Von Jugendschutz, Politik und Internet-Sendezeiten

Wer Inhalte ins Internet stellt, der kann immer Ärger bekommen. Besonders den Ärger will man vermeiden, bei dem Rechts- oder Staatsanwälte im Spiel sind, denn dann kann es teuer werden. Das ist aber gar nicht so einfach, wie man meinen könnte. Vor einer Abmahnung von den Anwälten unliebsamer Mitbewerber ist man nie hundertprozentig sicher (siehe Newsletter 10/2010 – Informationspflichten von Website-Betreibern).

Gescheiterter Jugendschutz?

Zusätzlichen Ärger müssen alle befürchten, die Inhalte bereitstellen, die nicht für jeden geeignet sind. „Für jeden“ bedeutet hier: jeder Mensch ab 0 Jahre. Im Prinzip können Sie schon dann Probleme bekommen, wenn Sie Inhalte auf Ihrer Site haben, die einen Sechsjährigen verschrecken könnten. Das muss keine Gewaltdarstellung oder Pornografie sein, es kann auch schon ein Kinotrailer von Harry Potter sein – der Film ist erst ab 12 Jahren freigegeben.

Voller gefährlicher Inhalte: YouTube.
Voller gefährlicher Inhalte: YouTube.

Nach dem Hickhack um den neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrag Ende 2010 gilt weiter die alte Fassung von 2003. Und der Vorsitzende der Rundfunkkommission, der Rheinland-Pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, droht mit Sperrverfügungen durch die Jugendschutzbehörden.

Das Problem mit dem Neuentwurf des JMStV

Was war so schlimm an dem neuen JMStV? Mich persönlich haben hauptsächlich die „handwerklichen Mängel“ des Textes mit Gesetzeskraft geärgert. Es war zum Beispiel gar nicht geklärt, wie diese Auszeichnung technisch hätte umgesetzt werden sollen. Mit Meta-Tags? Mit Texten auf der Site? Ganz anders?

Außerdem ist das Werk weltfremd: Nach § 7 Abs.1 JMStV hätten geschäftsmäßige Anbieter von Online-Angeboten, die entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten – oder auch nur Inhalte mit einem „Potenzial“ dafür – einen Jugendschutzbeauftragten bestellen müssen.

Dieser Jugendschutzbeauftragte muss „Fachkunde“ haben – was das genau bedeutet, darüber schweigt der JMStV. Nach dem gescheiterten JMStV bräuchten Anbieter mit weniger als 50 Mitarbeitern oder weniger als zehn Millionen Zugriffen im Monatsdurchschnitt eines Jahres keinen Jugendschutzbeauftragten – wenn sie sich einer Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle anschließen und diese beauftragen, die Aufgaben des Jugendschutzbeauftragten zu erfüllen. Die Mitgliedschaft z.B. bei FSM (Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia) kostet mindestens 2.000 bis 4.000 Euro im Jahr.

Wer keinen Jugendschutzbeauftragten hat, obwohl er dazu verpflichtet wäre, der hätte nach dem neuen JMStV eine Ordnungswidrigkeit begangen. Diese hätte ihn bis zu 500.000 Euro kosten können (§ 24 Abs. 1 Nr. 8 JMStV).

Dieses Vorgehen ist für die Betreiber fast aller kleiner Sites unpraktikabel. Welcher Blogger leistet sich mindestens 2.000 Euro im Jahr für eine Mitgliedschaft? Kaum einer. Das Ergebnis wäre: Dem Jugendschutz wird nicht geholfen, denn alle diese Sites hätten demnach dann überhauptkeine Auszeichnung.
Hier wird wieder versucht, alles hundertprozentig zu regeln – was im internationalen Internet sowieso nicht geht.

Und jetzt?

Jetzt passiert also nichts, bis sich die Politik wieder auf etwas geeinigt hat, was hoffentlich dem eigentlichen Ziel dient. Wie wäre es damit: Jeder Site-Betreiber wird verpflichtet, seine Inhalte einzeln oder global für die ganze Site oder einzelne Verzeichnisse mit einer Jugendschutzfreigabe zu versehen. Also ab 0 Jahren, ab 6, 12, 16 und 18. Wenn man sich dabei auf einen technischen Standard (Meta-Tag) einigt, dann können Hersteller von Browsern, Betriebssystemen und Kindersicherungs-Programmen diese Inhalte herausfiltern, sofern der Administrator dies für einen Computer so eingestellt hat. Für Schulen, Bibliotheken etc. eine schöne Lösung.

Man kann meiner Meinung nach davon ausgehen, dass praktisch niemand ein Interesse daran hat, Kindern Inhalte zugänglich zu machen, die nichts für sie sind. Ausgenommen sind Verbrecher, die Übles planen – sei es Abzocke von Minderjährigen oder Kinderschändung. Aber die haben ihre Websites sowieso im Ausland. Alle anderen Websitebetreiber werden maximal aus Faulheit oder Unwissen bei einer solchen freiwilligen Lösung der Auszeichnung der eigenen Inhalte nicht mitspielen. Und diese Menschen kann man dann auch rechtlich belangen, finde ich. Wer davor Angst hat, der muss eben doch noch Mitglied in einem der oben genannten Vereine werden oder sich einen Jugendschutzbeauftragten suchen. Oder, wer ganz faul ist, der zeichnet seine ganze Site eben erst „ab 18“ aus und ist damit rechtlich auf der sicheren Seite. Das könnte jedem Site-Betreiber selbst überlassen bleiben, ob er das tun möchte.

Links

Bei t3n findet sich eine gute Zusammenfassung, was Sie tun hätten müssen, wenn der JMStV beschlossen worden wäre (könnte schlimmstenfalls zumindest in Teilen auch wieder aktuell werden):
http://t3n.de/news/neuer-jmstv-286977

Wer bei dem Thema auf dem Laufenden bleiben will:
www.netzpolitik.org/tag/jmstv

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