Newsletter 06/2011 – Internetrecht – Webimpressum, Urheberrecht, Datenschutz, Abmahnungen

Wir deutschen Jura-Laien (mich eingeschlossen), erwarten von Juristen oft, von ihnen einen Freibrief zu bekommen, dass alles rechtlich OK ist, was wir tun. Wir hätten am liebsten eine Checkliste, deren Punkte wir abarbeiten können, um sicher zu sein, dass wir niemals verklagt, abgemahnt oder auch nur mit einem Ordnungsgeld belegt werden.

Wir sind sehr deutsch, auch wir Blogger. Von Juristen müssen wir uns aber sagen lassen, dass es diese Sicherheit nie geben kann. Dass wir uns einfach trauen müssen, etwas zu tun. Das Leben ist einfach lebensgefährlich.

Diesen Aussagen bin ich in den letzen Wochen an zwei Stellen begegnet: in dem Buch „Online-Marketing und Recht“ von Martin Schirmbacher (nicht ganz so deutlich) und im Vortrag von Henning Krieg und Thorsten Feldmann (sehr deutlich).

Das Buch

Cover Online-Marketing und RechtIn seinem Buch von fast 500 Seiten beschäftigt sich der Rechtsanwalt Martin Schirmbacher mit allen rechtlichen Fragen rund um die Website. Dabei beschränkt er sich nicht auf Fragen, die die eigene Site betreffen, sondern er beleuchtet auch Auftritte in Sozialen Medien wie Twitter oder Facebook und beschreibt, was bei Werbung zu beachten ist, die man auf anderen Sites schaltet. Schließlich gibt es noch ein eigenes Kapitel für alle Shop-Betreiber und auch Teilnehmer von Partnerprogrammen (Affiliate-Programmen) finden einige Tipps. Sogar Hinweise für die Gestaltung von Verträgen von Agenturen gibt es.

Anders als der Titel vermuten lässt, ist das Buch nicht nur das Richtige für alle, die Marketing und Werbung im Internet machen wollen, sondern vielmehr für jeden, der eine Website betreibt.

Natürlich gibt es Checklisten, die die konkrete Umsetzung für die eigene Site erleichtern. Aber, wie Schirmbacher schon in der Einleitung schreibt:

Komplexe rechtliche Fragestellungen können nicht in einem Praxis-Handbuch beantwortet werden, sondern bedürfen sorgfältiger juristischer Prüfung im Einzelfall. Jeder Fall […] ist anders.

Trotzdem ist das Buch meiner Meinung nach ein hervorragender Ratgeber, wie man die meisten rechtlichen Probleme vermeidet. Schirmbacher beschreibt die Fakten erfreulich klar. Er scheut nicht davor zurück, Sachverhalte so weit zu vereinfachen, dass auch wir juristische Laien verstehen, worauf es ankommt.
Schön ist auch, dass er immer praktische Beispiele bringt, die das Verständnis erleichtern.

Ich bin sicher, dass jeder Website-Betreiber einige Dinge finden wird, die er noch nicht wusste. Zum Beispiel:

  • Wussten Sie, dass Domainnamen wie www.tauchschule-dortmund.de rechtlich nicht in Ordnung sind?
  • Steht auf Ihrer Site auch ein allgemeiner Disclaimer, und fängt er eventuell sogar mit „Das Landgericht Hamburg hat entschieden…“ an? Das zeigt laut Schirmbacher, dass bei Ihnen nicht sorgfältig mit rechtlichen Dingen umgegangen wird. (siehe dazu auch ,Nutzlose Disclaimer‘ hier im Blog)
  • War Ihnen klar, dass Sie mit dem Namen fremder Marken nicht ohne Weiteres werben dürfen, auch wenn Sie deren Produkte verkaufen?
  • Wussten Sie, Popup-Werbung eine unzulässige Belästigung sein kann?

Der Workshop

Die Rechtsanwälte Henning Krieg und Thorsten Feldmann veranstalteten auf der re:publica 2011 den Workshop „Bloggen und Recht“. Zweieinhalb Stunden lang klärten sie wissbegierige Blogger über die rechtlichen Fallstricke auf, über die man bei der täglichen Arbeit im Netz stolpern kann. Sie sprachen locker und vor allem im Klartext über:

  • Impressumspflicht
  • Datenschutz
  • Urheberrecht
  • Persönlichkeitsrecht
  • Marken- und Wettbewerbsrecht
  • Haftungsfragen
  • Abmahnungen

Ich dachte zunächst, ich würde hier nicht viel Neues erfahren, wurde aber positiv überrascht. Die beiden Anwälte erzählten Dinge, die sie so wohl nicht einmal ihn ihren Blogs schreiben. Sie setzten manches in die richtige Perspektive. Sie betonten, dass man praktisch immer in rechtliche Probleme geraten kann, wenn man sich öffentlich äußert. Sie halfen aber dabei, das Risiko dafür einzuschätzen, so dass jeder selbst beurteilen kann, wie hoch es jeweils ist.

Im Folgenden einige Erkenntnisse, die für mich neu waren bzw. Tipps, die ich wertvoll finde.

Webimpressum / Impressumspflicht

Jeder, der eine Website betreibt, die sich an die Öffentlichkeit richtet, braucht das „kleine Impressum“, also Name und Anschrift – nicht nur „gewerbsmäßige“ Anbieter (die brauchen das große Impressum). Ausführliche Infos bei: www.anbieterkennung.de

Die Impressumspflicht gilt auch für Twitter, Facebook-Seiten und auch für Gruppen auf Facebook oder Xing, wenn sie gewerbsmäßig betrieben werden. Es reicht aber, einen Link zur eigenen Website zu setzen. Bei Twitter zum Beispiel auf der Profil-Seite, bei Facebook und Xing in den Infos über die Seite bzw. Gruppe.

Datenschutz für Website-Betreiber

Krieg legte den Bloggern einen der wichtigsten Grundsätze des Datenschutzes ans Herz: Die Datensparsamkeit. Erhebe immer so wenig Daten wie möglich. Das verpflichtende Abfragen der E-Mailadresse beim Kommentieren in Blogs (Voreinstellung von WordPress) ist zum Beispiel rechtlich nicht in Ordnung, weil die Adresse nicht zwingend nötig ist.

Beide Anwälte betonten, dass die IP-Adresse in Deutschland von fast allen Gerichten zu den persönlichen Daten gerechnet wird. Man sollte also deren Speicherung vermeiden, etwa in den Logfiles seines Webservers.
Feldmanns Fazit:

Die Datenschutzgesetzgebung ist komplex und nicht stringent.

Kurz ging es um Google Analytics, dem Web-Analytics-System von Google. Dies ist nach der Meinung vieler Datenschützer in Deutschland illegal. Krieg und Feldmann empfohlen, zumindest die Variante zu nutzen, mit der keine IP-Adressen gespeichert werden.
Sie sagten aber, man solle das Problem mit Google Analytics in der Praxis nicht überbewerten. Viele ihrer Klienten würden es nutzen, aber bisher hätte niemand deshalb Ärger bekommen.
„Diese Einstellung finde ich scheiße.“ sagte dazu Joerg Heidrich, der im Publikum saß. Der Rechtsanwalt Heidrich ist Justiziar des Heise-Verlags und schreibt in der Zeitschrift c‘t des Öfteren über Internetrecht. Er hält Google Analytics in der „ungezähmten“ Variante für „Teufelszeug“, weil damit Google jede Menge Daten sammelt, ohne jegliche Kontrolle der Website-Betreiber oder -Besucher. Darauf konnten sich die drei Juristen einigen.

Einigen konnten sie sich auch auf die Empfehlung von Piwik als rechtlich sauberere Alternative zu Google Analytics.

Cloud Computing und Datenschutz

Personenbezogene Daten dürfen Sie nicht ohne Weiteres auf fremde Server hochladen. Das gilt auch für Cloud-Computing-Dienste wie Google Documents oder Dropbox. Adressen- oder E-Mail-Listen sollten Sie also unbedingt besser lokal speichern.

Haftung von Website-Betreibern

Bei der Frage nach der Haftung für Kommentare von Besuchern sagte Krieg, dass man zwei Möglichkeiten hat: Entweder man schaltet sie einzeln frei und ist dann sofort verantwortlich, oder man lässt sie einfach ungefiltert erscheinen. Denn sobald man von einem Rechtsverstoß weiß, muss man ihn unterbinden. Wenn man die Kommentare also nicht einzeln prüft, kann man von Verstößen nichts wissen. Sobald aber jemand darauf hinweist, muss man solche Kommentare sofort entfernen.

Urheberrecht

Zum Thema Urheberrecht erklärten Krieg und Feldmann, dass praktisch alles dem Urheberrecht unterliegt:

  • Texte
  • Zeichnungen, Fotos, Gemälde
  • Videos
  • Software
  • Pläne (Stadtpläne, Architekturpläne…)
  • Linksammlungen
  • RSS-Feeds

Lediglich folgende Dinge seien frei nutzbar:

  • Tagesaktuelle Ereignisse
  • Zitate
  • Zusammenfassungen (Abstracts)
  • Links (auch solche auf Unterseiten)

Für Details empfahlen die beiden den Wikipedia-Artikel zum Urheberrecht und www.irights.info.

Was tun bei Abmahnungen?

Wenn man eine Abmahnung bekommt, sollte man Folgendes tun:

  • Nerven behalten, aber die Abmahnung ernst nehmen
  • mit dem Abmahnenden direkt reden, nicht mit dessen Anwalt
  • ohne rechtliche Beratung nichts unterschreiben
  • eigenen Anwalt suchen, der in dem Bereich Erfahrung hat
  • mit dem eigenen Anwalt eine Honorarvereinbarung treffen
  • Reichweite der Unterlassungserklärung prüfen
  • Kosten mit dem Gegner verhandeln

Fazit zu Vortrag und Buch

Ich fand es sehr erfrischend, Juristen zuzuhören, die Klartext sprechen. Wer die Gelegenheit hat, Feldmann und/oder Krieg bei einem Vortrag zu hören, sollte das unbedingt tun.

Wer diese Gelegenheit nicht hat, oder wer tiefer in die Materie einsteigen will, der sollte sich das Buch von Schirmbacher besorgen. Es ist zwar nicht so unterhaltsam wie ein Vortrag, es liest sich aber für ein Fachbuch zum Thema Recht erstaunlich leicht. Es erspart sicher nicht in jedem Fall den Anwalt, aber es kann trotzdem helfen, das es nicht so schnell nötig wird, einen zu beauftragen. Und vor allem: es gibt einem als Website-Betreiber ein besseres Gefühl, weil man über die rechtlichen Gefahren Bescheid weiß.

Links

Das Buch bei Amazon: Online-Marketing und Recht

10 Gedanken zu „Newsletter 06/2011 – Internetrecht – Webimpressum, Urheberrecht, Datenschutz, Abmahnungen“

  1. Wollte den Eintrag empfehlen bei Twitter. Bin eingeloggt und das „Tweet-Feld“ bleibt leer im IE8. Kein Text, kein Link. Überprüft Ihr das? Danke und herzl. Grüsse

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    • Gebe zu, das ist wirklich lang. Aber man muss sich bei Twitter nur trauen mit den langen Links. Die kürzt Twitter nämlich automatisch mit dem eigenen Linkshortener. Dann kann man trotzdem noch ein bisschen was dazu schreiben – nur sieht man vorher nicht so genau, wie viel. Etwas unpraktisch, gebe ich zu. Auf jeden Fall danke fürs Tweeten!

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  2. Vielen Dank für die Ihre prima Arbeit, die Sie mit Ihrem Newsletter immer wieder aufs neue leisten, Herr Jacobsen.

    Was mich jetzt aber schon einmal interessieren würde ist, was an der Domain http://www.tauchschule-dortmund.de nicht in Ordnung sein sollte. Ist doch ein allgemeiner Begriff, oder etwa nicht?

    Vielen Dank für die Aufklärug und herzlich Grüße.

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    • Das „Dortmund“ kann suggerieren, dass die Tauchschule von der Stadt Dortmund betrieben/lizensiert/genehmigt wird. Das ist dann Irreführung und rechtlich problematisch. Das muss man nicht richtig finden, es gab dazu aber ein entsprechendes Urteil. Ein Beispiel dafür, dass die Rechtsprechung nicht immer dem eigenen Bauchgefühl entspricht.

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