Newsletter 11/2011 – Content Strategie für erfolgreichere Websites

Der Ausspruch „Content is King“ ist zur Binsenweisheit geworden. Trotzdem ist der Content erstaunlicherweise das, was bei der Website-Entwicklung am wenigsten Aufmerksamkeit bekommt. Damit verschenken Sie als Site-Betreiber aber wertvolles Potenzial.

Dabei geht es nicht nur um Sites, die Nutzern Nachrichten oder Hintergrundinfos bieten. In einer aktuellen Studie von Jakob Nieslsen (link unten) war die Ursache von nicht erfolgreichen Verkaufsabschlüssen in Webshops in 55 Prozent der Fälle mangelhafter Content.

Wie die „Content Strategie“ helfen kann, solche Probleme zu lösen, und vor allem zu vermeiden, habe ich in einem gerade erschienenen Fachartikel im Magazin Website Boosting beschrieben – hier ein Auszug daraus:

Was ist Content Strategie?

Logo Content Strategy Forum
Logo des Content Strategy Forum
Der Begriff „Content Strategy“ tauchte um 2000 auf, seit 2004 wird mehr darüber gesprochen, aber erst in den letzten ein, zwei Jahren ist es ein Thema mit einer gewissen Breitenwirkung in der Webentwickler-Szene.

2010 fand die erste größere Konferenz nur zu diesem Thema statt (Content Strategy Forum in Paris). Die Nachfolgekonferenz 2011 war in London.

Dort trafen sich dazu nur 200 Content Strategen – aus 20 Ländern. Das zeigt, dass das Thema noch nicht so richtig groß ist, aber die Teilnehmer waren hochkarätig. (Links zu weiteren Infos am Ende dieses Texts.)

Content Marketing

Warum erstellt man überhaupt Inhalte? Wenn man nicht Künstler ist, dann fürs Content Marketing. Das heißt, Sie wollen mit den Inhalten ein Ziel erreichen – Sie wollen sich bekannt machen, Ihr Image stärken, für eine Idee werben oder etwas verkaufen. Ziele erreicht man mit Glück, oder man hat eine Strategie.

Diagramm Content-Strategie
Die Content-Strategie hat Überschneidungen mit vielen anderen Disziplinen der Web-Entwicklung.
Der meiste Inhalt im Web wird einfach aber nur deshalb veröffentlicht, weil ihn jemand erstellt. Dieser jemand erstellt ihn, weil das Thema ihn gerade beschäftigt, weil es sein Chef interessant findet oder weil es andere gerade behandelt haben. Viel zu wenig Inhalt wird erstellt, weil sich jemand Gedanken darüber gemacht hat, dass die Nutzer seiner Site gerade jetzt gerade diese Inhalte brauchen.

Dabei ist Content-Strategie wie Projektmanagement: Man kann es nicht nicht machen, man kann es nur schlecht machen.

Heute ist Content-Strategie noch so unbekannt wie Informations-Architektur oder Usability Ende der 1990er Jahre. Sehr häufig ist bei Webprojekten immer noch die Einstellung: „Den Content liefert der Kunde am Ende des Projekts und wir bauen ihn dann ein.“

Was ist Content?

Content sind alle Inhalte einer Site, zum Beispiel

  • Text (Blogposts, Website-Artikel)
  • strukturierte Information (Tabellen, Produktdatenblätter)
  • Fotos
  • Grafiken
  • Video
  • Interaktive Anwendungen, Spiele

Die Schein-Lösung: CMS

Dass der entscheidende Teil jeder Website der Content ist, das war seit den ersten Websites in den 1990ern klar. Trotzdem wurde der Content jahrelang vernachlässigt, ja sogar als Problem behandelt. Mit größer und größer werdenden Sites wurde der Umgang mit den Inhalten immer komplexer. Die scheinbare Lösung für das Problem waren Content-Management-Systeme (CMS).

CMS haben eine überwältigende Zahl von Features. Der Haken ist: die meisten von ihnen braucht man nicht. Und selten wird zuerst die Content Strategie erstellt und dann das CMS ausgesucht. Vielmehr muss man meist versuchen, die Strategie mit dem vorhandenen CMS umzusetzen. CMS nehmen zwar einen Teil der Verwaltungsarbeit ab. Aber trotzdem können sie nicht entscheiden, welche Inhalte wann für welche Nutzer relevant sind. Und auch, wann die Inhalte aktualisiert werden oder archiviert werden müssen, wissen sie nicht. Manche CMS bieten dafür Automatismen – aber sie sind eben genau das: automatisch. Man kommt nicht umhin, regelmäßig Menschen auf die Inhalte schauen zu lassen.

Wozu brauche ich eine Content-Strategie?

Content-Strategie ist die Planung der Produktion, der Publikation und der Pflege von Inhalten, die für die Nutzer relevant sind.

Relevant heißt, dass der Inhalt zum aktuellen Zeitpunkt hilft, das Ziel des Nutzers zu erreichen. Das heißt auch, dass etwas in einem Moment hoch relevant sein kann, im nächsten nur noch störend.

Wir müssen den Nutzern also liefern:

  • Was sie brauchen,
  • in dem Moment, in dem sie es brauchen,
  • in der Form, in der sie es brauchen können (technisch – also z. B. nutzen sie einen PC, ein Tablet oder ein Mobilgerät – wie von der Aufbereitung her – haben sie das notwenige Hintergrundwissen, um die Inhalte zu verstehen).

Der Content muss immer helfen, die Ziele der Website-Betreiber zu erreichen. Damit das möglich ist, muss man sich Gedanken darüber machen, was der jeweilige Content bewirken soll. Dabei sollte man möglichst konkret sein. „Verkaufen“ ist zum Beispiel kein besonders konkretes Ziel. Am besten definieren Sie in diesem Fall, welches Produkt Sie verkaufen wollen, und wie Sie das mithilfe dieses Contents erreichen wollen – etwa, indem sie die Produktvorteile für einen Anwender zeigen, der das Produkt erstmals verwendet.

Gute Inhalte sind aus Nutzersicht:

  • relevant
  • auffindbar
  • verständlich/benutzbar
  • anwendbar
  • teilbar (z. B. über Soziale Netze)

Gute Inhalte sind außerdem aus Sicht der Website-Betreiber:

  • möglichst effizient produziert worden
  • durch Metadaten klassifiziert
  • für Suchmaschinen zugänglich
  • langlebig und wiederverwertbar

Eine Frage, die man klären muss, ist, welches Medium das Richtige ist, um den Content so zum Nutzer zu bringen, dass er für ihn die höchste Relevanz hat. Wobei natürlich Kosten und Zeit auch eine Rolle spielen. Selbst wenn Sie wissen, dass ein Video eigentlich optimal wäre, erlauben es Zeit- und Kostengründe oft nicht, ein solches zu produzieren. Denken Sie aber trotzdem über das richtige Medium nach, bevor Sie einfach das produzieren, was Sie immer produzieren – meist ist das Text. Vielleicht ist aber eine Tabelle kürzer und leichter zu erfassen? Oder Sie erstellen eine einfache Grafik?

Als Nächstes legen Sie den Kanal fest: Blog, Website, Twitter, Facebook, Delicious, Google+, Youtube, Slideshare, Scribd …

So erarbeiten Sie Ihre Content-Strategie

Eine Content-Strategie sollte idealerweise entworfen werden, bevor der erste Wireframe (Seitenskizze) erstellt wird, unbedingt aber bevor HTML-Code geschrieben oder ein CMS aufgesetzt wird. Denn der Content ist das, wofür Sie eine Website anlegen. Insofern müssen Sie sich damit auch als Erstes beschäftigen.

Content Strategie heißt auch, dass Sie nicht mit Lorem-ipsum-Platzhaltertext arbeiten. Platzhaltertext kann man im Einzelfall verwenden, wenn man aktuell Diskussionen über den Content vermeiden will. Aber dennoch ist es sinnvoll, dass auch die Gestalter von Anfang an wissen, welche Inhalte geplant sind. Denn nur dann können sie ihr Design so anpassen, dass die Inhalte optimal wiedergegeben werden.

Für Ihre eigene Content-Strategie gehen Sie so vor:

  1. Ziele, Zielgruppen festlegen (sollte eigentlich schon Teil des Website-Konzepts sein)
  2. Content-Inventar erstellen; Content-Lücken erkennen
  3. Migrations-Plan erstellen
  4. Kernbotschaften definieren
  5. Themen festschreiben (was interessiert die Zielgruppe?)
  6. Metadaten-Strukur aufstellen
  7. Styleguide, Vorlagen erstellen
  8. Editorial Workflow festlegen
  9. Verantwortlichkeiten bestimmen (wer erstellt, nimmt ab, pflegt den Content?)
  10. Veröffentlichungs-Kalender schreiben
  11. Vorgehen für Qualitätskontrolle, Umgang mit Nutzerfeedback definieren
  12. Analyse der Zugriffe und der Bewegungspfade auf der Site planen

Content-Styleguides gibt es schon bei einigen Projekten. Diese beschreiben aber nur, wie der Content aufbereitet werden soll. Für eine gute Content-Strategie sollten Sie noch einen Schritt früher ansetzen: Legen Sie fest, welcher Content überhaupt auf die Website soll. Wer immer den Content einstellen will, sollte zuvor folgende Fragen beantworten:

  • Wer soll den Content nutzen?
  • Was bringt dieser dem Nutzer? Beantwortet er Fragen, die er hat? Braucht er ihn wirklich?
  • Was ist die beste Form, diese Inhalte zu präsentieren? Ist es wirklich eine Seite Text?
  • Wie sorgen wir dafür, dass dieser Content aktuell bleibt?

Lernen Sie, wie ein Medien-Mogul zu denken und bringen Sie Ihren Auftraggeber dazu, das Gleiche zu tun. Wer eine Website betreibt, ist Herausgeber. Und ein erfolgreicher Herausgeber denkt vor allem daran, was seine Leser wollen.

Links

www.useit.com/alertbox/ecommerce.html
Jakob Nielsens Studie über E-Commerce („Bad Content Kill Sales“)

http://2011.csforum.eu
Die Konferenz Content Strategy Forum 2011

http://csforum2012.com
Die nächste Konferenz 2012 in Kapstadt

www.currybet.net/cbet_blog/2011/09/csforum11-1.php
Zusammenfassungen der Vorträge bei Martin Belam (von der Britischen Tageszeitung The Guardian). (Am Ende des Blogeintrags steht ein Kasten mit Links zu den anderen Berichten, am Anfang einer mit einem Link zu einem PDF mit allen Berichten zusammen.)

http://pr-blogger.de/2011/09/07/viel-prominenz-wegweisende-themen-gute-impulse-–-das-content-strategy-forum-2011-in-london
Eine Kurzzusammenfassung auf Deutsch bei PR-Blogger

www.alistapart.com/articles/a-checklist-for-content-work
Auszug aus dem lesenswerten Buch „The Elements of Content Strategy“ von Erin Kissane

http://lucidplot.com/2009/09/09/diy-content-strategy
Content Strategy for the Web Professional – gute Praxis-Tipps für alle, die selbst die Rolle des Content-Strategen ausfüllen wollen oder müssen

www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/0321620062
Das Buch „Content Strategy for the Web“ von Kristina Halvorson ist leicht zu lesen und empfiehlt sich für alle, die für den Inhalt einer größeren Website verantwortlich sind.

6 Gedanken zu „Newsletter 11/2011 – Content Strategie für erfolgreichere Websites“

  1. Guten Tag Herr Jacobsen,

    ich bin begeisterter benutzerfreun.de Newsletterleser.
    Leider haben Sie diesen Newsletter so gestaltet, dass er eine feste (Tabellen-)Breite hat.
    Wenn ich auf Drucken gehe (ich lese sowas oft abends in der Ubahn), dann schneidet der Ausdruck ein paar Zeichen ab.
    Ich muss zum Drucken also leider über Word gehen und dort die Tabellenbreite anpassen, bis es druckbar ist.
    Außerdem gelang es mir nicht, Sie per Email zu erreichen. Die unten angegebene Emailadresse ergab einen Fehler.

    Vielleicht ist diese Rückmeldung für Sie wertvoll. Schließlich sind Sie ja ein benutzerfreund .
    Vielen Dank für die guten Anregungen.

    Beste Grüße!

    Mit freundlichen Grüßen

    Anita Sander

    Antworten
    • Hallo Frau Sander,
      vielen Dank für Ihre Hinweise, sie sind in der Tat sehr hilfreich!
      Ich werde sehen, was ich bezüglich der Gestaltung machen kann. Was allerdings mit der Mailadresse los ist, weiß ich nicht – bei mir gibt es da keine Probleme. Können Sie mir sagen, welche Fehlermeldung Sie bekommen und ggf. welches E-Mail-Programm Sie nutzen?
      Danke vorab & schöne Grüße,
      Jens Jacobsen

      Antworten
  2. Hallo Herr Jacobsen,
    mit großen Interesse haben ich Ihren Beitrag gelesen. Ich finde ihn klasse und hoffe, dass Sie neben der Strategie noch einen operativen Part liefern. Aus meiner Praxis als Internet-Redakteur, weis ich wie schwer es den Verantwortlichen fällt ihre Website dauerhaft mit gutem Content zu befüllen. Meiner Ansicht nach braucht es einen Coach, der das ganze begleitet und das Wissen, wie gute Inhalte erstellt und lesefreundlich gestaltet werden, vermittelt. Die Idee von Content Management Systemen ist grundsätzlich gut, in der Praxis jedoch kaum von Laien zu bewältigen. Zu selten werden neue Inhalte veröffentlicht und die Redaktionsschulung ist auch aufgrund anderer Prioritäten schnell wieder vergessen. Ich empfehle deshalb das Thema „Content“ auszulagern und an einen Profi zu delegieren, der das tagtäglich macht. Sonst gibt das nämlich nichts mit der erfolgreichen Website.

    Von einem, der sich für den Content stark macht

    Thomas Noll

    Antworten
  3. Hallo, Herr Jacobsen,

    Sie sprechen mir aus der Seele. Als Online-Redakteurin teile ich die Meinung von meinen Vorkommentator völlig. Ich bin auch eine, die sich für den Content stark macht.

    „Eine Content-Strategie sollte idealerweise entworfen werden, bevor der erste Wireframe (Seitenskizze) erstellt wird, unbedingt aber bevor HTML-Code geschrieben oder ein CMS aufgesetzt wird. Denn der Content ist das, wofür Sie eine Website anlegen. Insofern müssen Sie sich damit auch als Erstes beschäftigen.“ So sollte es sein. Aber so ist es vielen Fällen nicht. Und was dann bei einem Projekt herauskommt, lässt mir oft die Haare zu Berge stehen.

    Was bleibt zu tun?

    1.) Aufklärung: Die Bedeutung von Content bei jeder Gelegenheit hervorheben
    2.) Als Online-Redakteur konsequent bei der eigenen Linie bleiben (1. Content-Konzept 3. Design 3. Programmierung)- auch beim Kunden
    4.) Wenn die Gefahr besteht, dass (CMS)-Programmierungen umgesetzt werden, die effizientem Arbeiten entgegenstehen: einhaken
    5.) Mit Agenturpartnern (Design und Programmierung) arbeiten, für die das Wort „interdisziplinär“ kein Fremdwort ist
    6.) Auch wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, das Beste für den Content und seine Bearbeiter (!) versuchen rauszuholen (Nachbearbeitung fordern etc.), sich der Diskussion stellen
    7.) Tipp für Kunden: Sich von Anfang an einen Content-Experten dazuholen, der eine Website ganzheitlich betrachtet, der über den Tellerrand schaut und auch Technik und Design im Auge behält.
    8.) Erstbefüllungen von einem Content-Experten durchführen lassen, der nicht nur „blind“ Content reinkopiert, sondern parallel in Zusammenarbeit mit Programmierer Tauglichkeit der Abläufe im CMS und Funktionstüchtigkeit des CMS prüft und optimiert.

    Herzliche Grüße
    Heike Tharun

    Antworten

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