Interfaces der Zukunft im Game Science Center

Eingangsbereich Game Science Center
Auf 300 Quadratmetern im Zentrum von Berlin zeigt das Game Science Center die Zukunft.
Was haben ein Schuhlöffel, ein altes Kofferradio, ein Sandkasten und eine traurige Zimmerpflanze gemeinsam? Sie alle können dazu dienen, interaktive Systeme zu steuern – genauer gesagt Computerspiele.

Alle diese Benutzerschnittstellen kann man selbst ausprobieren, und zwar im Game Science Center in Berlin. Das ist ein Ort, an dem man das Gefühl hat, in der Zukunft zu sein. Ein Ort, an dem man sich freut, auf die vielen tollen Dinge, mit denen wir in den nächsten Jahren umgehen werden.

Es steht natürlich das Spielen im Mittelpunkt dieses Museums, doch es ist nicht nur ein Spielplatz für Technikfreunde. Es bietet vielmehr auch die Möglichkeit, Eingabegeräte zu testen, von denen man schon viel gehört hat – oder eben gerade noch gar nichts. Und vor allem auszuprobieren, was sich damit alles anstellen lässt.

Ich habe mich dort letzte Woche gründlich umgesehen – und habe am Schluss tatsächlich alle Exponate ausprobiert, so viel Spaß hat es gemacht.

Storytelling auf dem Kassenzettel

Choosatron im Game Science Center
Choosatron, eine interaktive Geschichte aus dem Drucker.
Das erste Ausstellungsstück auf dem Rundgang ist das Choosatron.

Man nimmt auf einem Schemel vor einem kleinen Gerät Platz, das aussieht wie ein Drucker für Kassenzettel. Vier Zentimeter Papier stehen heraus, und darauf steht, was man tun soll:

Choose your story below!

Zur Wahl stehen (an jedem der 4 Exponate sind es andere):

  1. The Librarian’s Apprentice
  2. A Very Very VERY Scary House
  3. Escape from Pompeii
  4. Groove Driver

Per Druck auf eine der 4 Nummerntasten darunter beginnt die Geschichte – ausgedruckt auf dem Kassenzettel. Absatz für Absatz spielt man sich nun durch die Story, so wie früher in den Büchern, bei denen man je nach Entscheidung zu einer anderen Seite springen musste.

Das ist zwar eigentlich ein Besuch in der Vergangenheit, denn weder dieses Prinzip ist neu, noch die Technik, per Thermodrucker und Folientasten Buchstaben aufs Papier zu bringen. Und dennoch ist das ein wunderschönes Exponat, weil es zeigt, dass es auf das kreative Kombinieren von Ideen mit Technik ankommt, nicht auf teures Hi-Tech.

Choosatron im Game Science Center
Mehrere Besucher können gleichzeitig interaktive Geschichten lesen/spielen.

Pingpong gegen Aliens

Pong Invaders Reality heißt meine nächste Station. Mit einem Tischtennisschläger soll man einen Ball auf Aliens schießen, die auf der gegenüberliegenden Wand langsam in Richtung Tischtennisplatte vordringen.

Meinen beschämenden Punktestand verrate ich nicht, der Highscore liegt bei 658.

Musizieren mit Würfeln

reactable im Game Science Center
reactable, ein interaktiver Tisch für Musiker
Seine musische Ader kann man ausleben am reactable. Drei Würfel stehen zur Verfügung und je nachdem mit welcher Seite man diese auf den interaktiven Tisch setzt, wird ein anderer Sample geloopt. Diese kann man verändern, indem man die Würfel dreht und indem man schmale Plättchen neben sie setzt.

Das Ergebnis ist überraschend gute, tanzbare Musik. So wundert es nicht, dass es DJs gibt, die damit professionell arbeiten.

Das Prinzip kann man übrigens auch zu Hause ausprobieren: Es gibt eine App, die das nachbildet – aber ohne die Würfel und den Tisch macht das wahrscheinlich nur halb so viel Spaß.

Sand lehrt topografische Darstellung

Ein weiteres Highlight im ersten Raum ist die Augmented Reality Sandbox. Man nähert sich dem Tisch, auf dem scheinbar ein buntes Modell einer Hügellandschaft steht. Mein erster Gedanke war: Das sieht aber schön aus.
Mein zweiter: Oh, das sieht aber empfindlich aus, das machen die Besucher sicher bald kaputt.

Ich hätte mich kaum mehr irren können – und doch hatte ich gleichzeitig Recht. Als ich einen Moment später verstanden hatte, was da vor mir lag, ging ich daran, die kunstvolle Landschaft selbst zu zerstören.

Augmented Reality Sandbox im Game Science Center
Im Sandkasten spielen, um Topografie/Kartografie zu erfahren

Denn die Landschaft ist nichts als ein Sandkasten auf einem Tisch. Das interessante Aussehen bekommt sie durch die Projektion durch einen Beamer, der oberhalb angebracht ist. Und das Interessante: Er projiziert ein topografisches Modell der Landschaft auf den Sand. Das heißt, man sieht Höhenlinien, außerdem sind tiefe Stellen dunkelblau, an flachen Stellen ist es gelb und die hohen Berge sind tief rot.

Greift man in die Landschaft ein, wird das sofort einberechnet und die Projektion aktualisiert.
Ich denke, hier kann man Kindern hervorragend erklären, wie unsere Landkarten entstehen, was Höhenlinien bedeuten und warum unsere Karten so bunt sind.

Ein Raum Gestensteuerung

Panoramical im Game Science Center
Panoramical – Landschaften & Soundscapes erstellen durch Drehen an den MIDI-Controllern
Im zweiten Raum stehen mehrere Ausstellungsstücke, die fast alle mit der Leap Motion Gestensteuerung bedient werden. Auch diese Technik ist für sich weder brandneu (wenn auch noch wenig verbreitet) noch für sich genommen beeindruckend. Beeindruckend wird sie aber, wenn man ein Feuerwerk oder einen Fischschwarm mit wenigen Handbewegungen steuern kann.

Diese Art von Interface ist für Museen auch deshalb interessant, weil solche Exponate berührungsfrei funktionieren. Das ständige Austauschen der aufgearbeiteten Joysticks entfällt – in gut besuchten Ausstellungen eine Aufgabe, die man alle paar Tage machen muss.

Sonderausstellung Alternative Eingabegeräte

Line Wobbler im Game Science Center
Ein eindimensionales Abenteuer: Und trotzdem ein spaßiges Spiel.
Wem es mit Gestensteuerung, Sand und Würfeln noch nicht ungewöhnlich genug war, der findet im dritten und letzten Ausstellungsraum weitere ungewöhnliche Eingabegeräte. Hier ist noch bis Anfang Februar die Sonderausstellung Alternative Controlers& zu sehen.

Dort findet sich zum Beispiel der anfangs erwähnte Schuhlöffel, am Exponat Line Wobbler. Biegt man ihn nach vorne, bewegt sich ein grüner Leuchtpunkt auf einem gut vier Meter langen Band von Leuchtdioden (LEDs) entlang – die eigene Spielfigur. Je weiter man nach vorne biegt, desto schneller bewegt sich der Punkt. Doch trifft man auf einen roten Punkt, blinken alle Lichter und man beginnt von vorn. Abhilfe schafft ein Zur-Seite-Biegen des Schuhlöffels kurz vor dem bösen roten Punkt – damit schafft man ihn aus der Welt. Wer das Ende des Bandes erreicht, kommt zum nächsten Level.
Klingt nicht spannend, macht aber überraschend viel Spaß.

Schrauben an der Voodoo-Puppe

Hexed Heart im Game Science Center
Diese Voodoo-Puppe funktioniert mit Schrauben statt Nägeln.
An eine Voodoo-Puppe erinnert der Controler für Hexed Heart. Nur stecken in dieser keine Nadeln oder Nägel, sondern Schrauben. Diese muss man drehen, um das Spiel zu steuern – zusammen mit der minimalistischen Grafik sehr fein umgesetzt.

Und schließlich noch die Topfpflanze: Wer die berührt, lässt damit das kleine Männchen des bekannten Spiels Canabalt hüpfen und so Hindernissen ausweichen oder über Abgründe springen.

Dokumentarfilm zum Eintauchen

Ausgesprochen beeindruckend ist auch das letzte Exponat meines Rundgangs: Eine Oculus Rift-Brille, auf der ein Dokumentarfilm gezeigt wird.

Man bekommt die klobige 3D-Brille aufgesetzt, die überraschend bequem ist – fühlt sich an wie eine Skibrille mit Helm. Dann noch Kopfhörer auf die Ohren und schon sitzt man in einem virtuellen Kinosaal, in dem man sich erstmal umsehen kann. Wenn man den Kopf bewegt, ändert sich die Anzeige, man hat also innerhalb von Sekunden das Gefühl, wirklich an diesem Ort zu sein. Sogar unter den Sitz kann man sehen.

Dann startet der Dokumentarfilm – filmisch macht er wenig her, er hat keine Geschichte oder Botschaft. Aber die Bilder sind umwerfend. Man steht an einem schönen Stand und sieht sich um. Dann kommt eine Schauspielerin auf einen zu, und bleibt gefühlt zwanzig Zentimetern vor einem stehen und spricht einen an. Man fällt fast von seinem Stuhl, auf dem man immer noch sitzt, so real fühlt sich das an. Dann geht es noch auf eine Hochzeit, in eine amerikanische Innenstadt und zum Sightseeing – und schließlich steht man inmitten einer Büffelherde. Auch dieses Mal wird es fast schon unheimlich real – man dreht den Kopf hin und her und sieht sich um und als man den Kopf wieder zurück dreht, blickt man einem Büffel direkt in die Nüstern.

Oculus Rift im Game Science Center
Die 3D-Brille Oculus Rift im Einsatz. Von außen langweilig, wenn man sie selbst aufsetzt, beeindruckend.

Diese Demonstration macht Lust, sich Konzepte auszudenken, wie solche Filme aussehen könnten. Wie gehe ich mit der Freiheit um, die der Zuschauer hat? Er kann schließlich jederzeit den Kopf um 360 Grad drehen und zum Beispiel der aktuellen Handlung den Rücken zuwenden. Versteht er dann, was ich erzählen will? Ist er vielleicht frustriert, weil er lieber eine Nebenhandlung verfolgen würde und nicht die Haupthandlung? Und wie funktionieren Kamerafahrten? Hätte der Zuschauer dann das Gefühl, selbst zu schweben?

Viele spannende Fragen, und viele Ideen, die man aus solche einem Besuch in der Zukunft als Konzepter mitnimmt!

Ein Besuch lohnt sich

Das GSC ist zentral gelegen, unweit vom Checkpoint Charly und hat derzeit jeden Tag außer Dienstag von 11 bis 19 geöffnet. Karten kosten 14, ermäßigt 11 Euro.
Das ist nicht teuer, in Anbetracht dessen, was geboten ist – außerdem finanziert sich das Projekt nur über Eintrittsgelder.

Danke auch an Pascal Cousy für die ausführliche Führung!

Die Website: Game Science Center

Und wer noch ausführliche Infos möchte, kann diese beim Podcast Fanboys nachhören: Folge 196: Game Science Center Berlin
Dort sind übrigens auch alle Exponate verlinkt mit weiteren Infos von den Autoren/Herstellern.

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