Jedes Projekt beginnt mit dem Briefing. Dafür gibt es leider keinen passenden deutschen Begriff. „Briefing“ ist Englisch und bedeutet „Anweisung“ oder „Lagebesprechung“. Das Briefing legt das Fundament für jedes Konzept, deshalb ist es so wichtig. Oft wird aber dafür nicht genügend Zeit und Sorgfalt verwandt, daher lesen Sie in diesem Newsletter, worauf es dabei ankommt.
Im Folgenden nenne ich die Person, die Ziele und Inhalt festlegt „Auftraggeber“, die Person, welche die Umsetzung übernimmt, „Auftragnehmer“. Auch wenn Sie das Projekt allein angehen, sollten Sie nicht auf das Briefing verzichten. Stellen Sie sich selbst dann die Fragen, die im Folgenden aufgeworfen werden.
Wie alles beginnt…
Oft bekommen Sie nur einen Brief, in dem Sie kurz und bündig aufgefordert werden, ein Angebot für „unsere neue Website“ abzugeben. Das englische „brief“ heißt zwar auch „knapp“, aber mit so wenig sollten Sie sich nicht zufrieden geben.
Denn Sie müssen eine genauere Vorstellung davon haben, was der Auftraggeber will. Es macht keinen Sinn, einfach eine Website mit einer Hand voll Seiten anzubieten. Wenn Sie in ein Kaufhaus gehen und nach „was zum Anziehen“ fragen, werden Sie keine vernünftige Information bekommen. Sie werden erst einmal vom Verkäufer gefragt, was es denn genau sein darf. Fragen Sie also Ihren potenziellen Auftraggeber, was er genau möchte. Lassen Sie sich am besten einen persönlichen Termin geben. Sie bekommen so ein Gefühl für seine Persönlichkeit, sein Unternehmen und die Wichtigkeit, die er dem Projekt beimisst.
Der ideale Auftraggeber
Der ideale Auftraggeber hat klare Vorstellungen über seine Ziele und seine Zielgruppe. Er ist offen für die Lösungen, die Sie ihm im Laufe des Projekts vorschlagen, er erwägt sachlich deren Vor- und Nachteile und findet zusammen mit Ihnen schließlich die optimale Lösung.
Der reale Auftraggeber
Doch selten werden Sie es mit idealen Auftraggebern zu tun haben.
Meist haben sie bereits ein Bild davon, wie Gestaltung und Navigation der Site aussehen sollen. Das heißt aber, in Lösungen statt in Zielen zu denken. Zu diesem Zeitpunkt sind Sie und Ihr Auftraggeber aber noch dabei, erst einmal die Probleme zu analysieren und die Ziele festzulegen. Die Lösung ist noch ein ganzes Stück entfernt. Bringen Sie die Auftraggeber möglichst von ihren vorgefassten Meinungen ab, um offen für neue Ideen zu sein.
Weiß Ihr Kunde noch nicht, was er will, sollten Sie die Ziele für das Projekt gemeinsam erarbeiten. So vermeiden Sie, dass Sie sich viel Mühe mit einem Konzept geben, um am Ende festzustellen, dass Ihr Kunde etwas ganz anderes will. Viele Kunden wissen nicht, was sie wollen, sondern nur, was sie nicht wollen – wenn sie es vor sich sehen.
Die wichtigsten Fragen
In jedem Fall sollten Sie folgende Punkte mit dem potenziellen Auftraggeber klären:
- Was sind die Ziele des Projekts?
- Wer ist die Zielgruppe?
- Welche Inhalte sollen auf die Site?
- Sind mehrere Sprachfassungen geplant? Wenn ja, welche?
- Welche Funktionen soll die Site haben?
- Gibt es ein Corporate Design bzw. eine Corporate Identity oder Gestaltungsrichtlinien?
- Gab es frühere Multimedia-Produktionen? Wenn ja, bitten Sie darum, diese anzusehen, und fragen Sie, ob der Auftraggeber zufrieden damit war.
- Gibt es Vorbilder (positive wie abschreckende)?
- Gibt es eine feste Werbeagentur?
- Wie soll für die Website geworben werden?
- Was ist das Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens – in der Marketing-Sprache „unique selling proposition“ (USP)? (Was unterscheidet den Auftraggeber von seinen Wettbewerbern?)
- Welche Inhalte sind vorhanden? Gibt es Texte, kann man diese im besten Fall umschreiben. Meist müssen sie für den Einsatz im Web aber völlig neu geschrieben werden.
- Welche Grafiken, Fotos, Filme etc. sind vorhanden? Ist die Qualität ausreichend, und hat der Auftraggeber die Rechte an den Materialien?
- Sollen Werbebanner auf der Site geschaltet werden?
- Gibt es bereits eine Domain?
- Wie sind die technischen Rahmenbedingungen? Gibt es einen Server, auf dem die Site laufen soll? Soll sie in eine Datenbank integriert werden oder soll sie auf Datenbanken zugreifen?
- Wann soll die Site online gehen?
- Wie soll die Site gepflegt und aktualisiert werden?
Versuchen Sie außerdem durch eigene Recherchen folgende Informationen herauszubekommen:
- Wie sehen die Web-Auftritte der wichtigsten Konkurrenten aus? Haben sie Funktionen, die über das hinausgehen, was sich Ihr potenzieller Auftraggeber vorstellt? Was ist gut, was schlecht?
- Wie steht die Firma im Markt? Ist sie ein Nischenanbieter, ein kleiner Herausforderer oder Marktführer?
- Wie stellt sich die Firma nach außen dar?
- Welche Bedeutung hat das Web für die Firma? Ein Hersteller von Schuhen beispielsweise wird dem Web eine ganz andere Bedeutung beimessen als ein IT-Unternehmen.
Die häufigsten Probleme – und ihre Lösung
Das Expertenproblem. Sie sind Fachmann bzw. -frau auf Ihrem Gebiet. Sie können dem Auftraggeber erzählen, wo es lang geht. Genau das sollten Sie aber beim Briefing vermeiden. Nehmen Sie sich so stark zurück wie möglich. Denn im jetzigen Stadium ist es vor allem wichtig, aus dem Auftraggeber herauszulocken, was er eigentlich haben möchte.
Das Auftraggeberproblem. Fast jeder Auftraggeber hat eine Vorstellung davon, wie sein Webauftritt aussehen soll. Diese Vorstellung mitteilen können jedoch die wenigsten. Wenn Sie aber etwas abliefern, das anders aussieht als die Vorstellung des Auftraggebers, beginnen die Probleme.
Führen Sie daher das Briefing-Gespräch so, dass Sie immer die Fäden in der Hand halten, aber Ihren potenziellen Auftraggeber reden lassen. Er soll in möglichst angenehmer Atmosphäre seine Vorstellungen ausplaudern. Mit den richtigen Fragen bekommen Sie diese nach und nach heraus. Wenn Sie mit Ihrem Wissen protzen, wird das eher verschrecken als beeindrucken. Ihr aktiver Part kommt später, jetzt müssen Sie vor allem erst einmal zuhören.
Wenn der Kunde seine Ziele noch nicht genau entwickelt hat, helfen Sie ihm dabei. Viele meinen, es genüge, einfach im Web präsent zu sein. Dabei verschenken sie vielleicht große Chancen. Es ist Ihre Aufgabe, darauf hinzuweisen. Öffnen Sie den Auftraggebern die Augen, was noch alles möglich ist, was über eine bloße Repräsentations-Site hinausgeht. Und machen Sie ihnen klar, dass eine Website immer auch in andere Werbe- und Marketingaktivitäten eingebunden sein muss. Die Webadresse muss auf dem Briefkopf und in allen Unterlagen des Unternehmens erscheinen. Es ist zu überlegen, ob nicht mit dem Launch der Site eine größere Marketing-Aktion gestartet wird, um die Site bekannt zu machen.
Das Preisproblem. Oft wird Sie der Auftraggeber beim ersten Gespräch schon nach den Kosten fragen. Versuchen Sie, diesen Punkt so lange wie möglich offen zu halten. Denn Sie können kaum kalkulieren, bevor Sie nicht wissen, wie genau das Projekt aussehen soll. Außerdem werden Sie versuchen, sich selbst im Angebot als kompetenter Partner darzustellen, der nicht durch einen Schnäppchen-Preis, sondern durch seine Qualitäten überzeugt. Machen Sie dem Auftraggeber klar, dass er bei diesem Vorgehen nur gewinnen kann. Ist ihm der Preis im Angebot zu hoch, hat er in jedem Fall eine erste grobe Beschreibung seines Projekts kostenlos bekommen.
Günstig ist es, wenn Sie herausbekommen, wie viel der potenzielle Auftraggeber maximal zu bezahlen bereit ist. Denn dann haben Sie eine Vorstellung davon, in welchem Rahmen Sie sich bei Preis und Aufwand bewegen können.
————————————————————————-
(c) Jens Jacobsen 2004
Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter Januar 2004“).
————————————————————————-