Newsletter 09/2007 – Text für Websites – Buchtipp: Letting Go of the Words

Unter dem Titel „Letting Go of the Words“ ist vor kurzem ein Buch erschienen, das sich ganz mit dem Texten fürs Web befasst. Anders als darin behauptet, ist es nicht das erste, aber es ist sicher das umfassendste und derzeit beste Buch zu dem Thema.

Der Titel „Letting Go of the Words“ beschreibt den Inhalt nicht besonders gut – es geht nicht nur darum, Texte zu kürzen. Der Untertitel – „Writing Web Content that Works“ ist schon etwas besser, greift aber auch noch zu kurz. Vielmehr geht es in dem Buch um die gesamte Konzeption und Produktion von Websites, nur mit dem Fokus auf die Inhalte, vor allem auf den Text.

Für die Nutzer schreiben

Die Autorin Ginnny Redish betont, wie wichtig es ist, für die Nutzer zu schreiben – das kann man nicht oft genug tun. Sie erklärt auch, wie man das am besten angeht durch eine gründliche Analyse der Nutzerbedürfnisse und mit Hilfe von Personas. Personas sind Portraits prototypischer Benutzer, die es allen im Team leichter machen, für die späteren Benutzer der Website zu arbeiten.

Websites nicht für Marketing missbrauchen

Benutzer kommen auf die meisten Websites, um Informationen zu finden. Wenn ihnen das schnellstmöglich gelingt, ist das das beste Marketing. Versuchen Sie nicht, durch bunte Bilder, aufwändige Animationen oder scheinbar geschliffene Texte die Benutzer zu beeindrucken.

Dabei berücksichtigt die Autorin in ihrem Buch durchaus die Wichtigkeit der Marke und des „Branding“. Sie erklärt auch, wie man passend zur Marke formuliert.

Das Wichtigste zuerst

Auf Informationsseiten müssen Sie die wichtigsten Information als allererstes bringen. Vergessen Sie Einleitung, Einführung und alles andere, was in den USA wie im deutschsprachigen Raum in der Schule über die Gliederung von Texten gelehrt wird.

Kürzen, kürzen und nochmal kürzen

Ein großer Teil des Buchs zeigt, wie gute Web-Texte aufgebaut und geschrieben werden. Dabei wiederholt Redish nicht einfach die Forderung, dass die Texte kurz sein müssen. Vielmehr gibt sie differenzierte Tipps für Startseiten, für Seiten, die zu vertiefenden Inhalten führen und für Inhaltsseiten.

Sie erklärt sehr anschaulich, wie man in Inhaltsblöcken denkt, statt in Dokumenten. Damit bringt sie den wesentlichen Unterschied zwischen traditionellen Print-Dokumenten und Web-Texten sehr anschaulich zum Ausdruck.

In eigenen Abschnitten beschäftigt sich das Buch auch mit Pressemitteilungen, juristischen Texten und so genannten Styleguides.

Übersichtlich gliedern & formatieren

Ein ganzes Kapitel des Buchs widmet sich dem Thema Listen und Tabellen. Auch finden sich Tipps zum Umgang mit Weißraum für die übersichtliche Gestaltung und die Wahl der richtigen Schrift.

Fazit

Nur zwei Kritikpunkte habe ich: Die Beispiele von Websites sind zwar gut gewählt und zeigen deutlich, worauf es ankommt. Für ein Buch, das 2007 erschienen ist, sehen die Abbildungen aber teilweise ziemlich alt aus. Das tut dem Inhalt zwar keinen Abbruch, aber dennoch macht das Anschauen dadurch etwas weniger Spaß als es könnte. Nicht wenige Screenshots machen den Eindruck, als seien sie schon vor vier, fünf Jahren aufgenommen. Wie gesagt, dem Inhalt tut das keinen Abbruch, dem visuellen Vergnügen aber schon.

Der zweite Kritikpunkt kann auch ein Lob sein: Das Buch ist viel zu lesen. Auf 365 Seiten finden sich Tipps über Tipps. Redish kennt sich aus mit Usability-Tests und den wesentlichen Methoden des Nutzerzentrierten Designs. Daher kann sie die wichtigsten Hintergründe aus diesen Bereichen vermitteln – sehr nützlich für alle, die hier noch nicht so viel Erfahrung haben. Und für alle, die gute Argumente brauchen, um ihr Vorgehen für das Schreiben von gutem Text im Web zu rechtfertigen.

Allerdings ist die Textmenge für alle, die wenig Zeit haben, überwältigend. Aber dennoch ist es gut, so ein Buch in Griffweite zu haben, dann kann man für den jeweiligen Projektschritt relevante Kapitel bei Bedarf nachlesen.

Fast 30 Seiten sind beispielsweise dem Thema Überschriften gewidmet. Das mag zunächst übertrieben scheinen, aber die Tipps sind auch für erfahrene Web-Schreiber durchaus wertvoll. Es geht hier zum Beispiel nicht nur darum, dass Zwischenüberschriften zur Gliederung des Textes wichtig sind. Es ist vielmehr auch erklärt, wann man Überschriften am besten als Frage formuliert, wann als Aussage. Oder wie man Überschriften nutzt, um Texte schon beim Schreiben sinnvoll zu gliedern.

Abschließend die Meinung des bekannten Kollegen Jakob Nielsen zu dem Buch:

„Ich empfehle, Sie lesen jedes Wort, damit Sie herausfinden warum die Besucher Ihrer Website nicht viele Wörter lesen – und was Sie dagegen tun können.“

Links

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(c) Jens Jacobsen 2007

Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter September 2007“).

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1 Gedanke zu „Newsletter 09/2007 – Text für Websites – Buchtipp: Letting Go of the Words“

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