Content Testen – Newsletter 10/2022

Überzeugungsarbeit, dass Text auf Websites und in Anwendungen ein ganz wichtiger Teil der User Experience ist, habe ich in den letzten zwei Newslettern geleistet (UX Writer – braucht man die? und Microcopy – überzeugende Kurztexte). Nun geht es darum: Woher wissen wir, ob der Text überhaupt gut ist?

Bei Microcopy ist die Frage meist leichter zu beantworten. Denn ob die Beschriftungen unserer Buttons wie auch die Links und die Navigations-Begriffe gut sind, merken wir meist in einem klassischen Usability-Test. Dabei beobachten wir Menschen, wie sie mit unserer Anwendung umgehen und stellen schnell fest, wenn die Begriffe unklar sind, missverständlich oder die Nutzenden gar verärgern.

Schwieriger wird es bei längeren Texten, die vor allem informieren wollen. Schafft es der Marketing-Text, die Besuchenden unserer Website zu überzeugen, zu Kunden zu werden? Schafft es der Hilfe-Text, die Probleme zu lösen, mit welchen die Besuchenden auf die Site gekommen sind? Schafft es der Aufklärungs-Text, die Informationen zu vermitteln, die wir mit ihm vermitteln möchten? Verstehen die Lesenden ihn? Überzeugt er sie? Können sie sich merken, was sie gelesen haben?

Diese Fragen sind alle etwas schwerer zu beantworten und werden in klassischen Usability-Tests oft nicht untersucht. Man gibt sich damit zufrieden, dass die Inhalte gefunden werden – aber werden sie auch verstanden?

Einfach mal die Nutzenden fragen – keine gute Idee

Das wichtigste Prinzip eines Usability-Tests ist, dass man die Probanden nicht einfach fragt, ob sie mit der Anwendung zurechtkommen, sondern ihnen eine Aufgabe gibt, die sie mit ihr durchführen sollen. Und ihnen dann dabei zusieht.

Damit beobachten wir echtes Verhalten, anstatt nur Meinungen einzuholen. Über den Erfolg einer Anwendung entscheidet die tatsächliche Nutzung, nicht die Meinung der Menschen – weder die der potenziellen Kundinnen und Kunden noch unsere eigenen.

Genau deshalb ist es auch recht nutzlos, Personen aus der Zielgruppe zu fragen, ob sie Inhalte gut finden. Oder ob sie diese verstanden haben. Das ist wie beim Lernen: Auch wenn die Lernenden sagen: „Ja, das haben wir verstanden!“, werden dennoch beim Test am nächsten Tag einige falsche Antworten geben. Oft denken wir, wir hätten etwas verstanden, täuschen uns aber. Hinzu kommt: Vielleicht haben wir es verstanden, aber dann am nächsten Tag schon wieder vergessen.

Textqualität berechnen wir einfach – auch keine gute Idee

Word bringt sie mit, SEO-Tools wie Yoast bieten sie: die Berechnung der Lesbarkeit. Diese Formeln funktionieren fast alle nach dem gleichen Muster: Sie berechnen die Anzahl der Wörter pro Satz, teils auch der Buchstaben pro Wort und rechnen das mit verschiedenen Gewichtungsfaktoren in einen Wert um. Die Idee dahinter: Lange Wörter sind tendenziell schwerer zu verstehen als kurze. Und ebenso lange Sätze schwerer als kurze.

Aber ob die Sätze sinnvoll sind oder die Wörter der Zielgruppe geläufig, das erfassen diese Metriken für die Lesbarkeit nicht. Sie können lediglich einen ersten Anhaltspunkt liefern, ob Texte möglicherweise eher kompliziert sind.

Es ist kompliziert: Inhalte testen ist Arbeit

Wir brauchen also Tests mit echten Nutzenden. Diese müssen zwingend aus der Zielgruppe kommen. Guerilla-Tests mit Kolleginnen und Kollegen oder Teilnehmenden aus dem Bekanntenkreis bringen in dem Fall wenig – beim Verständnis der Inhalte ist die Zielgruppe der Anwendung die einzig sinnvolle Gruppe an Testpersonen.

Die gute Nachricht: Es gibt viele etablierte Methoden

An Methoden, um Inhalte mit der Zielgruppe zu testen, ist glücklicherweise kein Mangel. Hier die wichtigsten:

Moderierter Usability-Test

Auch Inhalte lassen sich sehr gut in moderierten Usability-Tests prüfen. Geben Sie den Teilnehmenden dafür Aufgaben wie:

Lesen Sie den Text, so wie Sie ihn außerhalb des Tests lesen würden – also nicht schneller oder gründlicher als sonst.

Dann nehmen Sie ihnen den Text weg und fragen Sie die Teilnehmenden z.B., woran sie sich erinnern.
Noch besser: Geben Sie den Teilnehmenden konkrete Aufgaben und fragen Sie diese im Anschluss nach den wichtigen Fakten aus dem Text – etwa, ob ein im Text vorgestelltes Gerät bestimmte Funktionen hat. Oder welche Voraussetzungen man für die Teilnahme an dem erklärten Förderprogramm erfüllen muss.

Je nach Testobjekt können Sie vielleicht noch konkrete Aufgaben stellen, bevor die Testpersonen die Inhalte sehen. Etwa:

Finden Sie die Produktvariante, die ihren Anforderungen am besten entspricht und auch bei Regen eingesetzt werden kann.

Wie immer hilft Ihnen das Laute Denken der Teilnehmenden zu verstehen, was in deren Köpfen jeweils vorgeht – und wie sie die Inhalte verstehen.

Mensch tippt auf Tablet
Beim Usability-Test beobachten wir, wie Nutzende mit unseren Inhalten umgehen. Mit Nachfragen bekommen wir heraus, was sie verstanden und behalten haben.

Unmoderierter Nutzertest (Comprehension Survey)

Wenn Sie sehr viele Teilnehmende möchten, dann bieten sich unmoderierte Tests an, bei denen Sie den Testpersonen schriftlich Aufgaben stellen, Sie diese mit dem Testobjekt arbeiten lassen und ihnen schließlich einige Fragen stellen.

Manchmal findet man für diese Form von unmoderierten Nutzertests von Inhalten den Begriff Comprehension Survey (Verständnis-Befragung).

Fünf-Sekunden-Test (Impression Test)

Der Fünf-Sekunden-Test funktioniert, wie der Name vermuten lässt: Sie zeigen den Testteilnehmenden für 5 Sekunden einen Screen. Dann bitten Sie diese zu berichten, woran sie sich erinnern.

Für lange Texte ist das natürlich nicht geeignet, für kurze aber sehr wohl. Auch für Übersichtsseiten mit mehreren kurzen Textblöcken. Und natürlich insbesondere für Bilder.

Klicktest (First Click Test)

Beim Klicktest zeigen Sie den Testteilnehmenden eine Seite/einen Screen und bitten Sie, eine Aufgabe mit dieser/diesem zu erledigen. In dem Moment, in dem sie Klicken, verschwindet die Seite. Ein Skript erfasst, wo die einzelnen Nutzenden geklickt haben.

Für Texte wird das nicht so oft eingesetzt, für Bilder oder grafisch aufwendigere Seiten aber öfter. Damit bekommen Sie heraus, welches Element die stärkste Aufmerksamkeit bekommt bzw. das, von welchem die Nutzenden glauben, dass es sie am besten ihrem Ziel näherbringt.

Cloze Test – Lückentexttest

Schon in den 1950er-Jahren wurde der Lücken(text)test etabliert. Dabei werden aus einem vorhandenen Info-Text einige Wörter gelöscht, die für den Sinn entscheidend sind. Bei einem automatisierten Ansatz wird einfach jedes n-te Wort gestrichen, also etwa jedes zehnte.

Cloze-Test-Generator
Um Cloze-Tests schnell zu erstellen, gibt es online etliche Tools, etwa https://cloze.vercel.app/#.

Highlighter Testing – Marker-Test

Für diesen Test legen Sie den Testpersonen einen Text vor – als Ausdruck oder online. Sie bekommen zwei Textmarker und sollen in Grün markieren, welche Wörter sie bestärken, das Produkt oder die Dienstleistung zu nutzen. Und in Rot, was sie davon abhält.
Eventuell können Sie in weiteren Durchläufen andere Farb-Paare nutzen, um etwa angenehme und unangenehme Wörter markieren zu lassen oder leicht verständliche und komplizierte.

Meist arbeitet man hier nur mit einer Handvoll Probandinnen und Probanden und wertet die Ergebnisse qualitativ aus. Man kann aber auch quantitativ arbeiten und Statistiken erstellen, welche Wörter z.B. am häufigsten markiert wurden, wie viel in unterschiedlichen Texten markiert wurde usw. Dann sollte man aber auch mehrere Dutzend Teilnehmende rekrutieren.

Präferenztest

Beim Präferenztest (Vorliebentest oder Vergleichstest) bekommen die Testpersonen zwei Varianten der Inhalte vorgelegt. Diese sollen sie studieren und dann fragen Sie diese:

Welche Variante bevorzugen Sie?

Die Frage ist aber nur der Start und auch nicht die wichtigste. Eine ganz wichtige Folgefrage ist:

Warum?

Es geht also darum, ein Gespräch in Gang zu bringen mit den Teilnehmenden. Von ihnen zu erfahren, wie sie mit Inhalten umgehen, worauf sie dabei achten, was sie wichtig finden und was nicht.

Etwas problematisch an diesen Tests ist, dass es hierbei viel um Meinung geht. Als Moderierender ist es besonders wichtig, darauf zu achten, dass man nicht zu sehr im Allgemeinen, im Hypothetischen bleibt. Also weg von „was würden Sie…“, eher hin zu „wann haben Sie das letzte Mal…“. Was sich aber generell nicht vermeiden lässt, ist, dass wir, wie der Name sagt, beim Präferenztest rein über Vorlieben und Meinungen sprechen. Einen Usability-Test würde ich persönlich also immer vorziehen.

A/B-Test

Der A/B-Test ist sozusagen der große Bruder des Präferenztests. Dabei bekommen nicht nur eine Handvoll Probandinnen und Probanden zwei Varianten vorgelegt, sondern Hunderte bis Hunderttausende. Und sie sprechen nicht darüber, sondern sie nutzen die Varianten. Das heißt, wir haben also einen Test in einer Realsituation: Auf unserer ganz normalen Website zeigen wir der einen Hälfte unserer Besuchenden Variante A, der anderen Variante B. Und dann sehen wir, welche besser funktioniert. Wir messen, bei welcher Variante häufiger auf „kaufen“ geklickt/getippt wird. Oder bei welcher mehr unseren Newsletter abonnieren. Wir können hier also ganz direkt sehen, welche Variante unserer Inhalte unser Ziel besser erreicht.

Wir erfahren so nie, warum die eine Variante besser ist. Und sind die beiden Varianten ähnlich gut, dann werden die Unterschiede nur gering sein. Was nach den Gesetzen der Statistik dazu führt, dass wir sehr, sehr viele Teilnehmende an unserem Test brauchen. Die eben genannten Hunderttausende sind daher gelegentlich tatsächlich nötig. Deshalb kann ein A/B-Test sinnvoll nur auf Sites durchgeführt werden, die sehr viele Besucher pro Tag haben.

Das Prinzip der A/B-Tests ist einfach: Die Hälfte der Besuchenden sieht Variante A, die andere Variante B.

Viele sprechen auch von A/B-Tests, wenn Varianten im Gespräch mit Testpersonen verglichen werden. Das ist aber ein Präferenz-Test.

Fazit: Inhalte testen ist nicht aufwendig

Mit Ausnahme des A/B-Tests sind alle genannten Methoden für Inhaltstests wenig aufwendig und leicht durchzuführen wie auch auszuwerten. Sie eigenen sich nicht nur für Texte, sondern für Inhalte aller Art – also etwa auch für Bilder, Videos oder Diagramme.

Schenken also auch Sie den wichtigsten Elementen Ihrer Website in Zukunft mehr Beachtung und planen Sie Contents Test mit ein.

Schreibe einen Kommentar