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19.1.2004 die tageszeitung

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Das Mangoprojekt
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WIR HABEN EINE CHANCE, UND WIR NUTZEN SIE.

Text von Karl-Heinz Ruch / Geschäftsführer


Karl-Heinz Ruch
taz-Geschäftsführer

25 Jahre taz - ein guter Grund, zurück nach vorn zu schauen. "Flüchten oder standhalten" war im Januar 1978 das Thema des dreitägigen Tunix-Kongresses, mit dem Freaks, Freunde und Genossen in Westberlin einen konstruktiven Schritt nach vorn vorschlugen. 20.000 Menschen aus dem ganzen Land, aber auch aus Italien und Frankreich nahmen teil. Es war ein Riesenfest mit Musik, Kabarett und Theater. Alles war Thema: Feminismus und Ökologie, das Schwule und das Linke, Knastarbeit und Anti-Psychiatrie, alternative Medien und die Gründung einer linken Tageszeitung.
Mit Tunix kamen die taz, Greenpeace,die Grünen und hunderte anderer Organisationen, die meinten, dass man alles auch ganz anders machen könnte.

"Wir haben keine Chance, aber wir nutzen sie", hieß es in der ersten täglichen Nummer der taz am 17. April 1979.
Damals hätte wohl niemand auch nur im Traum geglaubt, dass die taz einmal 25 Jahre alt werden würde. In diesen Jahren konnte die taz vor allem durch die Solidarität ihrer MitarbeiterInnen und AbonnentInnen bestehen. Hinzugekommen ist seit Gründung der taz-Genossenschaft im Jahr 1991 die Unterstützung durch inzwischen mehr als fünftausend Genossenschaftsmitglieder, die sich mit 5,5 Mio. Euro Kapital an der taz beteiligt haben.

Wie konnte gelingen, was nach Meinung aller Experten des Gewerbes überhaupt nicht möglich war? Ein Sprichwort sagt, wenn du ein Schiff bauen willst, dann suche nicht die besten Zimmerleute und Schiffbauer, sondern die Leute mit der größten Sehnsucht nach der Ferne. So war es bei der taz. Menschen mit Fachwissen, Journalisten oder Verlagsleute, gab es in der ersten Zeit so gut wie überhaupt nicht. Dafür fanden sich umso mehr junge Leute zusammen, denen das, was jeden Tag in den anderen Zeitungen geschrieben wurde, nicht ihrer Sehnsucht nach einer wirklich eigenen Stimme entsprach. Betriebswirtschaftliche Überlegungen hatten da wenig Raum. Und das war gut, sonst hätte es die taz nie gegeben. Für den Start der Zeitung wären mindestens 20.000 Vorausabos notwendig gewesen, doch als die nicht zusammenkamen, begann die taz mit 7.000 Abos. Und trotz aller Ahnungslosigkeit fällten die GründerInnen in diesen frühen Jahren zukunftsweisende Entscheidungen.
Entgegen allen Erwartungen gelang es der taz, trotz chronischer Finanzkrisen, am Markt zu bleiben. Die politische Konjunktur war für das Blatt in den Achtzigerjahren denkbar günstig. Schon kurz nach Erscheinen der taz wurde Berlin zur Hausbesetzermetropole. Das Atomprogramm und der Nato-Doppelbeschluss machten die taz als linke Zeitung in der Bundesrepublik bald unersetzlich. Die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 brachte der taz eine Steigerung der Abonnements von 22.000 auf 36.000.

"Enteignet Springer, beteiligt Euch an der taz". So wurde 1988 für Kommanditbeteiligungen an dem Neubauvorhaben des taz-Verlagshauses vor Springers Haustür in der Kochstraße geworben, das heute den Namen Rudi Dutschkes trägt. Am Ende jenes Jahrzehnts zeigte sich, dass die Standortentscheidung für Berlin richtig war. Der Fall der Mauer machte Berlin zur Hauptstadt und die taz konnte aus zwei eigenen Verlagshäusern im alten Berliner Zeitungsviertel das alles aus nächster Nähe beschreiben.

Mit den Neunzigerjahren begannen Arbeitslosigkeit und Haushaltsdefizite die Politik zu bestimmen. Die taz musste die veränderten Bedingungen nicht nur beschreiben, sondern wurde von ihnen auch erfasst. Die Insel Berlin wurde zum Festland, das lieb gewonnene Subventionsmeer fiel trocken und mit ihm gingen die alternativen Lebensverhältnisse. Die taz musste - wie andere Berliner Unternehmen - mit ungeheurer Geschwindigkeit den neuen Anforderungen gerecht werden. Den Abbau der Berlinförderung zu verkraften, zählte zu den höchsten Hürden, die die taz in ihrer Geschichte nehmen musste. Das Unternehmen taz wurde entflochten, der Personalstand drastisch reduziert, der Einheitslohn abgeschafft und Deutschlands größter Alternativbetrieb in die taz-Verlagsgenossenschaft umgewandelt.

Nach dem Niedergang von Neuem Markt und Aktieneuphorie befindet sich die überregionale Tagespresse zum Anfang des neuen Jahrtausends in ihrer bisher schwersten Krise. Eine grundsätzliche Neuordnung der deutschen Tagespresse steht an. Auf schrumpfende Werbeeinnahmen reagieren die Verlage mit Personaleinsparungen und Kürzungen der redaktionellen Angebote. Die taz ist von der Anzeigenkrise nicht unberührt, aber weniger betroffen, weil sie sich überwiegend aus Vertriebserlösen finanziert.

Das Engagement von 50.000 AbonnentInnen, 5.000 taz-GenossInnen und 250 MitarbeiterInnen wird auch in den kommenden Jahren notwendig sein, um die taz weiter zu entwickeln und ihre wirtschaftliche und publizistische Unabhängigkeit zu bewahren. Mit der taz-Verlagsgenossenschaft gibt es dafür eine gute Basis. Denn alle, die die taz seit Tunix-Zeiten unterstützen, schätzen bis heute den langen Atem der taz, was die Inhalte der Zeitung angeht: nachhaltige Entwicklung, Umgang mit Ressourcen, Lebens-und Umweltqualität, Globalisierung, Solidarität, Emanzipation, Menschen-und Bürgerrechte, Multikultur, Zukunft der Arbeit - dieser Kanon ist kein "Alleinstellungsmerkmal" der taz mehr. In dieser neuen publizistischen Vielfalt, mit der nicht zuletzt ein alter taz-Traum Wirklichkeit geworden ist, muss die taz eigene Antworten finden. Das ist die neue Herausforderung. Wir haben lange darauf gewartet.

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