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Johannes Rauschenberger, Der taz-Aufsichtsrat |
Die taz ist eine Zeitung zum Aufregen. Wahrscheinlich gibt es kaum eine andere Zeitung, die so viele ihrer Leserinnen und Leser immer wieder denken lässt, nun sei es aber endgültig genug damit, dass "ihre" Zeitung Nachrichten und Stellungnahmen veröffentlicht, die mit der eigenen Meinung so gar nicht zusammenpassen wollen. Auch früher gab es das schon, dass die taz bei Teilen ihres Publikums Kopfschütteln hervorrief, weil denen entweder das Verständnis für Regelverletzungen und munteres Draufgängertum fehlte oder das Streben nach ernsthafter Nachdenklichkeit und Seriosität zu viel wurde. Aber die Welt war noch einigermaßen übersichtlich. Wer sich zuallererst für den Frieden engagierte, musste die taz lesen, und wer sich um die Durchsetzung der Menschenrechte in aller Welt kümmerte, auch. Imperialismus und Weltmarkt boten klare Feindbilder. Sexuelle Befreiung stand ebenso auf der Tagesordnung wie der Kampf für die Rechte der Frauen. Da mochte es bisweilen Widersprüche geben, die nachdenklich machten; für Aufregung und Empörung sorgte aber allenfalls die provokative Form, in der bisweilen die Leserinnen und Leser vor den Kopf gestoßen wurden. Das war - und ist - der traditionelle "Biss", für den die taz bekannt und berühmt geworden ist. |
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Heute provozieren die Inhalte. Spätestens seit dem Krieg im Kosovo lässt sich nicht mehr verheimlichen, dass bestimmte hergebrachte Prinzipien - besonders wenn sie verabsolutiert werden - einander in der Praxis widersprechen. Artikel oder Kommentare, die den Frieden über alles stellen, erscheinen dann den Leuten, für die die Menschenrechte das Wichtigste sind, als Zeichen für den Verrat und die Prinzipienlosigkeit der taz. Umgekehrt natürlich genauso. Dabei ist das Problem der Zeitung nicht, dass sie keine Prinzipien hätte, sondern dass sie den Versuch macht, die sich scheinbar widersprechenden - und ja auch im Kern alle richtigen - Prinzipien ernst zu nehmen und auch deutlich vertreten zu lassen. Das vor allem unterscheidet die taz heute von dem Rest der Presse, deren Ton häufig - bisweilen sogar nur - von ausgewogener Einseitigkeit geprägt ist. Man muss sich nur vorstellen, was wäre, wenn in solchen Zeiten die taz fehlen würde. Nicht auszudenken. Das haben sich auch die gar nicht wenigen Leute gedacht, die in diesen Zeiten neue Mitglieder der Genossenschaft geworden sind oder ihre Anteile aufgestockt haben. Sie wissen, dass die einzige Rendite, die sie zu erwarten haben, eine politische ist: das Überleben der taz. Das schreibe ich, obwohl ich mich fast jeden Tag über sie aufrege. Aber dazu ist sie ja da, zum Aufregen. |