Newsletter 12/2008 – Benutzbares Audio fürs Web

Diese Ausgabe des Newsletters beschließt die Mini-Serie zum Thema Audio und Video im Web. Aber auch für alle, die sich damit nicht befassen, gibt es Interessantes: überraschende Ergebnisse aus einem aktuellen Usability-Tests einer Website, die Inhalte vermittelt.

Studie zur Usability von gesprochenem Text

Auf der Konferenz Usability Professionals Europe 2008, die vom 4. bis 6. Dezember 2008 in Turin stattgefunden hat, habe ich die Ergebnisse eines Tests vorgestellt, den wir bei der Content Crew mit 16 Benutzern durchgeführt haben. Getestet haben wir zwei Versionen eines gesprochenen Textes. Der eine war ein Print-Text, der einfach nur vorgelesen wurde. Das zweite war ein Text, den wir zuvor so umgeschrieben hatten, dass er den Regeln für gute Audio-Informationsarchitektur entspricht. Außerdem haben wir ein paar Soundeffekte und kurze Musik-Elemente eingebaut, um das Audio zum einen angenehmer zu machen und es zum anderen auch einprägsamer zu machen.

Eingebunden war das Audio in eine Website, die für unseren Test nur aus einer einzigen Seite  bestand, aber aussah wie eine komplette Site mit vielen Kapiteln und Unterkapiteln.

Das Fazit der Tests: Die Benutzer beurteilen die gesamte Site wie auch den Text selbst deutlich besser, wenn der Text fürs Hören optimiert ist. Das fanden wir bei der Auswertung der Fragebögen heraus, die jeder Teilnehmer nach dem Test ausgefüllt hat.

Die Teilnehmer empfanden die Benutzbarkeit besser, sowie den Umfang der angebotenen Informationen als größer und sie sagten eher, sie würden gern weitere Informationen auf der Site ansehen oder anhören. Die Textqualität erreichte 78 von 100 möglichen Punkten bei der Version mit nur vorgelesenem Print-Text, bei der Version mit speziellem Audio-Text waren es 80. Dieser recht geringe Unterschied heißt aber nur, dass die Nutzererwartungen an den Text mit beiden Versionen einigermaßen zufrieden gestellt wurden. Sie hatten ja jeweils nur eine Version des Textes bekommen, sie konnten also nicht direkt vergleichen.

Beim Vertrauen, das die Nutzer in die Site hatten, lagen die Werte bei 52 bzw. 56 Punkten. Deutlichere Unterschiede gab es bei den positiven Gefühlen: 70 Prozent bei der Print-Text-Fassung, 82 Prozent bei der Audio-Text-Fassung. Bei der Usability schnitt der Print-Text nur mit 36 Punkten ab, der Audio-Text mit 51 Punkten – der optimierte Text wurde bei der Benutzerfreundlichkeit also um fast fünfzig Prozent besser beurteilt.

Unterschiede beim Textverständnis?

Was wir auch abgefragt hatten, war, ob die Benutzer die Inhalte verstanden haben und ob sie sich diese gemerkt haben. Das Thema des Audio war die Entwicklung der Physik Ende des 19. Jahrhunderts. Wir hatten mit Absicht ein Spezialthema ausgesucht, damit kein Teilnehmer auf diesem Gebiet schon Vorwissen hat. Von den sehr schweren Fragen konnten die Teilnehmer im Schnitt nur 68 Prozent der Fragen richtig beantworten (minimal 27%, maximal 82%). Einen Unterschied zwischen den beiden Audioversionen konnten wir dabei nicht feststellen.

Überraschendes Ergebnis: Audio allein wird ungern genutzt

Das überraschende Ergebnis unseres Test war aber: die Nutzer wollten das Audio allein auf der Test-Website nicht anhören.

38 Prozent der Teilnehmer wünschten sich bei der Befragung nach dem Test Video – ohne dass wir danach gefragt hatten. 18 Prozent sagten, sie hätten Probleme gehabt, sich zu konzentrieren. Und 38 Prozent der Studienteilnehmer hatten die Wiedergabe abgebrochen oder sie sagten im Nachhinein, sie hätten die Wiedergabe normalerweise abgebrochen.

Eine Teilnehmerin meinte: „Selbst wenn da nur ein paar Schlümpfe rumgehüpft wären, hätte es schon gereicht – meine Augen brauchen irgendwas zu tun.“

Das heißt nun aber nicht, dass Audio im Web keine Berechtigung hat. Die Download-Zahlen von Podcast belegen deutlich: Audio im Web wird genutzt. Und zwar nicht nur über Abonnements per iTunes/RSS, sondern auch direkt auf der Website. Nur darf man eben nicht glauben, dass die Benutzer das Audio starten und dann brav abwarten, bis die Wiedergabe fertig ist. Wenn sie einen Text ganz hören wollen, haben wir bei den Nutzern drei Verhaltensmuster gefunden:

  • Die Wiedergabe wird gestartet, dann wird die Website in den Hintergrund geschickt und der Nutzer surft im Web, beantwortet E-Mails oder macht andere Dinge parallel.
  • Die Datei wird sofort per Download-Link auf den PC geladen und von dort per Quicktime/Media Player/Winamp o. Ä. sofort oder später abgespielt. Auch das Überspielen auf einen mobilen MP3-Player kommt vor.
  • Der Player auf der Website wird genutzt, um Qualität und Inhalt der Audiodatei zu prüfen. Entspricht beides den Erwartungen, wird die Datei ebenfalls heruntergeladen.

Was natürlich noch offen bleibt, sind vor allem zwei Fragen:

  1. Wie viel genau hören die Nutzer auf der Website an bzw. gibt es eine Länge, die Audio haben darf, die direkt auf der Website gehört werden soll?
  2. Wann hören die Nutzer die Dateien an, die sie heruntergeladen haben – und hören sie sie überhaupt an?

Die Frage nach der empfehlenswerten Länge lässt sich nur als Erfahrungswert angeben: wir gehen von etwas mehr als einer Minute aus. Aber das kann nur ein grober Richtwert sein – es kommt sehr stark darauf an, was der Nutzer sucht und wie gut das Audio ist.

Wir werden diese Frage aber weiter verfolgen. Wir arbeiten an einem frei verfügbaren Player, der protokolliert, wie das Audio genutzt wird. Mehr dazu unter dem weiterführenden Link am Ende des Newsletters.

Die zweite Frage, wann bzw. ob die heruntergeladenen Audiodateien angehört werden, lässt sich mit vertretbarem Aufwand kaum beantworten. In den Gesprächen mit den Nutzern bei Tests haben wir aber die Aussage gehört, dass Dateien, die manuell per Klick auf einen Link heruntergeladen wurden, fast immer angehört werden. Wenn der Inhalt gut ist, werden sie dann auch zu Ende gehört. Und von unseren Download-Statistiken wissen wir, dass die Audiodateien von Hunderten bis Zehntausenden von Benutzern heruntergeladen werden – und das würden sie nicht immer wieder tun, würden sie die Sachen nicht anhören.

Verbreiteter Player ungenügend

Ein weiteres Ergebnis unseres Tests war, dass die Player, mit denen Audio auf Websites eingebunden werden, nicht so unkompliziert sind, wie man meint.

Die Hälfte der Nutzer hatten den kleinen Player von 1PixelOut auf ihrer Testsite, die andere Hälfte den Audio-Player von Google. Beide sind weit verbreitet – insbesondere der kleine 1PixelOut-Player findet sich auf fast jeder Website für Audiopodcasts.

Bei unserem Tests haben nun 38 Prozent der Nutzer diesen Player nicht angeklickt, sondern den Download-Link darunter. Ein Nutzer sagte, als wir ihn nach dem Test fragten, wofür das schwarze Dreieck über dem Link stehe: „Wenn ich da draufklicke erwarte ich ein Popup mit dem Inhaltsverzeichnis von dem Audio, das ich gehört habe.“ Der Google-Player wurde dagegen von allen genutzt, die diesen auf der Website vorfanden.

Auf unserer Beispielsite waren die Links auffällig orange, der Link zum Download war auch recht lang. Dadurch war dieser Link natürlich besonders auffällig. Das Hauptproblem aber ist, dass der Play-Button des Players nicht aussieht wie ein Button. Es ist lediglich ein Dreieck  ohne Umrandung oder Schatten. Verstärkt wird das Problem dadurch, dass die Form, auf der er steht, weder rechteckig noch rund ist, sondern unregemäßig. Dieser Button hält sich somit nicht an die Konventionen, denen fast alle Buttons interaktiver Anwendungen folgen. Daher wird er von vielen Nutzern nicht als interaktives Element erkannt.

Ebenfalls 38 Prozent der Testteilnehmer mit diesem-Player beschwerten sich nach dem Test, dass sie während der Wiedergabe nicht gewusst hätten, wie lange das Audio dauert. Diese Information gibt der Player tatsächlich auch nicht an – man kann nur schätzen, wo man ungefähr ist, indem man die Position des Anfassers auf dem Verlaufsbalken ansieht. Beim Google-Player gab es hier auch keine Beschwerden.

Fazit: Der Player von Google ist empfehlenswert, der weit verbreitete von 1PixelOut dagegen nicht. Dieser stellt gerade für weniger erfahrene Nutzer eine unnötige Hürde dar. Auf Webseiten zu Podcasts sollen aber gerade auch diese Nutzer ja mit dem Player direkt auf der Seite gewonnen werden.

Links

www.content-crew.de/audioIA
Weitere Infos zum Test, PDF mit Zusammenfassung der Studie zum Download und die Texte zum Nachlesen bzw. Anhören
www.content-crew.de/interface
Details zum frei verfügbaren Player, den wir bei der Content Crew entwickeln
————————————————————————-
(c) Jens Jacobsen 2008

Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter Dezember 2008“).

————————————————————————-

Schreibe einen Kommentar