Newsletter 10/2007 – Konzentration aufs Wesentliche – Long Tail und Long Neck

Nicht nur wer Waren auf seiner Website verkauft, will mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel mit seinen Seiten bewirken. Daher ist es lohnend, sich mit zwei Begriffen auseinanderzusetzen, die eigentlich aus der Statistik kommen, aber vor allem im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang diskutiert werden: „Long Tail“ und „Long Neck“.

Der „Long Tail“

Chris Anderson, Chefredakteur des US-amerikanischen Technologie-Magazins „Wired“ prägte den Begriff des „Long Tail“, des langen Schwanzes. Um diesen zu sehen, sortieren Sie Produkte, Themen oder HTML-Seiten nach abnehmender Häufigkeit ihrer Nachfrage. In der grafischen Darstellung ergibt sich eine Kurve, die weit oben beginnt, schnell stark abfällt und nach rechts langsam ausläuft. Sprich, einige wenige Sachen werden stark nachgefragt, dann sinkt die Nachfrage sehr schnell und läuft in einem langen Schwanz aus – bis sie schließlich Null erreicht. Die Kurve sieht als Ganzes dann fast aus wie ein Viertelkreis, und dessen letztes Drittel etwa ist dann eben der Lange Schwanz.

Verdienen mit dem Long Tail

Der Vertrieb über das Internet hat es möglich gemacht, mit Produkten des Long Tail Geld zu verdienen. Das heißt, mit Produkten, die nur selten nachgefragt werden.

Eine reale Buchhandlung zum Beispiel kann immer nur ein begrenztes Sortiment anbieten. Zum einen lohnt es sich nicht, Platz in guter Verkaufslage für Bücher zu nutzen, die nur höchst selten gekauft werden. Zum anderen wird es für die Kunden immer schwieriger, ein bestimmtes Buch in einem Laden zu finden, der sehr viele Bücher vorrätig hat.
Anders bei Webbuchhändlern: diese können Bücher sehr kostengünstig lagern, Spezialtitel anzubieten ist kaum Aufwand und dank interner Suchmaschinen für die Website sind sie auch leicht zu finden.

Dadurch verdienen Webshops mit vielen Produkten, die selten verkauft werden so viel wie mit den wenigen Dingen, die sich am besten verkaufen. Das lässt sich bei Büchern, bei Musik wie bei vielen anderen Produkten beobachten.

Der „Long Neck“

Der Usability-Berater Gerry McGovern hat in Anlehnung an den Begriff des „Long Tail“ den Begriff „Long Neck“, des Langen Halses, geprägt. Damit beschreibt er den Anfang der Kurve, welche die Nachfrage nach Produkten beschreibt. Ein paar wenige Produkte sorgen für eine erhebliche Nachfrage.

Damit versucht McGovern die Diskusion wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Bei aller Faszination darüber, dass man dank Internet jetzt auch unzählige Spezialinteressen abdecken kann und damit Geld verdient, trotz allem sollte man im Blick haben, dass nach wie vor die Dinge, die am meisten Menschen interessieren am wichtigsten sind.

Letztlich ist der Long Neck nur eine Abwandlung des „Pareto-Prinzips“, auch unter „80-zu-20-Regel“ bekannt. Es besagt, dass sich viele Dinge zu 80 Prozent erledigen lassen, indem man nur 20 Prozent der Mittel einsetzt. Oder dass 20 Prozent der Bevölkerung 80 Prozent des Vermögens besitzen.

Verdienen mit dem Long Neck

McGovern sagt:

„Fünf Prozent Ihrer Website generieren 25 Prozent des Wertes Ihrer Site.“

Auf diese fünf Prozent sollten Sie besonders achten. Denn Ihre Mittel sind fast immer begrenzt – Ihre Zeit, Ihre Konzentration, Ihr Geld, das Sie in Ihre Site stecken können. Daher sorgen Sie erst dafür, dass die wichtigsten fünf Prozent der Seiten so gut wie möglich sind. Dann können Sie sich auf die vielen Spezialthemen stürzen. Natürlich wäre es optimal, wenn jede Site nur Seiten enthielte, die optimal auf die Bedürfnisse ihrer Besucher abgestimmt sind und gleichzeitig ihren Betreibern optimal helfen, ihre Ziele zu erreichen. Aber in der Realität ist das nie so. Deshalb beginnen Sie dort, wo es sich am ehesten lohnt.
Und je mehr Sie Ihr Angebot vergrößern, desto wichtiger wird es, sich über die Informations-Architektur, über die Navigation und über die Suche Gedanken zu machen. Sonst decken Sie vielleicht den Long Tail hervorragend ab, aber niemand findet diese Dinge.

Wichtig ist dabei auch: im Web können Sie jeden ansprechen. Aber leider nur theoretisch. Denn wenn Sie das versuchen, werden Sie letztlich fast niemanden ansprechen. Ihre Site muss von der Gestaltung, von der Sprache und von der Bedienung her zu Ihrer Zielgruppe passen. Wollen Sie z.B. Computerspiele verkaufen, wird Ihre Site ganz anders aussehen, als wenn Sie Klassische Musik verkaufen.

Sie können es machen wie Amazon und beides versuchen. Das geht, dann werden aber sowohl Computerspiele wie auch Klassische Musik bei Ihnen wohl zum Long Tail gehören – d.h. Sie werden von beidem wenig verkaufen.

Fazit

Stärken Sie den Long Neck: Optimieren Sie die fünf Prozent Ihrer Seiten, die für die Benutzer am wichtigsten sind – und die fünf Prozent, mit denen Sie am meisten Wert erzeugen.

Nutzen Sie den Long Tail: Wo immer möglich, erweitern Sie Ihr Angebot um Informationen oder Produkte, die nur Wenige interessieren. Achten Sie aber unbedingt darauf, dass dadurch vor allem die häufiger nachgefragten Infos bzw. Produkte weiterhin so einfach wie möglich zugänglich sind.
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(c) Jens Jacobsen 2007

Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter Oktober 2007“).

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