Wer Erfolg will, testet – Newsletter 1/2014

Jedes Projekt dauert länger als man denkt. Was für diesen recht späten Newsletter gilt, gilt ebenso für einen vermeintlich schnellen Einkauf. Und es gilt erst recht für so komplexe Dinge wie eine neue Website.

Wer plant, macht Fehler

Nach Befragungen halten sich 80 Prozent der Autofahrer für überdurchschnittlich gute Autofahrer. Rein rechnerisch sind aber nur 50 Prozent überdurchschnittlich gut. Und ebenso liegen wir alle oft falsch mit unseren Einschätzungen, ob sie nun den Straßenverkehr betreffen oder Zeitpläne. Das zeigen jahrelange Verzögerungen und Kostensteigerungen in Millionenhöhe bei Großprojekten der Bau- oder IT-Branche.

Renommierte Unternehmen, die Projektleiter mit jahrzehntelanger Erfahrung beschäftigen, sind hier keine Ausnahme. Und jedem im Webumfeld ist so etwas wohl auch schon passiert – hoffentlich nur nicht in solchen Größenordnungen.

Zeitmangel ist ein Qualitätskiller

Verspätete Projekte sorgen nicht nur für unzufriedene Kunden, Kostensteigerungen und Vertragsstrafen. Sie schaden fast immer auch der Qualität.

Zeitpuffer ist nicht genug

Foto Zeitplan
Ein Zeitplan ist der erste Schritt zum Projekterfolg.

Wenn Sie bei Ihren eigenen Projekten überhaupt einen detaillierten Zeitplan machen, ist das schon mal nicht schlecht. Wenn Sie dann noch einen Zeitpuffer vorsehen, ist das schon ziemlich gut. Aber die Erfahrung zeigt: Fast immer setzt man auch den zu klein an.

Daher ist es elementar, von Anfang an Zeit fürs Testen zu reservieren. Und am besten plant man jemanden zum Testen ein, der nichts mit dem Projekt zu tun hat. Denn sonst ist die Gefahr groß, dass derjenige, der am Ende testen sollte, so beschäftigt ist mit anderen, super dringenden Aufgaben, dass er am Ende dann eben doch nicht testet.

Und das ist mit das Schlimmste, was einem Projekt passieren kann. Diese (alte) Erkenntnis wurde mir einmal wieder sehr klar bei zwei meiner letzten Projekte – einem privaten und einem beruflichen. Und aus dem privaten kann man fast noch mehr lernen als aus dem beruflichen.

Website benutzerfreun.de

Die Website benutzerfreun.de ist vor über zehn Jahren entstanden als kleine Site, auf der ich ein paar Zusatzmaterialien und Links zu meinem Buch Website-Konzeption zusammengestellt habe. Über die Jahre ist daraus das Blog geworden, das es heute ist.

So sah sie aus 2002, die Site benutzerfreun.de.
So sah sie aus 2002, die Site benutzerfreun.de.

Nachdem ich die Site als Nebenherprojekt praktisch allein betreue, versuche ich, den Aufwand so gering zu möglich zu halten. Nun stand ein Relaunch an, um die Site responsiv zu machen. Nachdem es sehr viele hervorragende Themes (Vorlagen) für Blogs gibt, suchte ich mir eines aus. Es war perfekt. Dachte ich.

Ich sah das neu gestaltete Blog schon nach wenigen Tagen online gehen. Nur noch ein paar Kleinigkeiten anpassen. Vielleicht eine andere Schriftart, die vorgesehene gefiel mir nicht so. Und die Abstände vor den Überschriften sind etwas zu groß. Ach ja, und die Seitenleiste sollte auch noch leicht angepasst werden. Oh, dadurch ergab sich ein Problem mit dem Fußteil der Seite. Das ließ sich aber sicher auch schnell beheben.

Am Ende hat die Überarbeitung sich dann über Wochen hingezogen und ich habe noch einen Kollegen hinzugezogen, der die CSS-Feinheiten hingezaubert hat.

Gelohnt hat es sich, und der Aufwand war immer noch vertretbar.

Und die Belohnung dafür, dass ich auf ein professionelles Template gesetzt habe: Meine freiwilligen Testpersonen haben nur wenige Probleme gefunden, die sich schnell beheben ließen. Und nachdem ich keinen festen Termin hatte, ist alles glimpflich ausgegangen.

Fazit: Bleiben Sie bei der Vorlage

Wenn Ihr Hauptgeschäft nicht Webdesign ist, dann empfehle ich, sich eine Vorlage auszusuchen, bei der Sie am besten gar nichts mehr ändern müssen, außer den Einstellungen, die Sie über Menüs/Konfigurationsdateien vornehmen. Also am besten 0 Zeilen HTML-/CSS-Code. Nur so sind Sie sicher (naja, fast jedenfalls), dass Sie sich beim Zeitplan für die Umsetzung nicht verschätzen.

Und geben Sie lieber hundert Euro für ein Theme aus, dann sind Sie sicher, dasselbe Aussehen nicht auf hunderten anderer Sites wiederzusehen. Denn die guten kostenlosen Themes werden natürlich auch gern von anderen verwendet.

Einkaufssite

Nun zur privaten Geschichte: Als verspätetes Weihnachtsgeschenk an mich selbst wollte ich mir eine drahtlose Box kaufen, mit der ich meine Musik in der Küche anhören kann.

Nach längerer Recherche hatte ich mich entschieden und ging auf Amazon.de. Leider haben sich offenbar viele andere auch gerade für dieses Gerät entschieden, und so lag die angezeigte Lieferfrist bei drei bis fünf Wochen.

Als ungeduldiger Mensch habe ich nachgesehen, ob andere Sites das Gerät zu einem ähnlichen Preis schneller liefern können. Ein bekannter deutscher Technik-Shop, der vermutlich lieber nicht genannt werden will, konnte. Behauptete er zumindest.

Vor Jahren hatte ich dort schon einmal bestellt. Mein Passwort war nicht mehr gültig, aber das Neuvergeben ging ohne Probleme. Das Bestellen auch – Suchen, in den Warenkorb legen, Kreditkartendaten eingeben – alles bestens, offenbar auch optimiert von Menschen, die wissen, was sie tun.

Dann ging es ans Bestätigen und es erschien eine Meldung, dass der Shop Kreditkarten nur nach dem Verfahren „Verified by Visa“ akzeptiert.

Screenshot Website Verified by Visa
Wer nach „Verified for Visa“ googelt, landet auf http://www.visa.de/sicher-mit-visa/sicher-online-mit-verified-by-visa/ und sieht diese leere Seite. Keine gute Referenz.

Das heißt, man wird vor dem Bezahlen noch auf eine Visa-Website umgeleitet, auf der man ein Passwort für die Kreditkarte eingeben muss. Der Haken: Dieses Passwort muss man zuvor eingerichtet haben bei seiner Bank. Hatte ich aber für diese Kreditkarte noch nicht. Die Buttons, die zur Verfügung standen, waren (aus dem Gedächtnis zitiert):

  • weiter
  • zurück zum Shop

Dabei stand noch, dass man „zurück zum Shop“ klicken soll, wenn man die Bestätigung von Visa bekommen hat.

Ich wollte eine andere Zahlungsweise wählen, hatte dafür aber keinen Button. Also „zurück zum Shop“.

Was folgte, war die Seite, auf der ich zu meinem erfolgreichen Kauf beglückwünscht wurde.

Keine Ahnung, ob ich mir damit die Lieferung verpatzt habe, ohne zu bezahlen – ich habe jedenfalls per Mail nachgefragt, ob Bestellung und Bezahlung geklappt haben. Nach ziemlich genau 24 Stunden hat mir der Support geantwortet, dass alles OK ist.

Fazit

Ob der technische Fehler beim Shop lag, oder bei Visa, weiß ich nicht. Auch nicht, ob der Betrag nun tatsächlich abgebucht worden wäre. Ich habe die Geschichte vor allem erzählt, um zu belegen, wie wichtig Tests sind.

Die Bestellabschluss-Strecken sind die wohl am stärksten getesteten Bereiche eine Shops – denn hier entscheidet sich, ob Geld verdient wird. Und doch hat diesen Bestellvorgang offenbar keine größere Anzahl externer Testpersonen mit echten Einkäufen getestet.

Man kann zu Amazon stehen, wie man will: Hier wird es den Kunden in jeder Hinsicht leicht gemacht. Alles ist so gut getestet, dass solche peinlichen Fehler einfach nicht vorkommen.

Das ist der Hauptgrund, warum so viele bei Amazon kaufen: Man weiß, dass es funktioniert. Von der Bestellung übers Bezahlen bis zu Lieferung und Rücknahme.

Dabei müssen Sie, wenn Sie Shopbetreiber sind, aus meiner Sicht weder mit den Preisen noch mit der Geschwindigkeit von Amazon konkurrieren. Solange Sie dem Nutzer immer Feedback geben, was gerade passiert und er immer das Gefühl hat, die volle Kontrolle zu haben, solange fühlt er sich wohl. Und wenn Sie dann noch eine persönliche Note mit rüberbringen, dann haben Sie auch eine Chance gegen den Shopping-Riesen.

Dass Ihre Site auch so funktioniert wie gewünscht, und dass die Benutzer auch mit ihr zurecht kommen, das stellen Sie nur mit Tests sicher – dazu im nächsten Newsletter mehr.

Nachtrag: Stornierung

Meine Geschichte hat für den Shopbetreiber übrigens kein Happy End: Etwas später bekam ich eine weitere Bestätigung vom System, in der ein späterer Liefertermin stand als auf der Website. Also habe ich nachgefragt, wann das Gerät denn nun kommt (ich sagte schon, dass ich ungeduldig bin…). Darauf kam aber nie eine Antwort.

Schließlich habe ich die Bestellung online storniert – die Bestätigung dazu kam nach einer halben Stunde.

Warum ich storniert habe, wollte niemand wissen, und auch ein Alternativangebot oder etwas ähnliches gab es auch nicht. Das ist natürlich keine Pflicht, aber verschenkt. Wenn jemand storniert, ist das eine Gelegenheit, wertvolles Feedback zu bekommen. Und es gibt möglicherweise verärgerten Kunden das Gefühl, gehört zu werden. Wer seinem Ärger in einer Antwort an den Support Luft gemacht hat, der muss das nicht nochmal auf Twitter oder Facebook tun – schlaue Shopanbieter sehen daher die private Möglichkeit der Beschwerdemail vor.

Ausblick

Im nächsten Newsletter stelle ich die wichtigsten Testverfahren vor, mit denen Sie sicherstellen, dass Sie auf Ihrer eigenen Website die gröbsten Schnitzer vermeiden.

Wenn Sie bestimmte Test-Favoriten haben, die Sie empfehlen oder wenn Sie zu einem Test einmal mehr wissen wollen, dann freue ich mich über entsprechende Kommentare!

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