Hier ein weiteres Interview mit einem der Experten, die mir für die neue 8. Auflage der Website-Konzeption Rede und Antwort gestanden haben. Heute: Anita Sander, Schulungsleitung gtw – Weiterbildung für die Immobilienwirtschaft GmbH
Frage Jens Jacobsen: Was ist die größte Herausforderung für einen Auftraggeber bei der Zusammenarbeit mit einer Agentur, die seine Website umsetzt?
Antwort Anita Sander: Überhaupt erstmal die Agentur zu finden, die zu einem passt. Wir hatten da gerade bei unserer Website große Probleme. Wir haben festgestellt, dass eine Kreativagentur extrem anders arbeitet und kommuniziert als eine Technikagentur.
Was ist denn bei dem Projekt schief gelaufen? Und worauf sollte man als Auftraggeber achten?
Kommunikationsfragen sind ein großes Problem. Der eine möchte eine Liste führen, der andere alles spontan und frei per Telefon oder E-Mail absprechen. Wenn man hier nicht ein gemeinsames Vorgehen findet, ist das eigentlich schon ein Ausschlusskriterium.
Was auch sehr schwierig ist, ist, wenn man in der Agentur durchgereicht wird. Da ist der eine in Urlaub, die andere muss in ein anderes Projekt, ohne dass man als Kunde gefragt wird. Mit jedem Mitarbeiter muss man wieder neu anfangen.
Für uns war oft nicht sichtbar, wo unsere Anfrage jeweils landet und welcher Wissensstand bei diesem Mitarbeiter besteht, ob und wie sich die Mitarbeiter intern austauschen. Eine Kanalisierung von Kommunikationswegen wäre sicher auch hilfreich gewesen, weil wir oft auch den Dingen hinterhergelaufen sind und gesucht haben, an wen wurde die Aufgabe denn eigentlich übergeben, weil die Aufgabe schon vor Monaten übergeben wurde.
Wir haben uns dann schon angenähert, und die Agentur hat gesagt, sie hätte viel gelernt mit uns. Aber für uns ist traurig, am Ende des fast gescheiterten Projektes zu merken, dass wir Lehrinstitut waren. Künftig würden wir versuchen, nur einen Ansprechpartner zu haben.
Was ist Ihre Empfehlung an andere Auftraggeber, wie man so etwas verhindert?
Es muss ein vernünftiges Lastenheft geben. Darin muss festgeklopft werden, was man will. Und das mit Begründung. Da kann dann die Agentur reagieren, kann kreativ werden und andere Möglichkeiten vorschlagen, das Ziel zu erreichen.
Und man sollte von vornherein auf messbare Ergebnisse abstellen. Das ist sehr schwierig, aber nach dem Projekt haben wir auf der Website wesentlich weniger Aufrufe bekommen, haben weniger Erstkontakte gemessen als früher. Und dann ist die Frage: Was macht da die Agentur?
Unser größter Fehler war, ein zu großes Vertragspaket zu schnüren. Wir haben uns darauf verlassen, dass die Agentur, mit der wir vorher in anderen Bereichen erfolgreich zusammengearbeitet haben, auch im Bereich Website-Gestaltung professionell arbeitet.
Man sollte den Vertrag so definieren, dass man immer wieder Ausstiegspunkte hat. Man kann zum Beispiel erstmal zwei Seiten machen, und die müssen perfekt sein und dann gehen wir erst weiter. Wir wollen dann sehen, dass die schnell geladen werden, wir wollen die Menüführung kennen, wir wollen im Backend gewesen sein. Und erst, wenn das alles passt, gehen wir weiter. Das ist für beide Seiten fair.
Der Arbeitsaufwand explodiert bei Agenturen, die nicht auf die Technik achten. Die stellen sich da selbst ein Bein und produzieren Mehrfachaufwand, daher wollen wir jetzt von vornherein direkt den Kontakt zum Techniker. 5, 6, 8 Sekunden Ladezeit für eine Seite darf einfach nicht sein. Was nützt mir die schönste Website, wenn sie nie lädt.
Die Bereitschaft zu einer ähnlichen Kommunikation und zu transparenten Kommunikationswegen ist schon fast die halbe Miete. Auch Fragen wie, wie viele Korrekturschleifen machen wir, wie viele sind im Preis inklusive? Die Agentur muss den Auftraggeber ja manchmal auch bremsen, damit es fair läuft.
Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung von Websites?
Ich sehe, dass viele Websites heute mit Pseudoinformation aufwarten. Und das ist gefährlich. Für den Besucher wird es immer schwieriger, werbliche Inhalte und ehrliche Information auseinanderzuhalten. Hier sollte man klar machen: an der Stelle wird geworben, und an anderer Stelle: hier kommt neutrale Information.
Offene und ehrliche Werbung ist in Ordnung, aber der Besucher muss immer wissen, was kann ich wem glauben?
Und für 2025, wie sehen Sie da die Zukunft des Internet?
Ich glaube, dass es immer mehr in den Dialog geht im Web. Jeder bekommt Inhalte, die genau auf ihn persönlich zugeschnitten sind. Das birgt natürlich auch die Gefahr, dass die Leute ihren Horizont stark einschränken. Und dass Besuchern durch Automatismen unpassende Wünsche zugedichtet werden (die Windows10-Einstellungen sind ein deutliches Beispiel für diesen Trend, den Benutzern vorzuschreiben was sie wollen).
Das hat aber auch irgendwo ein Ende. Weil die Leser vielleicht gar nicht so genau wissen, was sie wollen. Wenn sie erstmal drei Listen durchgeklickt haben, dann haben sie keine Lust mehr. Wir merken, die Menschen sind oft nicht mehr bereit, länger zu lesen. Die Kommunikation läuft in immer kleineren Häppchen. Aber vielleicht sehen wir ja auch bald hierzu eine Gegenbewegung, wenn dem Leser auffällt, dass z.B. die Qualität der Information nicht mehr ausreicht, um sachliche Entscheidungen zu treffen.