Newsletter 06/2003 – Usability-Tests – Der Weg zum Erfolg

Schon im letzten Newsletter (5/2003) ging es um Usability. Damals standen Usability-Reviews im Mittelpunkt, heute sind es die Usability-Tests. Zunächst aber noch einmal zum Grundsätzlichen:

Was genau ist Usability?

Usability bedeutet nicht nur, dass die Seiten gut zu lesen sind, dass Buttons und Links als solche erkennbar sind und dass die Navigation verständlich ist. Das ist, was man gewöhnlich unter Benutzerfreundlichkeit versteht. Zu Usability gehört auch, dass die Struktur einer Website auf den ersten Blick klar wird, dass der Benutzer immer weiß, wo er sich befindet, und dass die Texte dem Medium entsprechend aufbereitet sind. Inhalte und Präsentation bilden eine Einheit, alles ist auf denjenigen ausgerichtet, der das Ganze benutzen soll.

Warum ist Usability wichtig?

Es kann nicht oft genug betont werden: Ist eine Website nicht benutzerfreundlich („usable“), werden Chancen verschenkt, Benutzer anzuziehen und zum regelmäßigen Wiederkehren, und/oder zum Kaufen zu bewegen. Wenn Sie die Regeln der Usability beachten, verdienen Sie (oder Ihr Auftraggeber) mehr Geld oder Sie bekommen zumindest mehr Besucher.

Wie läuft ein Usability-Test ab?

Dabei setzen Sie mehrere potenzielle Benutzer vor die Website und beobachten, wie sie damit umgehen. Das allein genügt, um viele Probleme aufzudecken. Dabei ist nicht die Frage, ob Sie Probleme finden, sondern nur, wie schwerwiegend diese sind. Es gibt keine Site ohne Usability-Probleme.

Die Kunst ist, die Benutzer möglichst wenig zu beeinflussen, sie aber durch geschicktes Nachfragen dazu zu bringen, ihre Eindrücke und Erwartungen zu verraten.

Meist dauert eine Sitzung mit einer Testperson 45 Minuten, dabei wird schriftlich Protokoll geführt oder die Person und/oder der Bildschirm auf Video aufgezeichnet. Es gibt auch Tests mit so genannten Blickverfolgungs-Kameras, die registrieren, wo die Testperson auf dem Bildschirm wie lange hinsieht. Doch dieser technische Aufwand ist normalerweise nicht nötig.

Wann sind Usability-Tests sinnvoll?

Immer. Je mehr Tests Sie durchführen, umso besser wird Ihre Site. Planen Sie rechtzeitig ausreichend Zeit für Usability-Tests ein. Auch im Budget sollten sie enthalten sein.

Testen Sie so früh wie möglich. Denn wie erwähnt ist die Frage nicht, ob Sie Usability-Probleme entdecken, sondern wann. Je früher Sie diese finden, desto weniger Aufwand ist es, sie zu beheben.

Lieber eine Testrunde frühzeitig durchführen als zehn kurz vor dem Launch.

Setzen Sie besser mehrere kurze Testrunden in verschiedenen Projektphasen an, als einen einzigen aufwändigen Test.

Wenn Sie eine Site überarbeiten, machen Sie einen Usability-Test mit der vorhandenen Site. Dabei erkennen Sie, was an der Site funktioniert und was nicht. Wenn Sie darauf verzichten, laufen Sie Gefahr, eine mittelmäßige Site durch eine andere mittelmäßige Site zu ersetzen – bestenfalls. Denken Sie aber auch daran: eine Site mit schlechtem Inhalt wird auch dann nicht erfolgreich, wenn sie benutzerfreundlich ist wie keine zweite.

Was wird getestet?

–> Papierprototyp-Tests

Sie können Usability-Tests durchführen, bevor eine einzige HTML-Seite fertig ist. Dazu dienen so genannte Papierprototyp-Tests. Dabei zeichnen Sie die Struktur oder ein paar der geplanten Seiten inklusive Navigationselemente auf je ein Papier und legen es potenziellen Nutzern der Site vor. Beginnen Sie mit der Startseite, erklären Sie kurz, was darauf außer dem Aufgemalten zu sehen sein wird, und fragen Sie die Testpersonen, ob sie verstehen, was sie hier tun können. Sagt eine Person, sie würde auf eine bestimmte Schaltfläche klicken, legen Sie ihr das Papier mit der entsprechenden Seite vor.

Mit dieser einfachen Methode testen Sie ohne viel Aufwand, ob die Struktur Ihrer Site verstanden wird und ob die Beschriftung der Navigationselemente stimmt.

–> HTML-Prototypen

Aussagekräftiger als Papierprototyp-Tests sind Tests mit HTML-Prototypen. Das sind schnell zusammengebaute Testversionen, mit denen die Startseite und einige wenige Inhaltsseiten als echte HTML-Seiten getestet werden. Dabei kommt es noch nicht darauf an, dass die Grafik endgültig ist, auch Details wie die Optimierung der Ladegeschwindigkeit oder das Zerlegen großer Bilder in mehrere kleinere sind unwichtig. Der Prototyp dient nur dazu, unter etwas realistischeren Bedingungen zu testen, was Sie auch schon mit dem Papierprototyp untersucht haben: Verstehen die Benutzer, was sie auf der Site tun können? Wird die Struktur der Site klar? Verstehen sie die Bezeichnungen und die Funktion der Navigationselemente?

–> Test der fertigen Seiten

Die letzte Testmöglichkeit während des Projekts ist während der Produktionsphase. Die Teile der Site, die bereits fertig sind, werden dabei getestet. Tauchen hier schwerwiegende Fehler auf, muss unter Umständen das Problem auf allen bisher erstellten Seiten nachträglich behoben werden. Aber das ist immer noch besser, als mit solchen Problemen an den Start zu gehen.

Auch der Test von Sites, die schon online sind, ist sinnvoll. Es ist besser, ein schwerwiegendes Usability-Problem nachträglich zu beheben als gar nicht. Im Laufe der Zeit können sich auch neue Probleme ergeben – oder vorhandene können verschwinden. Denn die Gewohnheiten der Benutzer ändern sich. Die meisten Menschen haben sich an die Benutzung von Computeroberflächen wie Windows oder Mac OS gewöhnt, auch wenn diese teilweise erhebliche Usability-Fehler aufweisen. Genauso können bekannte Sites Standards setzen, indem sie bestimmte Funktionen einführen. So hat sich der Einkaufswagen mittlerweile durchgesetzt und wird von fast allen Internet-Benutzern verstanden. Im Einkaufswagen können Produkte abgelegt werden und sie bleiben darin, bis man sie wieder herausnimmt oder zur Kasse geht. Allerdings funktioniert das Herausnehmen so, dass man bei „Stückzahl“ den Wert „0“ einträgt – das ist nicht intuitiv, wurde aber inzwischen von fast jedem gelernt. Das verdeutlicht: Was von den Benutzern verstanden wird und was nicht, kann sich im Laufe der Zeit ändern.

Was ist das Ergebnis?

Normalerweise werden die Ergebnisse der Usability-Tests in einem schriftlichen Bericht zusammengefasst. Manchmal wird auch eine Dokumentation der wichtigsten Szenen aus den Tests auf Video angefertigt. Das ist besonders hilfreich für Menschen, die wenig Erfahrung mit Usability haben. Denn es ist sehr überzeugend zu sehen, wie ein echter Benutzer Probleme hat, den richtigen Button zu finden, den man selbst für vollkommen offensichtlich hält.

Die Probleme werden analysiert und entsprechend ihrer Bedeutung für den Erfolg der Website gewichtet.

Was sind typische Probleme, die ein Usability-Test aufdeckt?

Genau wie bei einem guten Usability-Review werden meist Probleme in den folgenden Bereichen aufgedeckt (das wird Ihnen aus dem letzten Newsletter bekannt vorkommen):

  • Missverständnisse bei Begriffen – die Benutzer wissen nicht genau, was mit den Menüeinträgen/Bereichen der Website gemeint ist und suchen daher lange bzw. geben auf.
  • Übersehen von Steuerungselementen – die Benutzer finden Menüeinträge oder andere Steuerungselemente wegen ihrer Anordnung oder Gestaltung nicht.
  • Orientierungsverlust – die Benutzer finden sich auf der Site nicht zurecht, da sie keinen Überblick haben und nicht wissen, wo sie gerade sind und wie sie weiter kommen.
  • technische Probleme – die Benutzer haben Probleme wegen Darstellungsfehlern im Browser, zu kleinen Bildschirmfenstern, Programmierfehlern oder der Internetanbindung.

Aus den gefundenen Problemen leitet der Tester oder ein anderer Usability-Experte Lösungsvorschläge ab. Diese werden jeweils nach ihrer Dringlichkeit (wegen der schon erwähnten Bedeutung für den Erfolg der Site) und nach dem Umsetzungsaufwand beurteilt. Optimal ist es, nach der Änderung der Site nochmals zu testen, ob die Probleme behoben sind, und ob nicht dabei neue Probleme entstanden sind – so kommen Sie auf den Weg zum Erfolg.
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(c) Jens Jacobsen 2003

Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter Juni 2003“).

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