Im letzten Newsletter ging es darum, wie Sie eine erfolgreichere Site betreiben, indem Sie sich emphatisch zeigen (Erfolgreiche Websites sind emphatisch). Indem Sie die Bedürfnisse Ihrer Besucher erkennen und eine gute Kommunikation mit ihnen aufbauen.
Ein Schlüssel für eine gute Kommunikation ist die angemessene Geschwindigkeit. An diese hat jeder Mensch Erwartungen, die ihm meist nicht bewusst sind, die sich aber leicht messen lassen.
Das Gute für uns Konzepter ist: Diese Erwartungen sind für fast alle Menschen gleich.
Wie schnell ist schnell? Erwartungen an Reaktionszeiten
Am besten erklärt habe ich dieses Thema im Buch Designing With the Mind in Mind gefunden, verfasst vom Psychologen Jeff Johnson. In dem Werk geht es darum, wie wir interaktive Anwendungen konzipieren sollten, damit sie dem entsprechen, wie unsere Wahrnehmung und unser Gehirn als Ganzes funktionieren.
Johnsonn schreibt:
Die Responsivität ist nicht einer der wichtigsten Faktoren, sie ist der wichtigste.
Mit Responsivität (responsiveness) meint Johnsonn das Antwortverhalten. Da spielt eine Rolle, dass das System überhaupt antwortet, aber auch, wie schnell es antwortet und auf welche Art und Weise.
Warum ist Geschwindigkeit so wichtig? Weil sie der erste Eindruck ist, den Nutzer von einer Anwendung bzw. Website hat. Muss er als Erstes warten, bevor er überhaupt irgendetwas gesehen hat, ist der Start schon verpatzt.
Daher wertet Google für das Ranking der Treffer auch die Ladezeit Ihrer Website mit aus. Je schneller Ihre Seiten geladen werden, desto weiter vorn erscheinen sie auf den Trefferlisten. (Wobei inhaltliche Faktoren deutlich stärker gewichtet werden.)
Wir übertragen die Regeln der Kommunikation mit unseren Mitmenschen unbewusst auf technische Systeme.
Eine Sekunde ist die maximale Pause in einem Gespräch zwischen zwei Menschen, die als angemessen wahrgenommen wird.
Brauchen Sie länger für Ihre Antwort, fällt das Ihrem Gegenüber auf. Normalerweise signalisieren Sie diesem dann unbewusst, dass Sie z.B. nachdenken (etwa durch Stirnrunzeln, einen nachdenklichen Blick oder einen Laut wie "äh"). Daran erkennt er, dass Sie dem Gespräch noch folgen. Fehlen solche Signale, wird er entweder selbst weitersprechen, nachfragen oder verärgert sein.
Ähnliche Zeitgrenzen gelten auch für Websites.
Regeln für responsive Anwendungen
Der Begriff responsiv wird für Websites verwendet, die sich in ihrer Darstellung an die jeweiligen Geräte anpassen, mit denen der Nutzer auf sie zugreift (siehe Optimale Webseiten für alle Geräte – Responsive Design).
Responsiv bezeichnet gleichzeitig eine Anwendung, die als schnell reagierend auf die Aktionen des Nutzers wahrgenommen wird.
Damit eine Website oder Anwendung als responsiv wahrgenommen wird, halten Sie sich an folgende Regeln:
- Geben Sie sofort Feedback. Nur so merkt der Nutzer, dass seine Aktion angekommen ist.
- Machen Sie klar, wenn das System beschäftigt ist und der Nutzer keine Eingaben machen kann.
- Halten Sie diese Zeiten so kurz wie möglich, eliminieren Sie diese am besten vollständig. Zumindest ein Abbruch sollte immer möglich sein.
- Erlauben Sie dem Nutzer in Wartezeiten andere Aufgaben zu erledigen.
- Geben Sie dem Nutzer eine Vorstellung, wie lange die Aktion dauern wird, sofern diese länger als ein paar Sekunden braucht.
- Nutzen Sie Zeiten, in denen das System auf den Nutzer wartet, um im Hintergrund Berechnungen, Datenübertragungen etc. zu erledigen.
Wie lang darf eine Aktion dauern?
100 Millisekunden (0,1 Sekunde) ist die Verzögerung, mit der wir einen visuellen Reiz bewusst wahrnehmen. Alles, was länger dauert, wird nicht als "sofort" empfunden. Braucht ein System länger als 100 Millisekunden für eine Reaktion, nimmt der Nutzer das als Verzögerung wahr.
Merkt der Nutzer z.B. nicht innerhalb dieser Zeit, dass ein Button auf seinen Klick reagiert, nimmt er an, er hat den Button nicht getroffen und klickt nochmal.
Dauert etwas mehr als 2 Sekunden, empfindet das der Nutzer als Wartezeit. Sein Arbeitsfluss wird dadurch gebremst. Ab spätestens 3 Sekunden sollte man irgendeine Form von Warte-Feedback vorsehen.
Dauert es mehr als 10 Sekunden, verlieren die meisten Nutzer die Geduld und brechen die Aktion ab. Oder sie beschäftigen sich während der Wartezeit mit etwas Anderem.
Das machen sie aber nur, wenn sie sicher sind, dass das System arbeitet und sie auf das Ergebnis angewiesen sind. Für Ihre Website heißt das: Kein normaler Besucher wartet so lange.
Ab dieser Länge ist es sinnvoll, eine Fortschrittsanzeige vorzusehen. Überschreitet die Dauer die Minutengrenze, dann geben Sie zusätzlich eine Prognose der Wartezeit an.
Bei einem Einrichtungsassistenten z.B. empfiehlt der Psychologe Johnson eine Bearbeitungszeit von ebenfalls maximal 10 Sekunden pro Screen, um dem Nutzer das Gefühl zu geben, in seiner Bearbeitung schnell voranzuschreiten.
Legen Sie Eingabeformulare dementsprechend kleinteilig an. Denken Sie dabei immer daran, dem Nutzer eindeutig zu zeigen, wie viele Schritte er schon geschafft hat und wie viele noch vor ihm liegen.
Fazit und Empfehlung für die Ladegeschwindigkeit
Wenn es um die reine Ladezeit Ihrer Site geht, führt nichts an einem schnellen Server mit guter Anbindung ans Netz sowie ein schnelles CMS vorbei. Ist Ihre Site zu langsam, versuchen Sie durch Caching (Zwischenspeichern) von Inhalten oder durch Code-Optimierung mehr herauszuholen. Falls das nichts bringt, überlegen Sie, das CMS zu wechseln. Oder wechseln Sie das Hosting-Paket bzw den Hoster.
Für größere Sites bietet es sich auch an, ein CDN zu nutzen. Ein content delivery network speichert Ihre Inhalte auf Servern, die über die ganze Welt verteilt sind. So sind die Inhalte näher an den Nutzern und durch die sehr gute Anbindung an die zentralen Knoten des Internets werden diese auch sehr schnell ausgeliefert.
Wenn es aber nur um die Reaktionsgeschwindigkeit einzelner Teile Ihrer Site geht, etwa bei der Suche nach Angeboten o.Ä., dann haben Sie eine viel einfachere Option: Wenn Sie die Wartezeit nicht verkürzen können, versüßen Sie den Benutzern diese. Informieren Sie sie immer darüber, was das System gerade macht, geben Sie die Möglichkeit, jede Aktion jederzeit abzubrechen und liefern Sie in der Wartezeit interessante oder unterhaltsame Informationen.
Wenn Sie mehr zu den psychologischen Hintergründen von Konzeption und Gestaltung im Web wissen wollen, dann empfehle ich Ihnen das Buch Designing With the Mind in Mind (Link zu Amazon)