Eindrücke von der re:publica 2011

270 Sprecher, 170 Vorträge und Workshops, 8 Bühnen und über 3.000 Teilnehmer – das war die re:publica 2011 in Berlin. Es war voll und anstrengend, man traf viele spannende Menschen, wenige langweilige und ich persönlich bin mit vielen guten Ideen, Anregungen und Kontakten zurück gekommen.

Die Anfangsmoderation von Max Spallek, Michelle Florin und Thomas Knüwer war etwas unnötig – ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, was sie gesagt haben. Schade, gerade von Thomas Knüwer hätte ich gern einmal mehr gehört. Danach kamen die Veranstalter Markus Beckedahl, Tanja Haeusler, Johnny Haeusler und Andreas Gebhard und begrüßten auch nochmal kurz.

Eingang zur re:publica 2011
Eingang zur re:publica 2011 im Friedrichstadt-Palast
Als erster echter Vortragender betrat Philipp Schäfer von IDEO die Bühne. Er sprach über „Design Thinking“. Seine Kernbotschaft:
Design ist zu wichtig, um es den Designern zu überlassen.
Er stellte seine Firma vor, die den ersten Laptop, die erste Maus und den Palm Pilot mit entwickelt hat. Schön: Sie bietet NGOs ein kostenloses „Toolkit“, mit dem sie alle möglichen Anwendungen so konzipieren können, dass dabei die Nutzer im Mittelpunkt stehen:
www.ideo.com/work/human-centered-design-toolkit
Schäfer stellte außerdem die Plattform Open IDEO vor. Hier werden Ideen diskutiert, die die Welt verbessern sollen. Etwa die Frage, wie sich die Ernährungsgewohnheiten von Kindern verbessern oder wie sich mehr Knochenmarkspender gewinnen lassen. Dabei können alle Internetnutzer mitmachen – Crowdsourcing.

Gabriella Coleman, Professorin an der New York University gab einen guten Überblick darüber, was Anonymous ist. Für mich persönlich war nicht viel Neues dabei, aber sie brachte das sympathisch rüber und man konnte zusehen, wie eine Kollegin auf der Bühne live ein eindrucksvolles Diagramm mit Vortragszusammenfassung auf 1,5 x 4 Meter zeichnete.

Etwas mehr in die Tiefe ging am nächsten Tag die Soziologin Carolin Wiedemann von der Uni Hamburg. Sie stellte den Zwang zur Selbstinszenierung auf Facebook & Co der Anonymous-Bewegung gegenüber. Der Vortrag war rein sprachlich und begrifflich komplex und anspruchsvoll. Schön, dass die Zuhörer auch mal gefordert werden. Mit einer Zusammenfassung tue ich mich hier allerdings schwer, aber ich fand Vortrag wie Diskussion danach als sehr erhellend. Offenbar hatten einige Diskutanten aber Probleme, die Vielgestaltigkeit von Anonymous und positive Aspekte zu sehen – sie zogen Parallelen zu Terrorgruppen. Die Zeit reichte leider nicht für Carolin Wiedemann, das auszudiskutieren.

Inspirierend war auch der Vortrag von Keiichi Matsuda aus London/Tokyo. Er zeigte in einem Video, wie die Augmented Reality aussehen könnte. „Some people think it is hell, some think it is great“, erzählt er. Ein Besuch seiner Website lohnt für alle, die ihn nicht gehört haben.

Steffen Boos, Sebastian Deterding und Christoph K. Weidner diskutierten über Serious Games. (Johnny Haeusler war leider im Berliner Stau stecken geblieben.) Boos und Weidner produzieren solche Computerspiele mit Erziehungsauftrag, Deterding promoviert darüber. Deterding bürstete schön gegen den Strich, indem er sagte: „Serious Games ist mit Kanonen auf Spatzen schießen.“ Er fragte, ob der enorme Aufwand gerechtfertigt sei. Könne man nicht mit weniger Geld und Mühe das Gleiche erreichen, indem man etwa in Lehrer investiert?
Außerdem müssten Menschen immer davon überzeugt werden, ein Serious Game zu spielen – „ui, Grammatik lernen!“ sagt niemand.

Danach sprach Sebastian Deterding allein über „Gamification“ – dem Versuch, alle möglichen Anwendungen nutzbarer zu machen, indem man spielerische Elemente integriert. Mein persönlicher Publikumspreis geht für diesen Vortrag an Deterding – er sprach mitreißend, klar und zeigte, dass er über das, was er sprach, ordentlich nachgedacht hatte.
Außerdem hatte er mit Abstand die besten Folien – weitgehend ohne Aufzählungen, viele emotional ansprechende Bilder, die seine Botschaft perfekt unterstützten. Auch seine Website ist lohnend. Hier kann man auch die Folien ansehen – wie alle guten Folien bringen sie inhaltlich jedoch wenig, sie sollen ja den Vortrag begleiten. Aber einen Eindruck bekommt man doch, wie eine gute Powerpoint-/Keynote-Präsentation aussieht.
Zum Inhalt seines Vortrags schreibe ich in den nächsten Tagen einen eigenen Artikel hier im Blog.

Der Philosoph und ehemalige IT-Manger Björn Haferkamp sprach unter dem Titel Befremdliches Befrienden über die philosophischen Aspekte von Freundschaft. Aristoteles und Cicero kannten schon die „beiläufigen“ Freundschaften, die dem nahe kommen, was heute Freundschaften in Sozialen Netzen sind. Diese sind nicht verwerflich, sondern zweckorientiert und zeitlich befristet. Solchen Freunden erzählt man nicht alles, man tauscht sich nur über bestimmte, gemeinsame Interessen aus.
„Der Wunsch nach Freundschaft entsteht rasch, Freundschaft aber nicht.“ sagt Aristoteles. Der Philosoph Georg Simmel sah bei der Freundschaft einen Gradienten von der flüchtigen Bekanntschaft zum engen Freund.
Der Begriff „Bekanntschaft“ trifft die „Freundschaft“ eigentlich wesentlich besser.

Martin Spindler erzählte vom „Internet der Dinge“. Der Roboter-Butler war eine Idee, die in den 1920ern geboren wurde und bis in die 50er gesponnen wurde. Sie wird so wenig Realität wie der Kühlschrank mit Internetverbindung, der automatisch Milch bestellt, bevor sie ausgeht – eine Idee der vorigen Dekade. Spindler: „The Internet on your fridge does not matter.“
Er nannte „Smart Meter“ (intelligente Stromzähler), Pillendosen und Geigerzähler mit Internetverbindung vor – heute schon Realität. Im Netz des amerikanischen Providers AT&T sind inzwischen mehr Maschinen als Menschen.
Die folgende Diskussion konnte Fragen wie die nach Folgen für die Privatsphäre nur anreißen, war aber dennoch interessant.

Stefan Pfeiffer und Arnd Layer von IBM stellten vor, wie ihre Firma soziale Funktionen in Software bringen will, die zu internen Kommunikation in Unternehmen eingesetzt wird. Ein bisschen Facebook, ziemlich viel Google Documents/Wave und ein bisschen Filesharing.

Bei einer Podiumsdiskussion, geleitet von Carolin Buchheim vom freiburgischen fudder.de, unterhielten sich Stefan Aigner von regensburg-digital.de, Philipp Schwörbel von den Prenzlauer Berg Nachrichten und Rainer Kurlemann (Online-Ressortleiter Rheinische Post) über Lokaljournalismus im Internet. Sie erzählten jeweils, was ihre persönlichen Gründe waren, ihr Blog zu starten und welche Zukunft sie für Hyperlocal News sehen. Gut zusammengefasst hat es ihr lokaljournalistischer Kollege Rouven Ridder aus Bielefeld in seinem Blog.

Über den Workshop „Bloggen und Recht“ von Krieg und Feldmann werde ich in den nächsten Tagen einen eigenen Eintrag nachreichen, sie erzählten viele wichtige Dinge und gaben vor allem hilfreiche Einschätzungen zu Rechtsthemen, die alle betreffen, die im Internet unterwegs sind.

Mein persönliches Fazit: Die re:publica ist eine tolle Veranstaltung, um sich auszutauschen mit Netzbürgern, Digital Natives und Internet-Celebrities. Einige spannende Vorträge eröffnen neue Perspektiven und in der Summe bekommt man so ein gutes Gefühl dafür, was die Menschen derzeit bewegt, die das deutschsprachige Internet zu einem großen Teil aktiv mitgestalten.

Update (26.4.2011): Sehr gut und detailliert sind auch die Berichte von er re:publica im Freitag.

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