Facebook für Firmen sinnvoll? – Newsletter 9/2015

Facebook funktioniert. Und doch sind viele Unternehmen unzufrieden mit ihrer Facebook-Seite. Wer heute für seine Firma neu einen Facebook-Auftritt plant, der sollte das mit realistischen Erwartungen tun. Und ein paar Vorsichtsmaßnahmen treffen, um dem Unternehmen nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein.

Bei Videos hat Facebook übrigens gerade Youtube überholt – zumindest bei 20.000 untersuchten Seiten, auf denen mehr Videos zu Facebook hochgeladen wurden, als Videos von Youtube eingebunden:
Facebook Video Is Driving YouTube Off Facebook (Aber keine Sorge, außerhalb von Facebook sowie bei der Länge der Videos hat Youtube die Nase immer noch weit vorn.)

Facebook out?

Neulich habe ich mich mit einem Freund unterhalten, der um die Dreißig ist. Der meinte: “Ach, Facebook, das nutzt doch niemand mehr. Kennst du noch Leute, die da was einstellen?”

Das fand ich sehr witzig, weil er zu der Gruppe von Freunden gehört, die vor einigen Jahren echte Facebook-Junkies waren. Kaum saß man irgendwo am Tisch, sei es in der Kneipe, im Restaurant oder bei Freunden, wurde das Smartphone gezückt und die Tatsache auf Facebook gepostet.

Für viele ist der Reiz des Neuen bei Facebook weg – im privaten wie auch im beruflichen Bereich. Auch Marketer sind schon lange nicht mehr scharf darauf, Facebook Fan-Seiten einzurichten (so heißen die Unternehmensprofile dort) – oder gar zu betreiben.

Und doch: Facebook hat weltweit 1,2 Milliarden aktive Nutzer. 93 Prozent der Deutschen, die Social Media verwenden, sind auf Facebook. Aber seit Ende 2014 sind 55 Prozent der Nutzer nur noch Besucher, sie stellen aktiv keine Inhalte ein. Damit sind die Passiv-Facebooker erstmals in der Geschichte von Facebook in der Mehrheit.

Wenn Jüngere auf WhatsApp oder Instagram gehen, ist das für den Konzern Facebook egal – denn der Messenger- wie der Bilder-Dienst gehört ihm auch. Für Betreiber von Fanseiten auf Facebook ist das aber durchaus ein Problem.

Denn damit verlieren sie einen Zugang zu Interessenten oder Kunden. Gut, wenn man sich nicht allzu sehr auf diesen Zugang verlassen hat.

Unternehmen kehren Facebook den Rücken

Screenshot Facebook-Seite Blau
Die nicht mehr gepflegte Seite von Blau bei Facebook.

Für Wirbel gesorgt hat der Mobilfunkanbieter Blau, der vor einem Jahr den Betrieb seiner Fan-Page bei Facebook mit über 50.000 Fans eingestellt hat. Die Seite gibt es noch, aber weder sieht sie neue Inhalte noch werden die Kommentare dort beantwortet.

Nutzer sind meist sehr direkt, wenn sie Probleme haben.
Nutzer sind meist sehr direkt, wenn sie Probleme haben.
Wie viel die Entscheidung mit den öffentlich sichtbaren negativen Kommentaren zu tun hat, sei mal dahingestellt. Tatsache ist aber, dass man verärgerte Kunden online nicht sieht, wenn sich diese per Kontaktformular, Mail oder Telefon beschweren.

In einem Interview begründet der Marketingchef von Blau die Entscheidung mit “pseudorelevanten Postings”, die nichts mit den Wünschen der Nutzer zu tun haben.

Und Blau ist nicht allein. Z.B. erklärt die Marketing-Site Copyblogger freimütig, dass für sie Facebook nicht funktioniert. Und die Berater von Forrester Research empfehlen sogar:

Machen Sie Facebook nicht länger zum Mittelpunkt Ihres Kundenmarketings.

Sie zitieren eine Untersuchung, nach der selbst die großen Marken auf Facebook mittlerweile nur 2% Ihrer Fans erreichen – das heißt, nur 2 von 100 Fans einer Facebook-Seite sehen die Posts überhaupt in ihrer eigenen Timeline. Und das, obwohl sie ja freiwillig Fan dieser Seite geworden sind.

Diese Änderungen der Algorithmen zur Anzeige der Inhalte bedeuten: Wer will, dass seine Inhalte weiterhin so häufig in den Timelines seiner Fans erscheinen wie früher, der muss dafür zahlen (sponsored post).

Forrester sagt nicht, Sie sollten nicht auf Facebook sein. Aber machen Sie folgende Fehler nicht:

  • Kommunizieren Sie nicht die URL zu Ihrer Facebook-Seite, sondern immer eine zu Ihrer eigenen Site. Nur so haben Sie einerseits Kontrolle, wo die Nutzer hingehen. Und nur so können Sie auch langfristig vom Traffic profitieren.
  • Vertrauen Sie nicht auf Facebook Ads (bezahlte Werbung), um mehr Fans zu bekommen. Die Zahl der Fans sagt wenig aus über die Qualität der Kontakte (siehe Link zum Video unten).
  • Vertrauen Sie nicht darauf, dass die Sichtbarkeit Ihrer Posts auf Facebook so bleiben wird, wie sie ist. Diese hat Facebook in der Vergangenheit deutlich reduziert. Mit der Folge, dass viele Unternehmen Anzeigen gebucht haben, um den Wert stabil zu halten. Für Facebook war das ein doppelter Gewinn: Die Timeline wurde für die Nutzer besser und die Werbeeinnahmen gingen in die Höhe.

Wer für eine große Marke arbeitet, der kann an eigene Communites denken. Wer das nicht tut, für den bietet der gute alte E-Mail-Newsletter sehr viel.

Mit dem benutzerfreun.de-Newsletter habe ich z.B. knapp 2.000 Abonnenten, die Monat für Monat von mir hören. Auf Facebook dagegen sind es derzeit gut 250 Fans. Auf Twitter sind es immerhin 539 Follower.
Kann man sagen, dass Facebook nicht funktioniert bei mir? Das würde ich nicht, es ergeben sich immer wieder Kontakte darüber und einige Nutzer sehen die Inhalte hier doch. Würde ich mehr Zeit aufwenden, um hier mehr Austausch zu suchen, wären die Zahlen sicher auch andere. Das ist letztlich aber immer eine Frage Ihrer Prioritäten – wofür wenden Sie Zeit und/oder Geld auf?

Datenschutz

Screenshot Facebook-Einbindung auf zeit.de
Auf zeit.de steht zunächst bei den Facebook-Empfehlungen: “Aus Datenschutzgründen werden diese erst geladen, wenn Sie die Social-Media Dienste aktiviert haben.” Einfach ist das nicht.

Nach wie vor ungelöst ist das Datenschutzproblem von Facebook. Das steht einer wirklich nutzerfreundlichen Integration von Facebook in andere Sites im Weg. Und das wird sich auch kaum lösen lassen, zu viele Interessen spielen hier mit hinein.

Was ist mit den anderen Sozialen Medien und was bedeutet das für uns?

Auch die anderen Sozialen Medien wie Twitter, Google+ etc. beobachten, dass die Aktivität ihrer Nutzer sinkt.

Auch hier gibt es kritische Stimmen wie z.B. auf The Atlantic. In allen Details kann ich den Artikel nicht nachvollziehen, aber nachdenklich stimmt er schon: A Eulogy for Twitter

Und dass Google+ von seinem Besitzer mittlerweile etwas vernachlässigt wird, ist auch klar. Manche sehen schon das Aus für Googles Versuch, ein eigenes Soziales Netzwerk zu starten. Aber das Aus ist wohl noch ein bisschen hin – wenn es denn wirklich überhaupt kommt.

Was heißt das jetzt für uns? Es wie Blau machen und die Facebook-Seite stilllegen? Uns von Twitter und Google+ zurückziehen? Aus meiner Sicht ist das nur sinnvoll, wenn der jeweilige Auftritt zu viel Zeit frisst oder der Ton der Kommentare hier so rau ist, dass der schlechte Eindruck überwiegt. Auch wenn einfach nichts passiert auf dem jeweiligen Netzwerk, kann man sich die Mühe sparen.

Aber wenn immerhin einige Leute pro Tag die eigenen Beiträge lesen und die Interaktion nach wie vor gut läuft, kann man Facebook & Co weiter als zusätzlichen Kanal nutzen. Nur eben nie als erste Anlaufstelle oder als URL, die nach außen kommuniziert wird.

So kann man ganz entspannt beobachten, welche weiteren neuen Kanäle oder Medien auftauchen und sie nutzen, wenn der Zeitpunkt passt. Aber dabei einfach nie das Heft aus der Hand geben und statt dessen immer die eigene Website zum Dreh- und Angelpunkt aller Aktivitäten machen.

Links

Das Interview mit dem Blau-Marketing-Chef zum Facebook-Ausstieg Ist der Facebook Hype vorbei? Erste Unternehmen stellen Betrieb ihrer Fanpage ein

Facebook bringt Medien schon mehr Traffic als Google

Tolles Video, das erklärt, woher die vielen Facebook-Fans der meisten Anbieter kommen und warum das nicht mit rechten Dingen zugeht (englisch):
Veritasium: Facebook Fraud

Der Link zur Facebook-Seite der benutzerfreun.de darf natürlich auch nicht fehlen…

Ich freue mich über Kommentare dort genauso wie über die im Blog!

2 Gedanken zu „Facebook für Firmen sinnvoll? – Newsletter 9/2015“

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