Newsletter 09/2002 – E-Learning – Überlegungen zur Planung

E-Learning wächst. Nachdem klar ist, dass Ausbildung und lebenslanges Lernen essentiell sind, wird dafür in der stagnierenden Multimedia-Branche noch immer Geld ausgegeben. Nach anfänglicher Euphorie in der Frühzeit der Computer hatte sich zunächst Enttäuschung breit gemacht, da viele Menschen schlechte Erfahrungen mit unprofessionellen E-Learning-Systemen gemacht haben.

Doch inzwischen hat sich herumgesprochen, dass E-Learning eine gute Sache sein kann. Sie führt weder zur Vereinsamung, noch ersetzt sie den persönlichen Kontakt. Nicht alles ist mit E-Learning möglich, aber viele Dinge lassen sich damit genau so gut oder sogar besser erreichen als mit traditionellen Methoden.

In diesem Newsletter finden Sie ein paar grundsätzliche Überlegungen zum Thema. Möchten Sie jedoch richtig einsteigen und professionelle Lernanwendungen entwickeln, sollten Sie zu Fachliteratur greifen (siehe Links auf www.benutzerfreun.de/links_literatur/elearning.html).

Wie bei jedem Projekt ist die richtige Planung bei E-Learning-Anwendungen die Grundlage für den Erfolg. Doch es gibt spezielle Dinge zu beachten:

Ziel definieren

Definieren Sie so genau wie möglich, was Sie erreichen möchten. Welche Fähigkeiten sollen die Teilnehmer nach der Schulung haben, welches Wissen besitzen?

Ist das Ziel mit E-Learning erreichbar?

Stellen Sie sich immer zuerst die Frage, ob Sie Ihr Ziel mit E-Learning erreichen können. Motorische Bewegungsabläufe kann man nicht mit E-Learning schulen, soziale Fähigkeiten wie Gesprächskompetenz nur schwer. Wissen lässt sich dagegen gut vermitteln, und oft auch einüben und bei praktischen Übungen vertiefen.

Zielgruppe definieren

Wer soll teilnehmen? Welche Voraussetzungen bringen die Teilnehmer mit? Haben sie einen einheitlichen Wissensstand und eine vergleichbare Motivation? Wie viele Teilnehmer gibt es?

Zeitraster festlegen

Wie lange sollen sich die Teilnehmer pro Tag, pro Woche und pro Monat mit der Anwendung beschäftigen? Über welchen Zeitraum erfolgt das Training? Arbeiten die Teilnehmer gleichzeitig oder jeder zu unterschiedlichen Zeiten?

Umfeld bestimmen

In welchem Umfeld lernen die Teilnehmer? Im Großraumbüro, im Einzelbüro, Unterwegs oder zu Hause?

Umsetzungskonzept

Technische Mittel festlegen

Mit welchen Programmen wird das Projekt umgesetzt? Welche Anforderungen werden (bei online-Lösungen) an den Server gestellt? Welche Anforderungen muss der Benutzer-PC erfüllen?

Realistische Ziele setzen

Wählen Sie die Lernziele realistisch. Sehen Sie kleine Häppchen von 15 bis maximal 30 Minuten vor, – das motiviert, weil man immer wieder Etappenziele erreicht.

Zeitaufwand deutlich machen

Machen Sie am Anfang klar, wie viel Zeit der Teilnehmer investieren muss – für das gesamte Programm, für das aktuelle Kapitel und für die heutige Lektion.

Hilfestellung geben

Bieten Sie immer Hilfen an, damit niemand frustriert aufgeben muss.

Qualifiziertes Feedback

„Falsch!“ ist als Antwort ungenügend. Helfen Sie den Lernenden, die richtige Antwort zu finden, oder verraten Sie ihnen wenigstens, was richtig ist und warum ihre Antwort falsch war.

Orientierung geben

Sorgen Sie dafür, dass der Teilnehmer immer weiß, wo er gerade ist und wie viel er noch vor sich hat. Die Motivation geht bald verloren, wenn man vor einem nicht einzuschätzenden Pensum steht und kein Ende abzusehen ist.

Echte Interaktivität

Die große Stärke von E-Learning ist, dass es anders als Bücher interaktiv sein kann. Nutzen Sie das. Ein Klick auf „Weiter“ oder ein bloßes Auswählen eines Links (Themas) zählen nicht – das entspricht dem Umblättern oder das Aufschlagen einer bestimmten Seite.

Abwechslung

Natürlich dürfen Sie Text verwenden, aber nicht zu viel am Stück. Denken Sie an

passiv:

  • Animationen

  • Videos

  • Sprechertexte

aktiv:

  • Simulationen

  • Multiple-Choice-Quiz (wohldosiert einsetzen!)

  • Zuordnungsübungen

  • Spiele (Geschicklichkeitsspiele, Ratespiele, Suchspiele…)

Lernfortschritt

Halten Sie den Teilnehmer immer auf dem Laufenden über seinen Lernfortschritt.

Belohnung

Die zuvor erwähnte Abwechslung kann auch Belohnung sein – etwa ein Spiel am Ende einer Lektion. Loben Sie beim Erreichen von Zwischenzielen (aber nicht anbiedern!). Zum Abschluss bietet sich ein Diplom zum Ausdrucken an oder eine echte Belohnung – falls der Auftraggeber dazu bereit ist.

Soziales Lernen

Vergessen Sie die soziale Komponente nicht. Das schafft Motivation und verbessert den Lernerfolg.

Denken Sie an

  • eine Möglichkeit, Dozenten per E-Mail zu kontaktieren

  • Diskussionslisten (Mailinglisten), alternativ Foren oder Newsgroups

  • Chats (nur für Teilnehmer oder moderiert von einem Dozenten)

  • Live-Verbindungen per Headset oder Webcam

  • Gemeinsam genutzte Anwendungen (Zeichenflächen oder ganze Programme, bei denen ein Dozent den Teilnehmer „an die Hand nimmt“ und mit ihm alle Schritte im Programm durchführt)

Mögliche Tätigkeiten für die soziale Interaktion sind:

  • Vorlesungen

  • Praktische Vorführungen

  • Gemeinsames Durchführen von Aufgaben

  • Diskussionen

  • Brainstorming

  • Rollenspiele

Kontaktmöglichkeiten, Support und Feedback

Sehen Sie eine für die Benutzer möglichst einfache Möglichkeit vor, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, wenn sie Probleme haben oder Verbesserungswünsche bzw. Beschwerden loswerden wollen. Hat der Benutzer ein Ventil für seinen Ärger, ist das nur noch halb so schlimm. Außerdem bekommen Sie dadurch wertvolle Informationen zur Verbesserung Ihrer Anwendung.

————————————————————————-
(c) Jens Jacobsen 2002

Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter September 2002“).

————————————————————————-

Schreibe einen Kommentar