Website-Konzeption von 1997 bis heute – Newsletter 2/2016

Website-Konzeption ist ein Thema, das man heute (potenziellen) Site-Betreibern nicht mehr erklären muss. Inzwischen ist den meisten klar, dass eine gute Site ein gutes Konzept braucht. Das war 2001 noch anders. Damals ist die 1. Auflage meines Buchs Website-Konzeption erschienen. Seitdem hat sich viel getan – und doch ist vieles gleich geblieben.

Wer wissen will, wie ich heute Web-Projekte konzeptionell angehe, der kann nicht nur zur aktuellen 7. Auflage des Buchs greifen, sondern der kann ab sofort auch ein Videotraining dazu ansehen:

Das Videotraining Website-Konzeption: Briefing, Kalkulation, Feinkonzept Websites planen, die bei Benutzern ankommen von Jens Jacobsen bei video2brain.
Das Videotraining Website-Konzeption: Briefing, Kalkulation, Feinkonzept. Websites planen, die bei Benutzern ankommen von Jens Jacobsen bei video2brain.

Das Videotraining ist mit gut 2 Stunden Laufzeit natürlich nicht so umfassend wie das Buch, ist aber für einen schnellen Einstieg ins Thema bequemer. Am Ende dieses Newsletters wie gewohnt eine kleine Verlosung…

Aus dem Anlass des Erscheinens des Videotrainings meine kurze, ganz persönliche Rückschau auf die Website-Konzeption, wie ich sie miterlebt habe:

1997: Webseiten bauen mit HTML & Notepad – NCSA Mosaic

Screenshot Website Mosaic
Für Nostalgiker: Die Website von Mosaic ist heute noch online.

1997 saß ich bei einem Praktikum in der Presseabteilung einer gemeinnützigen Organisation. Meine Chefs bekamen mit, dass ich mich für Computer interessiere, und erlaubten mir, in meiner Arbeitszeit und noch mehr in meiner Freizeit die Arbeits-PCs zu nutzen, um mir HTML beizubringen.

In den nächsten Wochen baute ich ein paar HTML-Seiten zusammen – handgecodet mit Notepad auf dem Windows–95-Rechner. Getestet habe ich mit dem Browser NCSA Mosaic. Die größte Herausforderung war: Das Programm dazu zu überreden, sich mittels eines quiekenden Modems mit dem Internet zu verbinden. Dazu musste einiges installiert und verändert werden auf dem PC. Der IT-Betreuer war nicht besonders gut auf mich zu sprechen…

Die Konzeption dieser Seiten ging so vor sich, dass mir mein Chef sagte, “Wir brauchen eine Liste mit unseren Broschüren online.” Und ich stellte eine Liste mit den Broschüren online. Das war’s. Konzept? Keines.

2000: Ordentliche Konzepte

Cover Information Architecture for the World Wide Web
Die erste Auflage von Information Architecture for the World Wide Web, erschienen 1998.

Bald wurde mir klar, dass mit so einer Arbeitsweise natürlich nur durch Zufall eine Site entsteht, die gut funktioniert. Ich recherchierte also nach Ansätzen, wie man das besser macht.

Und fand das Buch Information Architecture for the World Wide Web von Louis Rosenfeld und Peter Morville. Für mich eine Offenbarung. 1998 erschienen, brachte es damals perfekt auf den Punkt, wie eine gute Site-Struktur aussehen muss. Ich habe das Buch an zwei Tagen im Urlaub durchgelesen – und die nächsten Monate immer auf dem Schreibtisch liegen gehabt.

Alle Kollegen, mit denen ich sprach, waren damals begeistert von dem “Eisbären-Buch”. Endlich hatten wir eine Begründung dafür, warum wir so arbeiteten, wie wir arbeiteten. Endlich gab es empfehlenswerte Vorgehensweisen und Tipps zum Umgang mit den immer größeren Informationsmengen, die auf Websites untergebracht werden sollten.

Ich selbst entwickelte im Lauf der Zeit meine eigenen Rezepte bei der Konzeption, wandelte ab, passte an. Vor allem für kleinere Websites – denn bei solch großen Projekten wie Rosenfeld und Morville arbeitete ich nicht mit.

2000 fasste ich meine Ideen und Ansätze im Buch Website-Konzeption zusammen, das dann 2001 erschien.

2005: Web 2.0

Cover Dont Make Me Think
Don’t Make Me Think von Steve Krug – 2000 ein weiteres sehr wichtiges Buch, was uns Konzeptern die Welt der Usability eröffnete.

Die größte Änderung der nächsten Jahre war dann wohl das sogenannte Web 2.0. Unter dem Begriff wurden so unterschiedliche Dinge zusammengefasst wie:

  • Ajax (also interaktive, nicht mehr statische Seiten, auf denen z.B. Dinge nachgeladen wurden)
  • Soziales Web
  • Blogs
  • Podcasts

Das waren ein paar technische Neuerungen, aber der Witz war vor allem, dass mit dem Web jetzt mehr gemacht wurde, als nur Texte und Bilder bereitzustellen.

Für die Konzeption bedeutete das erstmal noch nicht viel – gute Konzepte entstehen, wenn man gut plant und sich mit seinen Zielen und den gewünschten Benutzern der Site auseinandersetzt. Aber die Möglichkeiten wurden mehr und mehr. Das heißt, die Konzepte wurden länger und länger und es dauerte auch immer länger, diese zu erstellen.

2010: Responsive – Design für mobile Geräte

Spätestens 2010 war jedem Konzepter klar: Es führt kein Weg mehr an Websites vorbei, die auf mobilen Geräten ordentlich funktionieren.

Zunächst sahen einige das als eine technische Herausforderung an, vielleicht noch als eine grafische. Bald wurde aber klar: Es ist auch eine konzeptionelle Herausforderung.

Also wurden unsere Konzepte noch komplexer.

2014: Agile Entwicklung – Abschied vom Konzept?

Die letzte Station, die ich beschreiben möchte, ist das Aufkommen der Agilen Entwicklung. Die Methode war schon einige Jahre bei komplexen Software-Projekten im Einsatz. Doch in der Entwicklung von wenig komplexen Websites habe ich diesen Ansatz erst um 2014 häufiger gesehen.

Das erscheint mir derzeit als die wichtigste Änderung seit dem Aufkommen der ordentlichen Konzeption um 2000. Denn dieser Ansatz verändert erstmals die grundsätzliche Herangehensweise der Konzeption.

Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Und Konzepter wie User Experience-Experten sind noch immer dabei, ihre Position in agilen Projekten zu definieren.

Was wir aber in jedem Fall lernen können, auch bei jedem noch so kleinen, noch so traditionell umgesetzten Projekt: Es ist immer eine gute Idee, in kleinen Schritten zu arbeiten und regelmäßig zu testen.

Und: Wir sollten versuchen, uns mehr und mehr von umfangreichen, komplexen Konzeptpapieren zu verabschieden. Statt dessen sollten wir mehr auf Workshops setzen, bei denen alle Beteiligten dabei sind. So entwickeln wir gemeinsam im Kopf die Konzepte für wirklich gute Sites. Die schriftlichen Dokumente sind dann vor allem Erinnerungen, Merkhilfen für das, was wir erarbeitet haben.

Das heißt keineswegs, das wir zurückgehen ins Jahr 1997 und Websites ohne Konzept erstellen. Vielmehr heißt es, das wir unsere Konzepte flexibler erstellen und mehr für jedes einzelne Projekt anpassen.

Verlosung Videotraining Website-Konzeption

Videotraining Website-Konzeption Jens Jacobsen IllustrationUnd wieder eine kleine Verlosung nach bewährten Prinzip: Wer bis zum 25.2.2016 zu diesem Newsletter tweetet, facebookt oder kommentiert, nimmt an der Verlosung von einem Download des ganzen Trainings teil – Trostpreise sind 3 Mal 10 Tage Zugriff auf das gesamte Programm von video2brain.

Wie haben Sie die Entwicklung der Website-Konzeption erlebt? Oder welche Stationen erscheinen Ihnen am bedeutendsten? Ich bin gespannt auf alle Kommentare!

5 Gedanken zu „Website-Konzeption von 1997 bis heute – Newsletter 2/2016“

  1. Meine Erfahrung ist ebenfalls, dass die Konzeption von Websites komplexer geworden ist in den vergangenen Jahren. Beim responsive Design sehe ich zudem, dass die Situation der Smartphone-Surfer eine andere ist als die der Desktop-Surfer: Sie haben weniger Zeit und ggf. andere Fragen (z.B. Anfahrt). Das muss sich konzeptionell niederschlagen und ist auch technisch noch vielfach eine Baustelle.

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  2. Bei meiner Arbeit komme ich hauptsächlich mit Kleinst- und KleinunternehmerInnen in Kontakt. Vom vorhandenen Budget her müssen hier die meisten Interessenten leider passen, auch wenn sie die Notwendigkeit eines individuellen Konzepts durchaus verstehen.

    Somit wird gerne auf „bewährte Konzepte“ zurückgegriffen. Leider gleichen sich dadurch die meisten Websites in struktureller Hinsicht sehr.

    Bestimmte Content Management Systeme (z.B. Shopsoftware usw.) geben diese bewährten Strukturen schon vor. Das ist auch gut so und ganz gemäß dem Motto: „Don’t make me think!“ Gerade wenn es ums Geld geht, könnte sonst ein irritierter Interessent den Kaufvorgang vorzeitig abbrechen.

    Unter diesen Voraussetzungen empfinde ich die Ausarbeitung einer „tollen Idee“, eines „gewissen Etwas“, als ganz wichtigen Punkt bei einem individuellen Konzept. Und das ist sicherlich am besten mit der „agilen Entwicklung“ zu leisten.

    Trendsetter für wirklich neue Konzepte, können leider oft nur große Unternehmen sein, die die Kosten dafür auch stemmen können. Sie dürften dann ihrer Zeit buchstäblich um Jahre voraus sein und entsprechend um Jahre vorher in den Genuss der Vorteile solcher Konzepte kommen…

    Vielen Dank für den tollen Artikel 🙂

    Antworten
    • Danke für das Lob!

      Und ich finde es nicht schlecht, auf bewährte Konzepte zurückzugreifen. Die Herausforderung bei Kleinstunternehmen ist aus meiner Sicht nur, denen überhaupt ein Konzept zu verkaufen. Wenn das gelingt, dann ist schon viel gewonnen.

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      • Das ist wohl wahr!

        In diesem Kundensegment wird ein Konzept als Inklusivleistung bzw. als Gratisbeigabe erwartet und entscheidet oft darüber, wer den Auftrag überhaupt erhält. Deshalb dürfte das Thema Konzept auch nur recht bedeckt von Seiten einer kleinen Agentur oder eines Freelancers angesprochen werden. – Obwohl es natürlich immer mitschwingt.

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