Markenbildung, Branding – brauche ich das? – Newsletter 2/2018

Eine Marke, oder besser noch ein Brand ist etwas, was heute vermeintlich jeder haben muss. Nicht nur Unternehmen sind eine Marke, auch wir alle als Individuen. Einfach nur Durchschnitt reicht nicht. Egal ob es die Website ist für ein DAX-Unternehmen, für den Friseur um die Ecke oder einfach nur eine persönliche Website. Ums Branding, zu Deutsch Markenbildung, kommt man scheinbar nicht mehr herum.

Aber wie entsteht eine Marke, und vor allem: Welche Rolle spielt dabei unsere Website? Und: Müssen wir da überhaupt mitspielen? Oder gehen wir dabei nur einfallsreichen Werbern auf den Leim?

Der Witz ist: Der Trend geht zur Einzigartigkeit. Jeder und alles wird zur Marke. Wer nicht mitmacht, dem droht das Schlimmste: Er fällt nicht auf. Er geht einfach unter in der Masse. Das ist ein Problem, denn wenn alle etwas Besonderes sind, ist niemand mehr etwas Besonderes.

Foto Coca Cola auf dem Esel
Findet man auf der ganzen Welt – Coca Cola. Damit nichts Besonderes und doch eine der stärksten Marken überhaupt.

Markenbildung für alle

Marken entstehen vor allem durch Emotionen.

Wer meint, Usability-Experten und UX-Berater wollen mit Branding nichts zu tun haben, der irrt sich. Denn beim Branding geht es weder um Gestaltung noch um leere Phrasen. Vielmehr geht es vor allem um die User Experience (das Nutzererlebnis).

Eine Marke entsteht nicht lediglich durch ein hübsches Logo, gute Typografie, schöne Farben und professionelle Fotos.

Marken entstehen vor allem durch Emotionen. Natürlich wecken Farben und Fotos Emotionen, deshalb sind sie für die Markenbildung auch wichtig. Viel stärkere Emotionen weckt es aber, wenn ein Kunde positive Erfahrungen mit einem Anbieter hat. Wenn er seine Ware pünktlich bekommt. Wenn sie schön – und sicher – verpackt ist. Wenn das Produkt der Beschreibung entspricht. Wenn sich jemand um ihn kümmert, wenn er ein Problem mit dem Produkt hat.

Screenshot Trefferliste Friseure Google
„Friseur Haargenau ist einer von 3.987 in der Nähe. Hier bekommen Sie Ihre Haare geschnitten.“ – mit so einer Aussage ist kein Blumentopf zu gewinnen.

Eine Marke, was ist das überhaupt?

Das englische branding kommt vom Brandzeichen, mit dem Menschen schon seit Jahrtausenden ihr Vieh kennzeichnen. Und schon seit dem 4. Jahrhundert vor Christus gibt es Amphoren, die mit einem Stempel des Herstellers versehen wurden – die ersten Markenzeichen.

Spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts sind Marken aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie verbreiteten sich mehr und mehr durch die Massenmedien Zeitungen, Magazine, auf Plakaten und bald in Radio und Fernsehen.

Historische Zeitungswerbung
Werbung in einer Zeitschrift von 1861 – für ein Gerät zur Stressreduzierung & zur Heilung chronischer Krankheiten

Marken sind ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Produkten verschiedener Anbieter. Und sie sind ein Qualitätsversprechen. Wenn man ein Markenprodukt kauft, kann man sicher sein, dass man immer das Gleiche bekommt.

So weit, so rational. Aber bei Marken spielt natürlich noch etwas sehr Irrationales mit. Indem ich Produkte einer Marke kaufe, stelle ich auch etwas dar. Ich zeige, dass ich auf einfache Bedienung, gutes Design und hochwertige Verarbeitung wert lege, wenn ich ein Smartphone von Apple kaufe. Ich zeige, dass ich der Werbung nicht auf den Leim gehe und mir von Firmen nichts vorschreiben lasse, wenn ich ein Noname-Smartphone kaufe und darauf mein persönlich angepasstes Betriebssystem installiere.

Und selbst wer sein Handy in eine hässliche Hülle packt und es nie offen auf den Tisch legt – durch seine Entscheidung für eine Marke stellt man auch sich selbst gegenüber etwas dar. Ich handle so, dass es mit dem Bild von mir selbst und dem, wie ich sein möchte, übereinstimmt. Ich kann noch so rational sein und mich noch so frei fühlen von solchen Zwängen – ein Stück weit ticken wir alle so.

Über Kauf- und Markenpsychologie könnte man noch viel, viel mehr schreiben – aber das ist nicht unser Thema. Ich wollte nur zeigen, welche Bedeutung Marken für die Käufer/Nutzer haben. Das zeigt, dass wir als Website-Betreiber uns mit dem Thema befassen sollten.

Screenshots Websites Nivea & Uhu
Zwei der bekanntesten deutschen Marken, die fast jeder auch erkennen würde, wenn man das Logo weglässt.

Worum geht es überhaupt?

Warum betreibe ich meine Website? Um Besucher davon zu überzeugen, dass ich etwas Tolles zu bieten habe – seien es Produkte, sei es meine Dienstleistung.

Dazu muss ich meinen Besuchern klar machen, was mich von meiner Konkurrenz unterscheidet. Es geht also um mein Alleinstellungsmerkmal, neudeutsch USP (unique selling proposition). Das Alleinstellungsmerkmal ist aber nun etwas sehr Rationales, das beschreibe ich mit Worten.

Das ist nur ein Teil der Überzeugungsarbeit. Wie wir alle wissen, gibt es Menschen, die sind sehr überzeugend. Dabei sagen sie inhaltlich genau das Gleiche wie andere. Aber irgendwie kommen sie gut rüber. Sie sind sympathisch, wir vertrauen ihnen.

Und genau diesen Aspekt bildet die Marke ab. Wenn wir keinen direkten Kontakt mit dem potenziellen Kunden haben, dann müssen wir diese emotionale Verbindung irgendwie anders herstellen als nur über Worte und Inhalte.

Branding für Nicht-Marketer

Anders als viele sich es vorstellen, entsteht eine Marke nicht in einem Kreativ-Workshop bei denen mit Schriften und Farben experimentiert wird, um am Ende etwas zu haben wie die blaue Nivea-Dose, das rote Cola-Etikett oder die gelbe Uhu-Tube.

Vielmehr steht am Anfang eine Sammlung von Werten und Überzeugungen. Ich muss mir überlegen: Wofür stehe ich? Was ist mir wichtig? Was möchte ich, dass meine Kunden von mir denken?

Es entsteht also eine Liste von Begriffen und Eigenschaften, die ich mit mir, meinem Unternehmen und meinen Produkten verbinde. Ein Beispiel:

  • weltoffen
  • ehrlich
  • zuverlässig
  • fortschrittlich, aber mit Bodenhaftung

Oder ein anderes:

  • am Puls der Zeit
  • modern
  • urban
  • gesundheitsbewusst

Wichtig ist, nicht zu viele Begriffe zu sammeln – sonst wird es nur eine Liste von positiven Eigenschaften. Es sollte das sein, was mir am wichtigsten ist, worin ich mich abheben möchte von anderen.

Wenn Sie sich nun die beiden Listen oben ansehen: Merken Sie, wie unterschiedlich sich die beiden anfühlen? Positive Begriffe enthalten beide Listen, aber es entsteht ein anderes Gefühl dabei. Um genau dieses Gefühl geht es nun.

In großen Projekten wird jetzt Marktforschung betrieben – man analysiert Kundenbedürfnisse, mögliche Zielgruppen und deren Vorlieben. Auch sieht man sich Konkurrenz genau an. All das sind Dinge, die Sie bei der Website-Konzeption sowieso machen müssen (oder schon getan haben), daher ist das kein Zusatzaufwand.

Ein guter nächster Schritt bei der Markenentwicklung ist, eine Sammlung von Fotos oder sogar Objekten zu machen, die zu den gesammelten Begriffen passen (ein so genanntes Moodboard, auf dem als Collage alles zusammengestellt wird, was zum Thema passt).

Suchen Sie aber nicht einfach nach Beispielen von anderen Marken oder Produkten, welche Sie gut finden oder die für das stehen, wofür auch Sie stehen möchten. Das schränkt Sie zu sehr ein. Suchen Sie eher nach abstrakten Gegenständen oder nach Fotos von Situationen, Orten oder auch Landschaften. Denken Sie nicht zu viel nach, nehmen Sie einfach das, was Ihnen gefällt.

Treten Sie nun einen Schritt zurück und betrachten Sie Ihre Sammlung. Vermutlich kristallisiert sich eine oder einige wenige Farben heraus. Oder ein gemeinsamer Stil der Fotos – sind sie scharf und bunt oder eher verwaschen und in Pastelltönen? Sind Details darauf zu sehen, technische Geräte, Menschen, Landschaften? Sind die Formen geschwungen oder gerade?

Wenn Sie das Gefühl haben, hier nicht weiterzukommen, dann ist jetzt der richtige Moment, einen Gestalter hinzuzuziehen. Ihre Liste mit Begriffen und Ihr Moodboard sind für ihn schon wertvolle Ausgangspunkte. Damit kann er nun weiterarbeiten und zum Beispiel ein Farbkonzept entwickeln, Schriftarten aussuchen oder ein Logo entwerfen.

Brauche ich ein Logo?

Ein Logo ist oft das Erste, woran man bei „Marke“ denkt. Aber ein Logo ist aus meiner Sicht auch überbewertet. Viel wichtiger ist, dass alles zusammenpasst. Eine gute Website, die schlüssig gestaltet ist, sinnvoll mit Schrift umgeht, ästhetisch ansprechend ist, gute Fotos und Illustrationen hat, eine solche Site funktioniert auch sehr gut mit dem Namen des Betreibers einfach als Schriftzug.

Das heißt nicht, dass ein gutes Logo nicht wichtig ist. Aber bevor ich mein ganzes Budget für eine Logoentwicklung ausgebe und dann nur noch irgendeine Gestaltung für die Website mache, investiere ich lieber in das Gesamterscheinungsbild.

Ein Problem ist: Logentwicklung ist aufwendig und damit teuer. Es gibt Plattformen wie 99designs, bei denen Sie für unter 300€ um die 30 Logovorschläge bekommen, die Sie dann verwenden können. Die Qualität ist aber sehr unterschiedlich, oft kommt etwas heraus, mit dem man nur so einigermaßen zufrieden ist. Und viele Grafiker sagen, dass die ganze Idee auf Ausbeutung der Designer basiert und die eigentliche Beratungsleistung bei dieser Arbeit fehlt.

Daher bietet es sich an, mit einer Agentur zu arbeiten, da diese eben nicht nur irgend ein Logo bastelt, sondern im Idealfall mit Ihnen an der Markenentwicklung arbeitet.

Und von automatischen Logo-Generatoren, die sich im Web finden, sollte man aber besser die Finger lassen – da kommt selten etwas Verwertbares bei heraus.

Brauche ich eine eigene Schrift?

Coca Cola hat sich gerade vor Kurzem eine eigene Schrift entwerfen lassen. Wie IBM oder Intel hat das Unternehmen jetzt eine Hausschrift, die sonst niemand anderes verwenden darf. Das ist schön, aber unglaublich teuer. Denn eine Schrift zu entwickeln dauert Monate. Bei großen Firmen kann sich das lohnen – denn wer eine spezielle Schrift verwenden will, der muss mitunter ganz schön Gebühren zahlen, wenn er diese weltweit, für Drucksachen, PDFs, E-Books und auf seiner Website einsetzt.

Das ist der Grund, warum praktisch alle kleineren und mittleren Unternehmen auf Standardschriften setzen, wie sie beim Betriebssystem Ihres Computers mit dabei sind.

Dabei ist die Auswahl natürlich stark eingeschränkt. Natürlich findet man darunter eine Schrift, die zu den Werten passt, die man mit der eigenen Marke ausdrücken will. Nur: Einzigartig ist das sicher nicht.

Daher greifen viele auf die kostenlosen Schriften zurück, wie sie bei Google Fonts oder Font Squirrel zu finden sind. Die dürfen auch kommerziell genutzt werden und sind deutlich weniger stark verbreitet als das, was auf jedem Rechner zu finden ist.

Wichtig ist aber hier: Lassen Sie die Auswahl jemanden treffen, der sich mit Schriften auskennt, wenn Sie selbst kein sicheres Auge dafür haben. Ansonsten ist es besser, mit einer Helvetica zu arbeiten und sich dann eben nicht abzuheben, als mit einer schiefen Auswahl negativ aufzufallen.

Schrift TCCC Unity iOS App
Über die Schrift TCCC Unity, der Cola-Eigenentwicklung gibt es wenig Infos im Web – dafür eine App, welche die Hintergründe erklärt.

Welche Farben nehmen?

Um Farben ranken sich unendlich viele Mythen. Unser Leben wäre sehr einfach, wenn es so leicht wäre wie die Gestaltung von Kinder-Sachen – blau für Jungs und rosa für Mädels. Dabei ist das eine reine Konvention, die auch erst seit weniger als 100 Jahren so ist.

Was aber natürlich schon so ist, dass jede Farbe eine psychologische Wirkung hat. Die können Sie irgendwo nachsehen – oder Sie verlassen sich dabei auf Ihr Gefühl, denn die Farbwirkung ist recht universal.

Wichtig ist nur, dass Sie nur zwei, drei Farben nehmen sollten und nicht eine ganze Palette. Je mehr Farben Sie einsetzen, desto schwieriger ist es, eine passende Kombination zu finden. Wer keinen Grafiker im Team hat, der kann mit Hilfe von Tools wie Adobe Color zumindest dafür sorgen, dass keine Kombination genutzt wird, die ganz wild ist.

Mehr als nur Gestaltung

Jetzt ging es doch wieder viel um die Gestaltung, um Farben und Schriften. Aber die ist nur die Fassade. Dahinter sollten Ihre Werte stecken, welche die Gestaltung nur zum Ausdruck bringen sollte.

Und die Werte bestimmen dann auch alles Weitere der User Experience – vor allem auch Ihre Kommunikation mit Kunden und Nutzern. Das heißt, es geht nicht nur um Ihr „Corporate Design“ (CD), sondern um Ihre ganze „Corporate Identity“ (CI). Damit sind wir am Ende wieder bei zwei hochfliegenden Begriffen, die viele mit Beratersprache verbinden und denken, für ihr kleines Unternehmen sei das nichts.

Tatsache ist aber, dass Sie die großen Ideen, die dahinter stecken, auch für jedes noch so kleine Einpersonen-Unternehmen nutzen können, um sich abzuheben und Ihre Stärken herauszustellen.

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