Newsletter 06/2002 – Wer liest die Texte Ihrer Site?

Schreiben kann jeder Internetbenutzer – Lesen auch. Doch kann man die Texte auf Ihrer Site auch lesen? Werden sie gelesen?

In den meisten Fällen nicht. Doch das ist in Ordnung. Fast jeder Internetbenutzer hat sich angewöhnt, die Seiten zu überfliegen. Je länger ein Text ist, desto weniger wahrscheinlich ist, dass er gelesen wird.

Das halten Sie für überspitzt? Dann gehen Sie ins Internet und verhalten Sie sich wie ein gewöhnlicher Benutzer. Analysieren Sie die Seiten nicht mit Ihrem professionellen Blick, sondern erledigen Sie etwas, was jeder Benutzer häufig macht: Schlagzeilen lesen, ein Buch kaufen oder die Postadresse einer Firma heraussuchen.

Achten Sie darauf, wie Sie die Seiten „lesen“. Können Sie sagen, was alles darauf stand, wenn der Browser wieder geschlossen ist? Wissen Sie, welche Punkte zur Auswahl standen? Wahrscheinlich nicht. Das liegt nicht unbedingt daran, dass Sie eine schlechte Site besucht haben, sondern daran, wie wir Seiten lesen.

.1–> Wir lesen nicht, wir überfliegen

Wir lesen Webseiten nicht, wir überfliegen sie. Dabei verweilen unsere Augen an den Stellen länger, die auf den ersten Blick interessant erscheinen. Wir nehmen uns nicht die Zeit, die Seite systematisch zu studieren, sondern versuchen mit wenigen Augenbewegungen herauszufinden, wo die Dinge sind, die uns interessieren.

.2–> Wir geben uns mit dem Erstbesten zufrieden

Sind wir gezielt auf der Suche nach etwas, klicken wir im Normalfall den ersten Link an, der uns interessant erscheint. Wir nehmen uns selten die Zeit, alle Wahlmöglichkeiten unter die Lupe zu nehmen. Wir klicken nicht auf den besten, sondern auf den erstbesten Link.

Schreiben Sie Ihre Texte so, dass Sie diesem Benutzerverhalten entgegenkommen. Ändern können Sie es nicht, nur Ihre Seiten können Sie ändern.

.3–> Kurz & gut schreiben

Texte für das Lesen am Bildschirm müssen kurz sein. Faustregel: vom gleichen Text wird am Bildschirm nur ein Drittel dessen gelesen, was in Papierform gelesen worden wäre.

Kürzen ist Arbeit. Sie sollten sich diese Arbeit machen, damit der Benutzer sich nicht die Arbeit machen muss, die Inhalte aus Ihrer Prosa herauszuschälen. Die meisten Benutzer werden Ihnen diesen Gefallen nicht tun, sondern die Seite einfach wegklicken.

.4–> Blähwörter streichen

Umständliche Formulierungen und überflüssige Erklärungen sind die Hauptgründe für aufgeblähte Seiten. Danach kommen Blähwörter, die keine Information bringen, sondern Unsicherheit verbreiten. Sie schwächen klare Aussagen ab.

Beliebte Blähwörter sind:

  • in etwa
  • irgendwie
  • sowieso
  • ja
  • ganz
  • etwas
  • eigentlich
  • nämlich
  • übrigens
  • also
  • auch
  • noch
  • demnach

Jeder schreibt Blähwörter. Finden Sie diese in Ihren Texten, die Sie am häufigsten verwenden und werden Sie sie los.

.5–> Optische Gliederung

Überschriften helfen, die Seite auf einen Blick einzuordnen. Deshalb gehört auf jede Seite eine Überschrift – möglichst aussagekräftig. (Ausnahme: Sie wollen den Benutzer durch eine provokante Frage oder einen anderen Trick zum Weiterlesen verführen – was selten klappt.)

Strukturieren Sie den Text auch optisch. Jeder neue Gedanke bekommt seinen einen eigenen Absatz. Das lockert den  Text auf und signalisiert dem Leser einen inhaltlichen Abschnitt.

Listen heben Aufzählungen mit mehr als drei Punkten vom restlichen Text ab. Komplexe Informationen lassen sich besser als Tabellen darstellen, was den Text kurz hält und der Seite Struktur gibt.

Informationen, die nicht direkt zum Haupttext gehören, kommen in eigene Kästen. Zusatzerklärungen, Hintergrundwissen oder Studienergebnisse eignen sich dafür besonders. Wenn diese aber länger sind, überlegen Sie, ob diese nicht besser auf einer eigenen Seite untergebracht sind.

Illustrationen, Fotos oder Diagramme lockern lange Texte auf. Geschickt platziert können sie ihn auch inhaltlich sinnvoll strukturieren.

.6–> Seitenlänge

Zur idealen Seitenlänge gibt es verschiedene Meinungen. Die Einen sagen, der Benutzer möchte gerne alles auf einer Seite finden, was zusammen gehört. Diese kann er ganz entspannt lesen und dann weiter klicken, wenn er fertig ist. Die Anderen meinen, dass der Benutzer ungern scrollt. Er klickt sich lieber Seite für Seite weiter, ohne dabei viel scrollen zu müssen. Ein Klick ist eindeutig – entweder geht es weiter, oder nicht. Scrollen erfordert etwas mehr Mühe, weil man danach immer wieder suchen muss, wo man im Text gerade war.

Wie Sie sich entscheiden, bleibt Ihnen überlassen. Aber treffen Sie eine bewusste Entscheidung.

Achten Sie bei langen Seiten darauf, den Text gut zu gliedern. Fügen Sie dazwischen immer wieder Links zum Anfang der Seite ein.

Faustregel für Seiten, die keinen Text enthalten, den der Benutzer vermutlich ganz von vorne bis hinten durchlesen wird: 1000 Pixel Seitenhöhe. So können die meisten Benutzer mit einmal Scrollen die ganze Seite erfassen.

Denken Sie immer daran: Sie schreiben für den Benutzer, nicht für Ihren Chef oder Auftraggeber. Sie selbst haben wenig Zeit und lesen daher nur Texte, von denen Sie glauben, dass sie nützlich sind. Schreiben Sie nützliche Texte und machen Sie sie offensichtlich, dass sie es sind.
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(c) Jens Jacobsen 2002

Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter Juni 2002“).

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4 Gedanken zu „Newsletter 06/2002 – Wer liest die Texte Ihrer Site?“

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