Anwendungen, die gut aussehen, schneiden bei der Bewertung durch die Benutzer oft besser ab als solche, die technisch, kühl und unansprechend gestaltet sind – auch wenn sie weniger benutzerfreundlich sind. Seit einigen Jahren hat sich in der Usability-Forschung die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Nutzerspaß nicht vernachlässigt werden darf. Denn die positive Einstellung der Benutzer ist für den Erfolg eines Produkts sehr wichtig. Natürlich muss die Usability stimmen, aber Schwächen bei der Bedienung werden viel leichter verziehen, wenn das Gefühl der Benutzer stimmt. Und umgekehrt wird eine Anwendung, die zum Beispiel nicht ästhetisch ansprechend ist, weniger gern benutzt, so leicht sie auch zu bedienen sein mag.
Unter dem Begriff „Joy of Use“ oder „Hedonics“ wird inzwischen viel über dieses Thema geforscht und diskutiert. Eine deutsche Übersetzung des Begriffs konnte sich noch nicht durchsetzen: „hedonische Qualität“ klingt hölzern, „Freude am Klicken“ vernachlässigt, dass Nutzerspaß mehr ist als Klicken, nämlich auch Tippen, Sehen und die Gesamterfahrung im Umgang mit einer Anwendung. „Joy of Use“ ist demnach auch nicht gleichzusetzen mit visueller Gestaltung, wie es gelegentlich geschieht.
Was führt zu Nutzerspaß?
Was sind nun die Punkte, die dazu führen, dass es Spaß macht, eine Anwendung zu bedienen? Je nach Untersuchungsgegenstand kommt die Forschung zu unterschiedlichen Ergebnissen. Für Websites sind vor allem folgende Kriterien wichtig:
- Angenehme visuelle Gestaltung (angepasst an die Zielgruppe)
- Eindeutige, kurze Navigationsbegriffe, Menüeinträge, Buttonbeschriftungen
- Klare Rückmeldung, aussagekräftige Anweisungen & Fehlermeldungen
- Einleuchtende Navigation
- Gefühl, die Anwendung zu beherrschen
- Erfüllung der Erwartungen
Wie immer bei der Konzeption und Umsetzung spielt die Zielgruppe die zentrale Rolle. Einem erfahrenen Programmierer kann es Spaß machen, in einem Texteingabefenster mit wenigen Buchstabenkombinationen für Laien völlig unnachvollziehbare umfangreiche Dateioperationen zu erledigen. Der Spaß kommt hierbei daraus, dass der Benutzer weiß, wie effizient sein Vorgehen ist und dass er das Gefühl hat, die Maschine zu beherrschen.
Ein wenig erfahrener Nutzer schätzt dagegen eher eine übersichtliche, grafisch gestaltete Oberfläche mit selbst erklärenden Symbolen und ausführlichem Feedback auf jede seiner Aktionen – was dem Programmierer wahrscheinlich umständlich vorkäme.
Der Nachteil von Spaß
Mit dem Spaß darf man es aber nicht übertreiben. Waren die Mitarbeiter einer Firma etwa jahrelang gewöhnt, dass das Buchhaltungssystem sehr technisch und dröge aussah, wird eine farbenfrohe Intranet-Site mit lockeren Texten und einfachster Benutzerführung bei einigen zumindest anfangs auf Misstrauen stoßen. Natürlich kann man bei der Benutzerfreundlichkeit nie über das Ziel hinausschießen, dennoch muss man berücksichtigen, dass unter Umständen „zu viel Spaß“ manchem Benutzer verdächtig sein kann. Um beim Beispiel zu bleiben: die Mitarbeiter haben das Gefühl, wichtige, ernsthafte Arbeit zu leisten, die sie mit Sorgfalt tun. Dementsprechende wollen sie auch mit Anwendungen umgehen, die dieses Gefühl vermitteln bzw. unterstützen.
Einzelne Studien haben auch davon berichtet, dass ein sehr aufwändiges Design von Anwendungen zu sehr hohen Erwartungen der Benutzer geführt hat. Auftretende Fehler in der Usability lasteten sie dann oft der Gestaltung an, auch wenn das Problem an anderer Stelle lag.
Wie viel Spaß darf es denn nun sein?
Mit dem Nutzerspaß ist es wie mit der Usability: er kann nicht zu groß sein. Das ist kein Widerspruch zur gerade berichteten skeptischen Haltung gegenüber scheinbar zu spaßigen Anwendungen. Denn der Spaß wird eben nicht nur durch die visuelle Qualität vermittelt, sondern durch das Gesamterlebnis im Umgang mit der Anwendung. Bei einer Website für Kinder oder einem Malprogramm für Amateure ist die auffällige visuelle Gestaltung sehr wichtig für den Nutzerspaß. Eine Anwendung zur Buchhaltung dagegen kann Spaß machen, wenn sie lediglich die Standard-Fenster, Buttons und Menüs des Betriebssystems benutzt. Sie muss dem Benutzer in erster Linie das Gefühl geben, dass er immer die volle Kontrolle hat, hoch effizient arbeitet und eine wichtige Arbeit tut.
Ein gutes Beispiel ist die Gliederungs-Software „OmniOutliner“. Damit lassen sich lediglich Gliederungen und Tabellen erstellen. Die Optik des Programms ist nüchtern, lediglich einige wenige, zurückhaltend gestaltete Symbole oben im Fenster weichen von den Standard-Elementen des Betriebssystems ab. Dennoch ist das Programm so intuitiv zu bedienen und erledigt die Aufgaben so gut, dass es inzwischen eine große Fangemeinde hat, die in einer Mailingliste Tipps und Tricks austauscht und ein überraschend positives, teilweise sogar bewunderndes Verhältnis zu den Entwicklern des Programms hat.
Eine solche Art von Spaß zu erreichen sollte stets das Ziel sein. Weitaus schwieriger ist, Spaß durch den Einsatz von Humor zu erreichen. Die animierten Assistenten von Microsoft Office (Karl Klammer und Konsorten, die auftauchen, wenn man die Hilfe-Funktion anwählt) sind der Versuch, trockene Programme mit humoristischen Elementen aufzulockern, um bei Problemen oder beim Lernen zu helfen. Sehr viele Menschen sind aber eher verärgert über diese Assistenten, sie fühlen sich nicht ernst genommen und bevorzugen ein nüchternes Fenster zur Eingabe ihrer Frage, wenn sie Hilfe mit dem Programm brauchen.
Bei einem Programm wie dem Office-Paket mit Humor zu arbeiten, ist gefährlich. Denn dessen Zielgruppe ist extrem breit. Nur wenn die Zielgruppe sehr klar umgrenzt ist, sollte man sich auf ein solches Experiment einlassen. Dann kann man humoristische Elemente zum Beispiel in einer Einführung, einer Tour durch die Site oder eventuell auch bei einem Assistenten einsetzen. Dann ist es aber besonders wichtig, ausführliche Tests der Anwendung mit Vertretern der Zielgruppe zu machen, damit man sicher sein kann, deren Humor auch tatsächlich getroffen zu haben.
Fazit
Der Nutzerspaß („Joy of Use“) ist an sich nichts Neues. Benutzerfreundliche Anwendungen machten auch schon bevor der Begriff geprägt wurde Spaß. Auch wer „nur“ versucht, eine zielgruppengerechte, benutzerfreundliche Anwendung zu erstellen, erreicht meist auch hohen Nutzerspaß. Doch die Diskussion ist dennoch sehr wichtig, weil sie klarstellt, dass es nicht nur um größtmögliche Effizienz bei der Benutzung geht, sondern dass die Arbeit mit einer Anwendung auch Spaß machen sollte, wenn diese erfolgreich sein will.
————————————————————————-
(c) Jens Jacobsen 2006
Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter Februar 2006“).
————————————————————————-