehlermeldungen und auch Hilfetexte und Trainingsmaterialien)
Der Aspekt des Texte-Schreibens ist klarer, hier muss man niemandem erklären, dass das ein eigener Schritt ist. (Auch, wenn das normalerweise zu spät passiert und nicht wichtig genommen wird.)
Der zweite Aspekt dagegen wird nicht selten völlig übersehen. Buttons, Hinweistexte und Fehlermeldungen erstellen oft Entwicklerinnen und Entwickler nebenbei. Das erinnert an die Gestaltung dieser Elemente vor einigen Jahren: Die Gestaltung entstand früher auch so nebenbei während der Entwicklung – inzwischen hat sich das Feld UX Design, genauer das UI Design, dem angenommen.
Und hier ist auch der Text gut aufgehoben. Das heißt, normalerweise macht das UX Writing der:die UI Designer:in oder der:die UX Designer:in.
Aber die Rollen, die sich ums UX Writing kümmern, sind noch viel vielfältiger. Es können Folgende sein:
- Texter:in
- Technische Redakteur:in (technical writer)
- Online-Redakteur:in,
- Content Creator bzw. Content Strategist
- Informations-Architekt:innen
- PR/Marketing-Expert:innen
In dem Zusammenhang ist auch wichtig: Der englische Begriff für Text in dem Zusammenhang ist copy. Jemand, der Texte schreibt, ist ein copywriter. Der englische Begriff text beschreibt mehr technisch, was auf den Seiten zu sehen ist – mit copy ist der Inhalt gemeint.
Was machen UX Writer?
Die einfachste Definition für UX Writer ist:
UX Writer schreiben die Texte für alle Elemente, mit denen Nutzende in Kontakt kommen.
Grundsätzlich müssen diese Texte 3 Dinge leisten:
- Sie müssen die Information vermitteln.
- Sie müssen zur Organisation/Anwendung/Site passen und deren Marke transportieren oder ihr zumindest nicht widersprechen.
- Sie müssen für die Lesenden verständlich und angenehm zu lesen sein.
In der Praxis sind UX Writer heute in vielen größeren Unternehmen an Folgendem zumindest beteiligt (wenn nicht gar allein verantwortlich dafür):
- Tonalität/Sprachstil festlegen
- Narrativ entwickeln
- Kommunikationsprinzipen ausarbeiten
- Konsistenz sicherstellen
- Verständlichkeit optimieren
- User Research/Usability Testing
- Content Strategie (mit-)entwickeln
- Redaktionspläne aufstellen
- Button-Beschriftungen und Links texten
- Hilfetexte, Anweisungen, Website-Inhalte und alle anderen Arten von Texten schreiben
Hinzu kommen Spezialfälle wie Dialoge für Chatbots oder Sprachassistenten.
Warum brauchen wir UX Writer?
Wenn Texte einfach bei der Entwicklung nebenher entstehen, haben wir genau das gleiche Problem, wie wenn UI Design oder grafische Gestaltung nebenher entstehen: Das geht schon, aber das Ergebnis ist eben oft nicht gut. Denn genau wie fürs UI Design braucht es fürs UX Writing spezielle Fähigkeiten.
Und nein, Schreiben lernen wir nicht alle in der Schule. In der Schule lernen wir, uns verständlich zu machen und wir lernen, Aufsätze zu schreiben. Aber genau sowenig wie wir im Kunstunterricht lernen, gutes Design zu machen, genau sowenig lernen wir im Deutschunterricht gute Website- oder App-Texte zu schreiben.
Und das Texten dem Marketing zu überlassen ist ein Fehler. Ja, die können gute Texte schreiben. Aber die Kolleginnen und Kollegen im Marketing haben normalerweise die falsche Brille auf. Denn ein Marketing-Text hat ganz andere Aufgaben als z.B. ein Hilfe-Text für eine Anwendung. Das heißt nicht, dass es nicht auch Marketing-Expert:innen gibt, die UX Writing können. Aber es ist eine Zusatzqualifikation, welche die meisten nicht haben.
Welche Ausbildung haben UX Writer?
UX Writer kommen aus verschiedensten Disziplinen, eine formale Ausbildung gibt es bisher nirgends.
Typische Bereiche sind Journalismus, Lektorat, Marketing/PR und Technische Redaktion.
Für UX Writer gilt das Gleiche wie für Designer: Bauchgefühl reicht nicht. Wenn Designer sagen, ihr Vorschlag sei gut, weil er ihnen gefalle, haben sie UX noch nicht verstanden. Genauso müssen UX Writer ihre Entscheidungen begründen können – oder eben User Research machen, um herauszufinden, ob ihre Bauchentscheidung für die Nutzenden funktioniert.
Ähnlich wie fürs Design gilt fürs Texten: Ein klares Richtig oder Falsch gibt es nicht. Falsche Texte sind kein Bug, kein Fehler. Aber Probleme mit der Nutzung sind das durchaus.
Nachdem UX Writing für die meisten kein Vollzeitjob ist, sind typische Arbeitsfelder für UX Writer:
- Texten – von der Ein-Wort-Beschriftung eines Buttons über Fehlermeldungen und Hilfetexte bis hin zu Marketing- und Trainingsunterlagen oder Handbücher von mehreren Hundert Seiten
- Nutzungsforschung – Usability- und Content-Tests, Werbewirksamkeitsforschung, Analytics
- Training/Sensibilisierung von Kolleginnen und Kollegen
- Suchmaschinenoptimierung
- Social Media
Fazit
Niemand muss UX Writer anheuern. Und niemand muss diese Rolle formal besetzen oder den Begriff UX Writing nutzen. Aber mit Text auseinandersetzen sollte sich jeder – ganz gleich, ob er nur eine Unternehmenswebsite betreibt oder eine komplexe App entwickelt.
Ich bin seit knapp 6 Jahren UX Writer und unterrichte seit 2 Jahren UX Writing und muss sagen: Dieser Text strotzt nur so vor Fehlern. Bin tatsächlich etwas schockiert. Der wohl gravierendste Fehler ist das Beispiel des Persil-Texts. Ein UX Writer würde sich niemals mit einem solchen Text befassen – das ist Marketing, keine klassische UX Copy. Es ist keinesfalls so, dass UX Writer sich einfach mit allerlei Texten im Interface befassen und auf diese mit ihrer „UX-Brille“ schauen. Ja, das können wir gern nebenbei machen, aber das hat nichts mit unserer eigentlichen Job-Beschreibung zu tun. Hier wird also einiges durcheinandergebracht. Auch Redaktionspläne stellen wir nicht auf. Und die Bemerkung „weil UX Writing für die meisten kein Vollzeitjob ist“ ist einfach nur unverschämt. Ich rate dem/der Autor:in mal, sich tatsächlich in der deutschen UX-Branche umzusehen, bevor hier so ein Unsinn verbreitet wird.
Hallo Frau Grimm, danke für Ihren Kommentar. Es tut mir Leid, dass Sie sich offenbar ärgern. Ich persönlich finde es großartig, dass es Menschen wie Sie gibt, die diesen Job hauptberuflich machen. Meine Erfahrung aus vielen Unternehmen ist aber die: Die meisten, zu deren Aufgaben UX Writing gehört, machen das nicht als ihre Hauptaufgabe. Das ist sicher nicht überall so, aber die aktuelle Realität. So wie es nicht nur UX-Profis gibt, die sich um die UX kümmern, sondern das vielfach auch der Job von Designer:innen, Konzepter:innen, PMs usw. ist. Die „machen auch UX“, auch wenn das nicht deren Hauptaufgabe ist – und oft nicht einmal etwas, was sie gelernt haben.
Nachdem UX Writing eine noch weniger bekannte Disziplin ist, und UX generell ja immer noch nicht die Bedeutung hat, die sie verdient hätte, gibt es hier sicher unterschiedliche Meinungen/Vorstellungen/Definitionen. Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion!
Und noch eine Anmerkung, mehr als Notiz: NNG definiert den Umfang von UX Writing so:
https://www.nngroup.com/articles/content-strategy-vs-ux-writing/