Die taz-Chefredaktion,
von links nach rechts
Peter Unfried,
Bascha Mika,
Reiner Metzger
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Die meisten Blätter der Republik tauchen wieder aus der Zeitungskrise auf. Viele Verlage
mussten massiv in der Redaktion sparen, die taz konnte auf Entlassungen verzichten, ja sie
stellte im vergangenen Jahr sogar Leute ein. Unsere Auflage blieb stabil, das Anzeigenvolumen
steigt wieder an. Zeit also für neue Taten. Denn dass die Redaktion weiter kreativ an neuen Wegen des Zeitungsmachens arbeiten muss, ist klar: Die Konkurrenz schläft nicht,
und unsere Art, politische Berichterstattung mit intelligenter Unterhaltung zu verbinden,
wird inzwischen von der Konkurrenz ebenso offen aufgegriffen wie unser Konzept der
täglichen Schwerpunktseiten vorne im ersten Teil des Blattes.
Dass wir als ehemalige Newcomer und Exoten inzwischen Vorbild für so manche Publikation
werden, ist erstaunlich und freut uns auch ein wenig. Es heißt aber bei weitem nicht,
dass die einzigartige Rolle der taz in der deutschen Zeitungslandschaft zu Ende wäre. Denn
es gibt nun einmal hierzulande keine andere linke, unabhängige Zeitung wie die taz.
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Die
Zeiten erfordern aber gerade ein solches Blatt: Wie sich das politische und soziale Klima in
Deutschland gewandelt hat, ist atemberaubend. Und wie wenig Hintergründe die Massenmedien
dazu liefern, ebenso. Da braucht es eine Stimme wie die taz - und zwar eine stetig kräftigere.
Die Verbreitung der tageszeitung wächst derzeit durch die neue Regionalausgabe taz nrw
mit ihren lokalen Varianten Köln und Ruhr. Die Presse dieses größten Bundeslandes wird
von einer Hand voll Verlage beherrscht. Da zeigen sich selbst hartgesottene Politiker nach-
gerade froh über die Neue, auch wenn sie dort beileibe nicht immer gut wegkommen.
Die taz nrw bietet täglich zwei überregionale Seiten plus zwei lokale aus dem jeweiligen
Verbreitungsgebiet. Ähnlich ist es mit den Lokalteilen Hamburg und Bremen geplant: Sie
sollen neben Berichten aus ihren Städten mit künftig zwei täglichen Seiten taz nord den
Lesern ein neues Angebot machen. Starthilfe für die Neuerungen in Nordrhein-Westfalen
und dem Norden leistet als Beauftragter des Vorstandes Thomas Eyerich, bisher stellvertretender Chefredakteur.
Im Oktober 2004 jährte sich erstmals der Start des neu konzipierten zweiten Buches der
taz, das seither tazzwei heißt und sich mit Gesellschaft, Kultur und Kommunikation
beschäftigt. Die klassischen Bereiche Kultur, Medien, Sport sowie das solitäre taz-Format
Die Wahrheit werden jetzt von zwei Seiten angeführt, die den zweiten Teil der taz
klammern und eine Brücke zum ersten, politischen Teil schlagen. tazzwei beschäftigt sich nicht mit der
tagespolitischen Agenda, sondern versucht zeitnah deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf unser Leben
nachzuspüren. tazzwei sucht die Themen, die bisher nicht oder nicht so in den Zeitungen waren. In tazzwei
stehen politische Gespräche mit der Schauspielerin Nina Hoss oder persönliche Gespräche über ihr
Familienleben mit der Politikerin Katrin Göring-Eckardt. Daniel Cohn-Bendit schimpft auf den DFB-Präsidenten, Rudi
Dutschkes Sohn Marek analysiert den US-amerikanischen Wahlkampf, Rezzo Schlauch schreibt offene Briefe
zur Lage der Rockmusik in Deutschland. tazzwei will spielerisch sein, aber der Hintergrund ist ernst: Es
geht um konkrete, alltagsnahe Arbeit an der taz-Frage: Wie wollen WIR leben?
Mit tazzwei haben wir ein zusätzliches Argument gefunden, um neue, jüngere LeserInnen an die taz zu
binden, und wir haben ein zusätzliches Moment in der taz, das uns deutlich von allen anderen überregionalen
Qualitätszeitungen unterscheidet. Noch: Denn wie im Fall der Weiterentwicklung zur
Theman. und Schwerpunktzeitung (im Jahr 2000) ist die auch im Angesicht von tazzwei nachdenklich geworden.
Zumindest die Süddeutsche Zeitung arbeitet ja seit Monaten an einer "SZ 2".
Das ehrt uns und zeigt, dass wir richtig liegen, Angst macht es uns nicht: Wir sind schon dabei, den nächsten Pfeil aus dem Köcher zu holen.
Als wäre es damit nicht genug der Veränderungen, gibt es auch einen neuen stellvertretenden Chefredakteur,
Reiner Metzger: Ich arbeite seit September im Chefteam, seit 1995 bei der taz und war bisher Ressortleiter
Wirtschaft und Umwelt. Mein Schwerpunkt wird das "aktuelle Buch" sein, die erste Hälfte der Zeitung mit den
Nachrichten und Hintergründen aus den Ressorts Inland, Ausland und Wirtschaft/Umwelt - die große Politik
also, von der viele Bürgerinnen und Bürger nicht mehr viel wissen wollen. Dabei gilt es gerade in Zeiten der
Reformen genau aufzupassen, wo die ja immer noch mächtigen Geldströme hingeleitet werden. Und wie
Alternativen zur scheinbaren Alternativlosigkeit der herrschenden Verhältnisse aussehen könnten.
Darüber gibt es nicht nur öffentlich Streit. Auch in der Redaktion prallen die Meinungen aufeinander. Das soll
so sein. Und fördert die Klarheit in den Köpfen. So wird in der taz weiterhin auf der einen Seite der Satiriker
mit dem Säbel auf jemanden einhauen, während ein Stück weiter der Faktenfresser mit Statistiken oder der
Intellektuelle mit Argumenten wedelt.
Dafür werden wir angegriffen, aber auch bundesweit geschätzt. Und das soll so bleiben.
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