Newsletter 12/2005 – Dateiverwaltung – Projekte zähmen mit Digital Asset Management

Wir alle kennen solche Situationen aus leidvoller Erfahrung: Das Projekt ist fast fertig, doch irgendwie ist eine wichtige Datei verschwunden. Man ist sich ganz sicher, sie gestern Nacht noch abgespeichert zu haben, aber sie ist nicht mehr aufzufinden. Nur noch eine Version von letzter Woche ist auf dem Server. Ob man selber die Datei gelöscht hat, ein Kollege sie mit einer alten Version überschrieben hat, oder ob eine Kollegin sie versehentlich zu einem anderen Projekt verschoben hat, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Klar ist nur: die nächste Nacht wird man wieder vor dem Rechner verbringen, um die Arbeit nochmal zu machen und die Daten wieder auf den neuen Stand zu bringen.
Solche Dinge kommen umso öfter vor, je größer ein Projekt ist, je mehr Menschen daran arbeiten und je länger es läuft. Sie führen zu Stress, Streit, Mehrarbeit, Fehlern und nicht eingehaltenen Terminen. Niemand beschäftigt sich gern damit, Dateien zu verwalten. Aber es lohnt sich, sich dazu im Vorfeld ein paar Gedanken zu machen. Denn damit lassen sich solche Unannehmlichkeiten weitgehend vermeiden. Für die Praxis, Dateien professionell zu verwalten hat sich der Begriff Digital Asset Management (DAM) etabliert.

Was ist Digital Asset Management?

Falsch ist der Eindruck, Asset Management würde sich nur für große Firmen lohnen. Sobald an einem Projekt mehr als zwei Personen mitarbeiten, es länger als drei Monate dauert oder die Mitarbeiter nicht im selben Zimmer sitzen, lohnt sich DAM. Nachdem der Markt für große Firmen am lukrativsten ist, haben sich Hersteller und Berater zunächst auf diese konzentriert. Doch zunehmend merken auch kleine Web-Agenturen, Grafik-Betriebe und Animations-Studios, wie nützlich das professionelle digitale Managen von Assets sein kann.
Software-Hersteller erwecken gern den Eindruck, Digital Asset Management sei Software. Aber Sie können auch ohne spezielles Programm DAM betreiben. Der Begriff bedeutet nur, digitale „Werte“ zu organisieren.

Was ist ein Asset?

Ein Asset ist etwas, das einen Wert darstellt – bei interaktiven Projekten im Normalfall eine Datei. Diese muss etwas enthalten, was Sie auch verwenden dürfen. Sie müssen beispielsweise bei einem Foto die Rechte haben, es im Projekt einzusetzen, sonst ist es wertlos. Eine weitere wichtige Eigenschaft, die eine Datei zum Asset macht, ist eine Information über ihren Inhalt. Denn wenn Sie nicht wissen, was in einer Datei ist, ist sie nicht verwertbar. Die Information kann im Dateinamen enthalten sein („Foto_Karl_Klammer.jpg“) oder in Ihrem Kopf (Sie wissen, dass „DSC_0022.jpg“ das Foto von Karl Klammer ist).

Welche Vorgehensweise ist DAM?

Gutes Asset Management ist, wenn Sie Benennung und Ablage der Dateien planen, klare Regeln für alle Mitarbeiter aufstellen und sich alle daran halten – auch wenn es manchmal etwas umständlicher ist. Mittelfristig zahlt es sich aus. Ein typisches Problem ist, dass wenn der Stress gegen Projektende immer größer wird langsam immer mehr Dateien „…neu.tif“ und „…neu_neu.tif“ in Verzeichnissen auf dem Server landen, deren Namen genau so wenig aussagekräftig sind. Oder wenn „mal eben“ eine Zwischenversion auf dem lokalen Rechner erstellt wird, weil das Kopieren einer großen Datei auf den Server etwas länger dauert.
In solchen Fällen hilft eine Software, die alle Mitarbeiter zur Disziplin zwingt und ihnen im Gegenzug Routinearbeiten abnimmt.

Welche Software hilft bei DAM?

Keine Software erledigt Digital Asset Management für Sie, sie kann Sie dabei nur unterstützen. Denn was Sie mit den Daten anfangen, bleibt allein Ihnen überlassen. Für welches DAM-System Sie sich auch entscheiden, am Anfang müssen Sie stets Ihren Arbeitsablauf (gern „Workflow“ genannt) ganz genau planen und das System entsprechend einrichten.
Am häufigsten wird Asset Management mit dem Explorer bzw. Finder und Listen in Word, Excel oder OmniOutliner erledigt. Das ist am flexibelsten, aber auch am anfälligsten für Fehler.
Macromedia Dreamweaver bringt ein paar einfache DAM-Funktionen mit, die sicherstellen, dass immer nur ein Kollege an einer Datei arbeitet und man sich nicht gegenseitig Daten überschreibt. Für Web-Projekte ist das schon sehr hilfreich. Es gibt aber viele Arten von spezialisierter Software, auf die wir im Folgenden einen Blick werfen.

Softwaretypen

Nachdem DAM ein Feld ist, das zunächst vor allem von Unternehmensberatern und großen Firmen beachtet wurde, gibt es eine Unzahl von verschiedenen Begriffen und Abkürzungen, die jeder Hersteller, Berater und Anwender etwas anders verwendet. Diese alle zu erklären, würde einen ganzen Jahrgang des Newsletters füllen, daher hier nur eine kurze Erklärung der wichtigsten Arten von DAM, denen Sie immer wieder begegnen werden.

Bildkataloge und -Datenbanken

Die wohl bekannteste Art von DAM. Mit einem Bildkatalog haben Sie einfach Zugriff auf die Bilddateien auf Ihrer/n Festplatte/n. Eine Bilddatenbank dagegen verwaltet auch die Dateien auf der Festplatte und sorgt dafür, dass nichts verloren geht, ältere Versionen automatisch archiviert werden und keine Daten doppelt gespeichert werden.

Brand Asset Management (BAM), Dokument Management (DM) und Enterprise Content Management (ECM)

Mit diesen Schlagworten werben die Hersteller, die große Firmen als Kunden haben möchten. Die meisten Programme dieser Kategorien können mit allen Arten von Dateien umgehen – von einfachen Textdateien über E-Mails, HTML, Fotos und Spezialformaten. Sie gehen auch bei Hunderttausenden von Dateien oder Hunderten von gleichzeitigen Zugriffen nicht in die Knie. Dafür sind sie hoch komplex und teuer. Ohne Berater wird ein solches System selten installiert.

Web Content Management (WCM)

WCM-Systeme verwalten Inhalte für Websites. Es gibt ganz einfache Systeme, die nur dazu dienen, die Inhalte auf der Site bequem austauschen zu können und sehr aufwändige, die komplexe Arbeitsabläufe mit mehreren Runden von Erstellung, Bearbeitung und Freigabe unterstützen und automatisch Inhalte online stellen, ins Archiv verschieben oder wieder löschen.

Software Configuration Management (SCM)

Programmierer werden CVS oder Subversion kennen. Damit lässt sich Programmcode bequem im Team bearbeiten und alle sind immer auf dem aktuellen Stand.

(Production) Digital Asset Management (DAM), Media Asset Management (MAM)

DAM kann als Oberbegriff für alle Arten von Dateimanagement verwendet werden – so wie ich es tue. Manche verstehen darunter aber nur die Verwaltung von Medien-Daten wie Fotos, Video und Audio.
Production Digital Asset Management (ProdAM) unterstützt nicht nur die Organisation von bestehenden Dateien, sondern auch die Organisation von Dateien während deren Produktion. Das ist besonders dann nützlich, wenn an einer einzigen Datei mehrere Personen arbeiten oder wenn ein Kollege auf die Dateien von anderen weiterverarbeitet. Das ist zum Beispiel bei 3D-Animation oder der Produktion von Computerspielen sehr stark der Fall.

Was ist jetzt das Richtige für mich?

Obige Liste kann Ihnen bei der Orientierung helfen, welche Kategorie Sie näher unter die Lupe nehmen sollten. Die Auswahl eines DAM-Systems ist aber eine Menge Arbeit und will wohl überlegt sein. Erstens soll die Investition sich ja auch lohnen, zweitens bietet die Einführung von DAM die Chance, den eigenen Arbeitsablauf zu verbessern.
Deshalb habe ich zusammen mit meinen Kollegen Lisa Edwards und Tilman Schlenker das Buch „Implementing a Digital Asset Management System“ geschrieben. Es ist gerade bei Focal Press erschienen und zunächst nur auf Englisch erhältlich.
Da ich an dem Thema weiter dran bleibe, interessiert mich, wie Sie als Interaktiv-Profis Ihre Daten managen. Unter allen, die bei der Umfrage dazu mitmachen, verlose ich zwei Exemplare des druckfrischen Buchs. (Wer das Buch schon hat, bekommt wahlweise eine Flasche guten Rotwein!)
Zur Umfrage: https://www.benutzerfreun.de/umfrage/
Mehr zum Buch: https://www.benutzerfreun.de/konzepter-infos/DAM.html

PS: Die Umfrage zum Thema Blogs hat leider wegen zu geringer Teilnehmerzahl keine verwertbaren Ergebnisse gebracht. Vielleicht ist das Thema noch nicht reif?

Nachtrag vom 2.1.2006:
Auswertung der Umfrage unter den Newsletter-Abonennten

Die Teilnehmer der Umfrage bewerteten die Dringlichkeit des Themas Asset Management im Schnitt mit 6,4 von 10 Punkten, wobei die Werte stark schwankten (zwischen 1 und 9; Standardabweichung 2,2).

64 Prozent bezeichneten sich als Programmierer, 24 Prozent als Projektleiter.

Fast die Hälfte der Teilnehmer arbeiten mit Word und Excel, 12 Prozent setzten MS Project ein, 24 Prozent ein Code-Management-Tool wie CVS oder Subversion. Ein Bildkatalog kommt bei 40 Prozent zum Einsatz, ein Web Content Management System bei 36 Prozent. Ebenfalls 36 Prozent der Teilnehmer schließlich arbeiten mit einem selbst erstellten DAM-System.

Das wichtigste Kommunikationsmittel ist mit 88 Prozent E-Mail, gefolgt von Instant Messenger/Chat und „auf Zuruf“ mit jeweils 32 Prozent. Eine eigene Projekt-Site nutzen 24 Prozent der Teilnehmer, Papier immerhin 12 Prozent.

Interessant war die große Schwankungsbreite auch bei den Kommentaren zu den eingesetzten/möglichen Systemen. Manche Teilnehmer waren mit der herkömmlichen Arbeitsweise ganz zufrieden, manche wünschten sich lediglich etwas mehr Disziplin im Team bei der Benennung von Dateien. Teilweise kamen aber auch ausgewachsene DAM-Lösungen wie Subversion gekoppelt mit eigenen Erweiterungen oder Documentum zum Einsatz.

Je länger die Projekte durchschnittlich dauern und je mehr Personen mitarbeiten, umso wichtiger wurde DAM beurteilt. Das ist nicht verwunderlich, da sich die Probleme mit diesen beiden Faktionen potenzieren. Die Umfrage hat aber auch gezeigt, dass selbst bei  etlichen Teilnehmern, die nur kleine Projekte umsetzen, das Interesse an dem Thema groß ist – nur dass die Suche nach Lösungen bisher bei den meisten wenig befriedigend war. Hier sind Hersteller wie Berater gefragt, auch für solche Kunden DAM nutzbar zu machen.
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(c) Jens Jacobsen 2005

Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter Dezember 2005“).

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