Was auf die Startseite kommt, darüber streiten sich die Beteiligten seit für einzelne Websites mehr als eine Person zuständig ist. Der Grund dafür ist, dass die Startseite zum einen psychologisch für die Betreiber sehr wichtig ist. Wer dort vertreten ist, scheint im Unternehmen wichtig zu sein. Zum anderen ist die Startseite natürlich auch für die Benutzer sehr wichtig. Sie sollte
- den Betreiber der Site ganz klar darstellen
- diesen gut dastehen lassen, sein Image transportieren
- einen Überblick über Umfang und Funktionen der Site verschaffen
- direkten Zugriff auf die wichtigsten Funktionen geben (Suche, Kontakt, Login…)
- Neugier wecken und positiv gegenüber Unternehmen und Site stimmen
Startseiten waren im benutzerfreun.de-Newsletter August 2004 schon einmal Thema. Die wesentlichen Dinge gelten immer noch. Was sich aber geändert hat: Lange galt die Regel, dass man möglichst kurze Startseiten anlegen sollte. Der Bereich unter dem „Knick“, also alles, was man nur durch Scrollen sieht, galt als ein Teil, den fast nie ein Besucher zu Gesicht bekommt. Das ist heute nur noch in den seltensten Fällen richtig. Inzwischen haben fast alle Internet-Nutzer so viel Erfahrung im Web, dass sie nicht nur wissen, dass es etwas „nach dem Knick“ gibt, sondern dass sie auch dorthin scrollen. Das liegt umgekehrt auch daran, dass es immer mehr Seiten gibt, die sehr lang sind – vor allem die Nachrichten-Sites.
Man kann also inzwischen sicher sagen: Die Benutzer scrollen, solange eine Seite auf ihrem Bildschirm nicht so aussieht, als würde „unten“ nichts mehr kommen. Um das zu vermeiden legen Sie zum Beispiel eine Seitenspalte an, die an der Stelle des Knicks einen längeren Text enthält oder Bilder. Die Position des Knicks hängt natürlich davon ab, welche Bildschirmauflösung der Nutzer hat.
Minimale Bildschirmauflösung
Inzwischen kann man davon ausgehen, dass kein Nutzer Ihre Site mit einem Bildschirm mit weniger als 800 x 600 Pixel Auflösung ansieht. Bei Sites, die eine Zielgruppe mit wenig Technikbegeisterung oder geringeren finanziellen Mitteln (etwa Schulen) haben, sollte man sicherheitshalber aber keinen größeren Wert ansetzen, selbst wenn auch bei diesem Publikum die kleinen Monitore mit der geringen Auflösung von 800 x 600 fast vollständig ausgemustert sind.
Im Normalfall ist man aber mit 1024 x 768 Pixeln immer auf der sicheren Seite. Breiter sollte man seine Site in der Regel sowieso nicht anlegen, weil sonst der Text so breit läuft, dass man ihn nur noch schwer lesen kann. Bei Zeilenlängen von mehr als etwa 80 Zeichen verfehlt das Auge beim Zeilenwechsel leicht die nächste Zeile und landet in einer Zeile darüber oder darunter. Es dauert zwar nur Sekundenbruchteile, bis man die richtige Zeile wieder hat, aber das subjektive, oft unterbewusste Komfortbefinden sinkt.
Inzwischen ist die Gestaltung mit CSS (Cascading Stylesheets, sie trennen Formatierung und Inhalt) so einfach und wird von allen gängigen Browsern unterstützt, das es eigentlich nicht mehr vertretbar ist, ein festes Layout mit HTML-Tabellen o. Ä. zu machen. Mit einem guten CSS-Layout ändert sich die Breite des Textes mit der Fenstergröße. So kann jeder Besucher die Ansicht einstellen, wie er möchte.
Links und Navigation
Google war lange Vorbild für aufgeräumte Startseiten. Ich würde sagen, das ist es immer noch – wenn man es so einfach hat wie Google und der Großteil der Besucher wegen einer einzigen Funktion auf die Site kommen. Google setzt seine Suchfunktion groß und prominent auf die Startseite, dazu nur ein paar unauffällige Links zu Zusatzfunktionen.
Amazon, eine weitere Vorzeige-Site machte es umgekehrt. Die Startseite wurde immer länger und voller – weil auch das Angebot immer größer wurde. Was mit Büchern begann wuchs um Elektroartikel, Musik, Haushaltsgeräte, Videos, Sportgeräte und Kleidung. Amazon setzte auf Navigation mit Reitern und machte diese Technik damit weithin bekannt. Nur waren diese Reiter irgendwann extrem dicht gedrängt, und auf der amerikanischen Amazon-.Site wurden sie sogar übereinander gestapelt. Es war klar, dass sich etwas ändern musste.
Nun hat Amazon seine Site kürzlich überarbeitet. Und, woraus man wieder lernen kann: sehr behutsam. Die Wirkung der Site ist nicht so anders als zuvor. Das verhindert, dass Benutzer verärgert werden. Denn bei jeder Umgestaltung einer Site (Relaunch) gibt es Proteste. Einige Nutzer beschweren sich immer über Funktionen, die sie vermissen, über die Gestaltung, die ihnen nicht gefällt oder über die neue Navigation, mit der sie nicht zurecht kommen.
Die deutsche Amazon-Site läuft noch im Testbetrieb, d. h., nicht jeder Benutzer sieht die neue Version der Site. Zufallsgesteuert wird bei jedem Besuch entschieden, welche Version angezeigt wird. Damit testet Amazon, wie die neue Site ankommt, ohne diese gleich allen Besuchern zu zeigen.
Die neue Site verlegt die Hauptnavigation von oben an den linken Bildschirmrand. Bewegt man die Maus über einen der derzeit zehn Kategorienamen, öffnet sich ein Menü mit Unterkategorien. Das Ganze wirkt etwas moderner als die alte Site und funktioniert meiner Meinung nach recht gut. Auch die Reaktionen, die man im Web lesen kann, sind fast durchweg positiv.
Das heißt nicht, dass Reiter als Navigationselemente ausgedient haben. Nur wer so viele Inhalte verschiedenster Kategorien anzubieten hat, sollte einen Blick auf das neue Design von Amazon werfen, um hiervon zu lernen.
Weniger Links sind nicht immer besser
Eine goldene Regel der benutzerfreundlichen Gestaltung ist ja, möglichst wenig Elemente anzubieten, da die verbleibenden dann leicht gefunden werden. Und es gilt nach wie vor: Es spricht nichts dagegen, den Benutzer auf mehrere Links klicken zu lassen, um zum Ziel zu kommen, solange er immer klar weiß, wo es lang geht.
Andererseits ist es auch sinnvoll, schon auf der Startseite einen Eindruck zu vermitteln, wie viele Informationen auf der Site zu finden sind. Wichtig ist dabei nur, die Bereiche so zu sortieren, dass der Benutzer sich gut zurecht findet. Das ist auch für wiederkehrende Besucher praktisch, die damit gleich auf der Startseite dorthin springen können, wo sie eigentlich hin wollen.
Keine Platzverschwendung
Vom Usability-Experten Jakob Nielsen stammt das Konzept des „Screen Real Estate“ (Bildschirm-Grundstück): Der Platz auf dem Bildschirm der Besucher Ihrer Site ist so kostbar wie Baugrund in der Münchner Innenstadt und sollte dementsprechend überlegt genutzt werden.
Besonders wichtig ist das bei der Startseite. Sie wird am häufigsten besucht, und hier entscheidet sich oft, ob ein Besucher auf Ihrer Site bleibt oder nicht.
Planen Sie Ihre Seiten also sorgfältig. Dazu müssen Sie den besten Kompromiss finden zwischen angenehmer, nicht zu dichter Gestaltung und dem Unterbringen von möglichst vielen Informationen. Allerdings muss das mit viel Sorgfalt geschehen. Denn je mehr Infos sie platzieren, desto schwieriger wird es, etwas bestimmtes zu finden.
Kein Willkommensgruß
Verzichten Sie auf Floskeln wie „Herzlich willkommen auf unserer Homepage!“. Das kostet unnötig Platz und wirkt inzwischen unprofessionell. Möchten Sie eine persönliche Ausstrahlung, beschreiben Sie lieber, was Sie für den Benutzer tun und wie Sie auf seine individuellen Wünsche eingehen.
Und das so konkret wie möglich. Nicht „Wir erfüllen alle Ihre Wünsche rund um xy.“ sondern eher „Zusammen mit Ihnen erarbeiten wir die kostengünstigste Lösung für xy. Unsere Experten nehmen vor Ort Maß und schlagen Ihnen yz vor.“.
Ist die Startseite personalisiert und sind die Inhalte auf den registrierten und wieder erkannten Benutzer zugeschnitten, sollten Sie ihn allerdings schon begrüßen. Bleiben Sie aber dabei nicht stehen, sondern verraten Sie ihm, was es Neues für ihn gibt, damit er sofort merkt, was er davon hat, registriert zu sein.
Kein Datum
Das Datum im Seitenkopf ist nicht nur überflüssig, es wirkt auf Manche auch seltsam. Denn steht oben das aktuelle Datum, entsteht der Eindruck, dies sei das Veröffentlichungsdatum der jeweiligen Seite. Sind die Informationen dann nicht tagesaktuell, hinterlässt das einen schlechten Eindruck. Ist eine Information tatsächlich tagesaktuell, dann sollte das direkt über oder unter der Überschrift stehen, damit das klar wird.
Links
www.boxesandarrows.com/view/blasting-the-myth-of
Blasting the Myth of the Fold – interessanter Artikel von Milissa Tarquini, die bei AOL arbeitet
www.amazon.de/gp/feature.html?ie=UTF8&docId=1000107643
Amazon erklärt sein neues Design. Hier kann man es auch schon einmal ansehen, wenn man Pech hat und immer nur das alte zu Gesicht bekommt.
————————————————————————-
(c) Jens Jacobsen 2008
Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter Mai 2008“).
————————————————————————-