Newsletter 10/2006 – Solides Fundament für die Site – Informations-Architektur

Ein solides Fundament brauchen Websites genauso wie Häuser. Fehlt es, kann das Gebilde bei kleinen Erschütterungen in sich zusammen stürzen.

Bei sehr vielen Websites wird die Informations-Architektur nicht geplant. Die vorhandenen Informationen werden einfach in Gruppen eingeteilt. Diese Gruppen bilden dann die Beschriftungen für die Buttons auf der Homepage – fertig. Das  führt zu einem wackeligen Fundament.

Sie können sich genauso in einer fremden Stadt ins Auto setzen und einfach los  fahren, wenn Sie  zum Bahnhof wollen. Irgendwann werden Sie schon auf einen Wegweiser stoßen und zum Ziel kommen. Schneller wäre es allerdings gegangen, wenn Sie sich vorher Orientierung verschafft hätten.

Geben Sie Ihren Benutzern von Anfang an die bestmögliche Orientierung und überlassen Sie sie nicht dem Zufall. Sie können alles so anlegen, dass sich die Benutzer sofort zurechtfinden, dass sie sozusagen gleich „losfahren“ können. Das sollte immer Ihr erstes Ziel sein. Denn wenn sich die Besucher nicht auf Ihrer Site zurechtfinden, geben sie frustriert auf und werden die Site wahrscheinlich nie wieder besuchen.

Grobzuordnung der Inhalte

Verschaffen Sie sich bei der Planung der Site erst einmal einen Überblick. Versuchen Sie, die vorhandenen und die gewünschten Informationen in eine Struktur zu bringen. Das können Sie alleine tun oder mit Hilfe von Vertretern Ihrer Zielgruppe.

Laden Sie für letzteres immer nur eine Person auf einmal ein und lassen Sie sie Ordnung in die Themenvielfalt bringen. Ordnung ist immer subjektiv, und Diskussionen darüber, wo etwas „hingehört“ sind fruchtlos. Für Sie ist entscheidend, wie Ihre Testpersonen die Dinge sortieren.
Kommen sehr unterschiedliche Zuordnungen zustande, ist das eine wichtige Information für Sie. Sie müssen dafür sorgen, dass sich möglichst alle Benutzer auf der Site zurechtfinden. Bieten Sie beispielsweise verschiedene Zugangsmöglichkeiten an.

Listen

Wie Sie selbst beim Ordnen der Informationen vorgehen, hängt von Ihrer persönlichen Arbeitsweise ab.
Bewährt haben sich dafür Stift und Papier. Schreiben Sie einfach Listen mit den jeweils zusammengehörigen Themen. Allerdings rate ich davon ab, gleich eine Sitemap zu zeichnen. Damit legen Sie sich zu früh fest.

Mindmaps

Manche Konzepter arbeiten auch mit Mindmaps um Ordnung in die Themenbereiche zu bringen. Listen wie Mindmaps können Sie zwar schon direkt am Computer anfertigen, allerdings fließen die Gedanken meist freier, wenn mit Stift und Papier gearbeitet wird.

Kartenlegen

Meine bevorzugte Technik bei größeren Sites. Schreiben Sie alle Themenbereiche auf einzelne Karten. Sortieren Sie diese so, dass alle zusammengehörigen Bereiche auf einem Stapel liegen. Damit haben Sie schon eine erste Idee, wie die Struktur der Site aussehen könnte. Nun finden Sie für jeden der Stapel einen Überbegriff. Damit haben Sie die vielen Informationen für Ihre Site schon ganz gut geordnet.

Diese Technik (auch „Card Sorting“ genannt) lässt sich sehr gut auch mit Vertretern der Zielgruppe durchführen. Lassen Sie fünf bis zehn Personen das tun, und Sie bekommen ein gutes Gefühl für die Ordnungsvorstellungen der zukünftigen Benutzer.

Feingliederung

Für die Verfeinerung der Gliederung nehmen Sie die Ergebnisse Ihrer ersten groben und intuitiven Ordnung als Grundlage. Versuchen Sie, ein logisches System in die Ordnung zu bringen. Das größte Problem dabei ist, dass fast jede Sortierung subjektiv ist. Selbst wissenschaftliche Systematiken unterliegen immer wieder Änderungen, da neue Erkenntnisse zur Neueinordnung von manchen Elementen führen.

Es geht nicht darum, die perfekte Systematik zu finden, sondern darum, den Benutzern der Site so schnell wie möglich klar zu machen, was sie wo finden. Es bringt nichts, ein in sich völlig logisches System zu schaffen, das der Benutzer nicht versteht.
Bauen Sie zum Beispiel einen Obsthandel im Internet auf, werden Sie kaum ein botanisches System zum Gliedern der Informationen verwenden. Sie können nicht davon ausgehen, dass der Benutzer unter dem Begriff „Sammelfrüchte“ Äpfel sucht oder dass er weiß, dass Tomaten unter „Beeren“ zu finden sind. Stattdessen werden Sie eher die übliche Einteilung nach „Obst“ und „Gemüse“ wählen.

Welche Gliederung bietet sich an?

In den meisten Fällen werden die Informationen nicht starr und durchgehend nach einem  System geordnet, sondern nach einer Mischung. Die einzelnen Bereiche einer Site können unterschiedliche Sortiersysteme verwenden.

Ein Beispiel: Die Startseite hat die Wahlmöglichkeiten „Wer wir sind“, „Was wir machen“, „Wer unsere Kunden sind“ und „Wie Sie uns kontaktieren“. Im Bereich „Wer wir sind“ folgt eine alphabetische Liste der Mitarbeiter, unter „Was wir machen“ eine intuitive Liste aller Leistungen, die das Unternehmen anbietet. Bei „Wer unsere Kunden sind“ steht eine chronologische Liste der Aufträge von Kunden und bei „Wie Sie uns kontaktieren“ eine ungeordnete Liste der verschiedenen Kontaktmöglichkeiten.
Wichtig ist, dass Sie keine logischen Brüche erzeugen. Wenn Sie „Was wir machen“ als Option haben, sollten Sie das nicht mit einer anderen Option „Liste der Ansprechpartner“ kombinieren. Der erste Punkt ist lösungsorientiert formuliert (die Frage des Kunden nach den Tätigkeiten wird beantwortet), der zweite systematisch.

Achten Sie darauf, dass  vor allem die Auswahlpunkte auf der Startseite konsistent sind, also einer durchgehenden Logik folgen. Die Startseite ist die Seite, die am häufigsten aufgerufen wird – und es bleibt oft die einzige, wenn sie nicht gut genug gegliedert ist. Aber natürlich sollten auch die folgenden Seiten sinnvoll gegliedert sein.

Was tun mit nicht einzuordnenden Bereichen?

Verzweifeln Sie nicht, wenn Sie einen Unterpunkt haben, der sich einfach nicht vernünftig einordnen lässt. Sie können davon ausgehen, dass die Benutzer auch nicht genau wissen werden, wo sie nach ihm suchen sollen. Ist der Punkt wichtig, überlegen Sie, ob er eine eigene Kategorie bekommen sollte. Falls nicht, können Sie ihn zum Beispiel auf der Startseite außerhalb der Standardnavigation ankündigen. (Das wird zum Beispiel auf Einkauf-Sites oft mit Sonderangeboten gemacht.)

Ist der Punkt nicht so wichtig, ordnen Sie ihn der Kategorie zu, in die er am wenigsten schlecht passt. In alle anderen Kategorien, in denen die Benutzer eventuell nach ihm suchen könnten, kommen Querverweise.

Mehrere Wege zum Ziel

Generell sollten Sie bei größeren Sites (als Faustregel: mehr als 40 Seiten) mehrere Zugangsmöglichkeiten zu den Informationen vorsehen. Üblich ist, mindestens zwei Wege zur gesuchten Seite anzubieten. Der direkte Weg führt beispielsweise über die Such-Funktion oder eine alphabetische Liste. Diesen Weg wird der Benutzer wählen, wenn er schon genau weiß, was er sucht. Falls er das nicht weiß oder er die Bezeichnung für das, was er sucht, nicht kennt, wird er den assoziativen Weg wählen. Durch eine systematisch oder intuitiv gegliederte Liste wird er sich seinen Weg zum Ziel suchen. Diese Methode eignet sich auch für Web-Surfer. Sie lassen sich von einem Link zum nächsten tragen und verfolgen, was ihnen gerade interessant erscheint.

Berücksichtigen Sie auch, dass jemand, der die Site schon kennt, schneller zum Ziel gelangen möchte als ein neuer Besucher.

Sitestruktur festlegen

Die Themen für die Site sind nun geordnet. Legen Sie jetzt fest, wie die Site strukturiert sein muss, um diese Ordnung wiederzugeben.

Behalten Sie dabei im Hinterkopf, dass die Site wachsen wird. Ist die Site ein Erfolg, werden wahr­scheinlich schnell immer mehr Informationen hinzukommen. Legen Sie die Site für den Erfolg aus, nicht nur für den ersten Start. Planen Sie so weit wie möglich ein, wo zusätzliche Punkte untergebracht werden können, ohne die gesamte Struktur zu zerstören.

Sitemap, Flussdiagramm, Flowchart …

Das übliche Hilfsmittel zur Strukturierung der Site ist die Sitemap – auch Flussdiagramm, Flowchart, Struktogramm oder Ablaufdiagramm genannt.

Mit der Sitemap halten Sie fest, wie genau die Seiten Ihrer Site organisiert sind. Sie gibt an, wie die Inhalte auf Bereiche und Unterbereiche verteilt sind und welche Seiten Links zu welchen weiteren Seiten enthalten – das heißt, auf welchem Weg der Benutzer sich von der Startseite aus durch die Site bewegt. Sie sollten tatsächlich jede Seite angeben, die erstellt werden soll.

Tipps zum Anlegen der Sitemap finden Sie im Newsletter vom Februar 2003.
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(c) Jens Jacobsen 2006

Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter Oktober 2006“).

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