Newsletter 11/2009 – Buchtipp: Texten für das Internet

Text ist der wichtigste Teil jeder Website. Und da mir Text besonders am Herzen liegt, musste ich wieder zugreifen und meine Bibliothek von Web-Büchern um diesen Titel ergänzen: „Texten für das Internet. Ein Ratgeber für den erfolgreichen Web-Auftritt“. Das Taschenbuch von Ulrike Grafberger und Thomas Hörner ist 215 Seiten dick. Es ist im Mai 2009 bei dtv erschienen und kostet 14,90 Euro.

Für wen schreibt man?

Der Ratgeber spricht alle an, die mit ihrer Website ein besseres Image, mehr Besucher oder höhere Verkäufe erreichen wollen – also praktisch alle Website-Betreiber. Dabei bleiben die Autoren immer eng beim Thema. Technische Details, Hinweise zur Gestaltung oder zum Projektablauf ersparen sie dem Leser. Auch die Hinführung zum Thema ist erfreulich kurz. Wobei man sich die ersten 20 Seiten trotzdem sparen kann.

Mit dem zweiten Kapitel fängt es aber an, interessant zu werden. Nach ganz wenig Theorie, die hier gut passt, geht es gleich los mit der Wirkung verschiedener Schreibstile. Und, ganz wichtig, die Autoren stellen gleich an den Anfang die Frage:

Was ist eigentlich das Ziel meines Textes, den ich gerade schreiben will?

Als Nächstes kommt die Frage nach der Zielgruppe. Für wen will ich schreiben? Im Buch folgen Tipps und Besonderheiten für jede Zielgruppe:

  • Kinder
  • Jugendliche
  • Erwachsene
  • Ältere Menschen
  • Business-to-Business

Letzteres ist eigentlich keine Zielgruppe, aber trotzdem muss man anders formulieren, wenn man sich an Geschäftskunden richtet, nicht an Endverbraucher.

Schreibtipps

In den nächsten Kapiteln folgen jede Menge Tipps zum Schreiben besserer Texte. Zum Beispiel, dass man „sprechende“ Links texten sollte. Vermeiden Sie also Links mit dem Titel „mehr“, „weiter“ oder „hier“.
Die Autoren schlagen vor, die Links von jemandem unbeteiligten testen zu lassen. Man legt ihm nur die Linktexte vor und fragt ihn, was er dahinter vermutet. Ein schöner, weil unkomplizierter Ansatz.

Keine leeren Phrasen, keine Worthülsen.

Abgedroschene Phrasen und Worthülsen verpuffen nutzlos. Die Autoren bleiben nicht dabei stehen, Marketinggewäsch zu verbieten. Sondern sie raten auch, alle Angaben zur Firma oder zu deren Angebot zu hinterfragen. Ein Beispiel:
„Wir bieten eine große Auswahl.“ Klingt erst mal in Ordnung. Doch was heißt „groß“? Kann man das mit Zahlen belegen? Sonst muss der Besucher der Site das einfach glauben. Und nachdem auf jeder Site steht, dass die Auswahl groß ist, ist die Aussage entwertet.

Nach diesem Muster geben die Autoren Tipps zum Auffinden weiterer häufigen Worthülsen und dafür, wie man sie vermeidet.

Kurz sollen sie sein

Das gilt für die Texte wie auch für die Wörter. Wut, Spaß, Kraft – je kürzer ein Wort, desto wirkungsvoller. Die Autoren geben zu, dass manche Wörter sich nicht durch kürzere ersetzen lassen. Aber sie raten, statt „Räumlichkeiten“ lieber „Räume“ zu zeigen oder statt „Unkosten“ besser „Kosten“ zu vermeiden.

Bemerkenswert finde ich auch den Tipp, Zahlen lieber nicht auszuschreiben. Im Journalismus lernt man noch, dass Zahlen bis zwölf ausgeschrieben werden. Aber für das schnelle Überfliegen von Texten im Web ist es tatsächlich besser, auch die Zahlen von 1 bis 12 als Ziffern zu schreiben.

Suchmaschinen-Optimierung

Gleich am Anfang des Buches thematisieren Grafberger und Hörner die Problematik, dass Seiten einerseits so geschrieben werden sollten, dass sie gut lesbar sind – und Seiten andererseits so geschrieben werden sollten, dass Suchmaschinen sie in den Trefferlisten weit oben einsortieren.
Diesen Spagat erwähnen sie immer wieder, und es ist schön, wie undogmatisch sie dabei sind. Man merkt, dass hier Menschen schreiben, die gute Texte machen wollen und keine Suchmaschinen-Optimierer. Dennoch erklären die Autoren immer, worauf man achten muss, dass zum Beispiel die Keyword-Dichte so ist, dass die Suchmaschinen eine Seite als relevant für ein bestimmtes Schlagwort (Keyword) erkennen.

Gut gefällt mir auch, dass die Autoren z. B. sogar darauf eingehen, welchen Einfluss der Satzbau auf die Platzierung bei den Suchmaschinen hat.

Schattenseiten

Leider bin ich aber mit einigen Stellen im Buch nicht einverstanden. Dabei muss ich dazu sagen, dass ich natürlich nicht unbefangen bin – als Kollege neigt man ja dazu, überkritisch zu sein.

In fünf Zeilen kommt dreimal das Wort „natürlich“ (S. 36). Ein Blähwort, das man natürlich [!] vermeiden sollte. Das fällt mir besonders auf, weil ich selbst ständig gegen die Blähworte kämpfe, die sich in meine Texte einschleichen… Aber bei einem Buch, das gute Texte als Thema hat, ist der Anspruch an die Texte extrem hoch.

Ein weiterer Punkt: Die Autoren zitieren die angebliche Studie der Uni Cambridge, die seit Jahren durch das Web geistert (S. 41):

Afugrnud enier Sduite an enier Elingshcen Unvirestiät ist es eagl, in wlehcer Rienhnelfoge die Bcuhtsbaen in eniem Wrot sethen, das enizg wcihitge dbaei ist, dsas der estre und lzete Bcuhtsbae am rcihgiten Paltz snid.

Schon 2003 wurde klar, dass diese Studie so nie durchgeführt wurde. Das findet man auch mit einer schnellen Web-Recherche heraus (z. B. bei der Wochenzeitung „Die Zeit“).
Außerdem greift die angebliche Studie zu kurz. Folgender Text wurde ebenfalls nach diesen Regeln bearbeitet und ist nur mit deutlich mehr Mühe lesbar:

Die (nihct mher) aeeklltun ct (0/02229) hat mien bcuh „beeeiikn-noopsttwz“ bceehoprsn. Und, wie ich fdine, sher piiostv gnaz im sitl der zcefhiirstt ist die bceehnprsug ncehrtün und fssat gut zaemmsun was im bcuh sehtt und für wen es ggnieeet ist.

Zum nächsten Punkt: Den Begriff „inverted pyramid“, also die umgedrehte Pyramide, schreiben die Autoren Jakob Nielsen zu (S. 77). Der hat zwar viele Dinge geprägt, diesen Begriff aber sicher nicht – der ist deutlich älter als Nielsen. Er stammt aus dem Journalismus, denn nach diesem Prinzip – das Wichtigste zuerst – sind Zeitungsartikel seit weit über hundert Jahren aufgebaut.

Das Buch zitiert die „Drei-Klick-Regel“: Nicht mehr als drei Klicks sollte ein Benutzer brauchen, um die gesuchte Information zu finden. Dass das viel zu kurz greift, hat spätestens Steve Krug 2000 mit seinem Buch „Don’t make me think!“ gezeigt. Es kommt darauf an, ob dem Benutzer auf jeder Seite sofort klar ist, was er anklicken muss. Die absolute Zahl der Klicks spielt eine vollkommen untergeordnete Rolle.

Als Beispiel für eine gute Newsletter-Betreffzeile nennt das Buch: „Gewinnen Sie ein Genuss-Wochenende“ (S. 166). Wenige Zeilen davor, auf derselben Seite, wird vor Begriffen im Betreff gewarnt, die E-Mails mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Spam-Ordner befördern – „gewinnen Sie“ ist m. E. genau so ein Begriff.

Fazit

Bei manchen Aussagen der Autoren hat man das Gefühl, dass sie zu sehr Texter und zu wenig Web-Profis sind. Die Bemerkungen zu Benutzerfreundlichkeit scheinen mir nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Sieht man davon ab, ist das Buch ein leicht zu lesender Ratgeber dafür, wie man ordentliche Texte schreibt, die für Leser wie für Suchmaschinen funktionieren. Wer gern Englisch liest, ist mit „Letting Go of the Words“ (im Newsletter 09/2007 besprochen) besser bedient, wobei „Texten für das Internet“ im Bereich Suchmaschinenoptimierung besser abschneidet.

Das letzte Wort haben die Autoren Ulrike Grafberger und Thomas Hörner, denen ich mich nur anschließen kann:

„Schnell mal einen schönen Text schreiben“ genügt nicht für erfolgreiche Internettexte.

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