Newsletter 08/2005 – Wahlkampf im Web

Wahlkampf im Web

Trotz Sommerloch kommt der Wahlkampf langsam in Schwung. Nachdem die Parteien in einem harten Wettbewerb um die Gunst von uns Wählern kämpfen, sollte man von ihren Websites einiges lernen können.

Klar, dass bei politischen Themen immer auch die persönliche Überzeugung eine Rolle spielt. Ich habe versucht, objektiv zu sein, die inhaltlichen Aussagen nicht zu bewerten und mir jede Ironie zu verkneifen. Wie immer gilt: Sie dürfen gern anderer Meinung sein, ich freue mich aufs Diskutieren mit Ihnen!

Bewertungskriterien

Ich habe nur die Websites der Parteien bewertet, die derzeit im Bundestag vertreten sind. Außerdem habe ich die Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit hinzu genommen.

Ich habe die Sites am 27.7. besucht, inzwischen hat sich schon einiges geändert. Daher finden Sie hier Screenshots der Startseiten: www.benutzerfreun.de/newsletter/zusatz/2005_08_screens.html

Um ein Monsterprojekt zu vermeiden, habe ich mir ausschließlich die Startseiten angesehen. Grobe Bewertungskriterien waren:

  • Erster Eindruck/Grafische Anmutung
  • Umgang mit dem Bildschirmplatz
  • Navigation

Im Folgenden eine kurze Beschreibung der Startseiten. Am Ende des Newsletters ein kurzes Fazit mit Vergleich.

Ergebnisse

Die Ergebnisse sind nach der Zahl der Abgeordneten sortiert, mit der die Parteien im aktuellen Bundestag vertreten sind.

SPD – www.spd.de

Die Seite wirkt großflächig und klar. Rot ist die dominierende Farbe, sie wirkt aber nicht zu aufdringlich.

Ein provokantes Bild/Banner oben nimmt über die Hälfte der Seite ein; in der Mitte der Seite steht prominent der Slogan „Vertrauen in Deutschland.“

Bei einer Fenstergröße von 800 x 600 Pixeln ist ein Teil des Textes oben sowie ein paar Kästen rechts angeschnitten. Die Navigation ist immer erreichbar, der Hauptinhaltsbereich unten ist ohne horizontales Scrollen vollständig lesbar.

In der unteren Seitenhälfte sitzen links und rechts je eine Navigationsleiste. Die Kriterien für die Auswahl der Punkte links erschließen sich nicht direkt (Aktuelles, Kampagne, Unterstützer, Wahlmanifest, Themen, Presse).

Rechts stehen vor den Navigationspunkten wenig nützliche Symbole. Die Einträge sind klarer, nur der Punkt „Image Shop“ scheint seltsam.

Die Seite ist recht lang – etwa ein Vierfaches der Höhe bei 800 x 600 Pixeln.

Im Hauptinhaltsbereich unten stehen v.a. Fotos von Menschen mit Teasertexten.

Rechts finden sich Eigenwerbung-Banner und Links zu Schlagworten wie Arbeitsmarktreform und Bürgerversicherung.

CDU – www.cdu.de

Die Seite wirkt aufgeräumt und gut strukturiert. Weiß, Graublau und Orange dominieren – auch bedingt durch das Foto mit orange Hintergrund und der orange Krawatte des darauf zu sehenden Hrn. Kauder; Das (früher) typische CDU-Blau findet sich kaum.

Das Foto nimmt ca. drei Viertel der Seite bei 800 x 600 Pixeln Fenstergröße ein.

Der Slogan steht relativ klein, aber gut sichtbar ganz oben („Deutschlands Chancen nutzen.“).

Bei 800 x 600 ist nichts Wesentliches abgeschnitten.

Links steht eine knappe Navigation mit etwas willkürlich gewählten Begriffen (Home, Programm, Spenden, CDUnet, Newsletter) – “Home” ist auf der Startseite überflüssig, “CDUnet” unklar. Unter dieser Navigation steht der Link www.CDU.de – ein weiterer, nicht nötiger Link auf die aktuelle Seite.

Horizontal die Navigation zu den wesentlichen Inhalten (z.B. Arbeit, Wirtschaft, Bildung). Das ist übersichtlich, gut zu finden und leicht verständlich.

Der restliche Bereich ist mit größeren Teasern genutzt. Die Seite ist nur wenig größer als ein Bildschirm mit 800 x 600 Pixeln.

CSU – www.csu.de

Die Seite wirkt ordentlich, Blau ist vorherrschend. Ein Drittel nimmt eine etwas verspielte Flash-Animation ein, auf der Lichtreflexe, der Termin für die Wahl, „Zeit für den Wechsel“  und eine Deutschlandfahne vor einem angedeuteten Rautenmuster erscheinen; nach 15 Sekunden taucht Edmund Stoiber auf.

Die Navigation ist sehr klar, es gibt nur die Wahl zwischen den Einträgen “Kernpunkte”, “Kandidaten” und “Aktuelles” sowie sehr zurückgenommen die Punkte “Mitglied werden”, “Online Spenden”, “Unterstützer-Team” und “Newsletter”.

Im Hauptinhaltsbereich stehen nur drei Teaser mit sehr großen, flächigen Bildern. Sie sind etwas groß geraten, wie auch das Banner oben.

Der insgesamt großzügige, aufgeräumte Eindruck wird von den lebendigeren Bannern mit Eigenwerbung rechts etwas gebrochen. Diese sind bei 800 x 600 Pixeln fast ganz verdeckt, wesentliche Inhalte sind aber immer ohne horizontales Scrollen sichtbar.

FDP – www.fdp.de

(Nach Redaktionsschluss wurde die Site grundlegend überarbeitet. Vergleichen Sie die Version auf www.benutzerfreun.de/newsletter/archiv/2005_08_screens.html mit der unter www.fdp.de! Der folgende Text bezieht sich auf die alte Version.)

Der erste Eindruck ist etwas kleinteilig, Blau, Orange und Gelb sind die dominierenden Farben.

Der Platz oben ist nicht optimal genutzt. Der Slogan „Deutschland wechselt – Wechseln Sie mit“ wirkt durch das vorangestellte „Liberaler Fokus:“ etwas schwerfällig und zu groß. Die animierte Aufforderung zum Anklicken des Slogans ist zwar klein, aber dennoch etwas irritierend.

Das Menü links wirkt aufgeräumt. Allerdings sind die Punkte scheinbar willkürlich ausgewählt (News-Feed, Partei, Fraktion, Europa, Stiftung, JuLis, Home). Die Icons daneben sehen gequetscht aus und tragen zur Unruhe auf der Seite bei.

Die Seite passt ganz auf 800 x 600; allerdings wird sie in einem größeren Fenster auch in dieser Größe angezeigt.

Am rechten Rand der Seite stehen Eigenwerbungs-Banner. Die Kombination aus unterschiedlich eingefärbten Quadraten, Text in Großbuchstaben und darunter bunten Bannern, die ebenfalls viel Text enthalten, ist nicht besonders geglückt. Es entsteht ein unruhiger Eindruck, es konkurrieren zu viele starke Reize um den Klick des Besuchers.

Warum in diesem Bereich Links zu “400 Kreditkarten im Test”, “Sparen beim Handytarif” oder “Das 1×1 der Lebensversicherung” zu finden sind, ist unklar.

Im Hauptinhaltsbereich finden sich gut lesbare, relativ lange Teaser mit Text und Bildern.

Grüne – www.gruene.de

Die Anmutung der Seite ist übersichtlich und etwas technisch. Grün herrscht vor. Die Fotos der Personen sind seltsam entfärbt, was den technischen Eindruck der Seite noch verstärkt.

Die Navigation links ist klar strukturiert, die Einträge sind weitgehend nachvollziehbar ausgewählt, nur der Punkt “Ältere Meldungen” fällt etwas aus der Reihe.

Rechts stehen bunte Eigenwerbungs-Banner, die auf 800 x 600 nur leicht angeschnitten zu sehen sind. Das Sonnenblumen-Symbol/Logo der Grünen ist bei dieser Bildschirmauflösung erst nach horizontalem Scrollen sichtbar.

Im Hauptinhaltsbereich findet man Teasertexte mit Fotos von Personen und Illustrationen.

PDS – pds-online.de

Auf den ersten Blick wirkt die Seite etwas unübersichtlich, da sehr viele kleine Kästen mit unterschiedlichen Schriften ins Auge springen. Die Seite ist ganz in Weiß und Rot gehalten.

Rechts stehen gleich zwei Spalten mit Teaserkästen und zum Teil blinkenden Bannern. Dabei erstaunlicherweise nicht nur Eigenwerbung und Werbung für das Neue Deutschland, sondern tatsächlich auch Werbung für ein Hotel.

Die Navigation ist sehr übersichtlich in einer angenehm gestalteten Reiterleiste untergebracht. Für die Unterthemen gibt es eine Unterleiste, die auch gut gelöst ist.

Verwirrend allerdings sind die Links in der rechten Spalte. Man glaubt zunächst an eine  Dopplung, beim genauen Studieren stellt man fest, dass dies externe Links sind.

Ein vergleichsweise kleines Foto steht links auf halber Höhe der Seite. Von der Qualität her ist es mittelmäßig, so dass  Gregor Gysi nur bei näherem Hinsehen zu erkennen ist.

Im Inhaltsbereich links knappe Teaser mit reinem Text.

WASG www.w-asg.de

Auf den ersten Blick wirkt die Seite wie die eines Vereins. Die Farben sind Karamell und andere Braun- bis Orangetöne. Die Farben des Logos sind nicht aufgenommen. Das Logo oben links wird im Inhaltsbereich oben klein wiederholt. Viele unterschiedliche Schriften und Schriftgrößen kommen zum Einsatz.

Die Links sind unklar formatiert; teilweise erscheint eine Unterstreichung, wenn man den Mauszeiger darüber bewegt, teilweise passiert nichts.

Auch auf dieser Seite finden sich zwei Leisten am rechten Rand. eine mit Teasertexten, eine mit Eigenwerbungs-Bannern.

Das waagrechte Menü oben ist nicht sofort als solches erkennbar. Unnötigerweise beginnt es nicht links, sondern eingerückt.

Das Menü auf der linken Seite enthält nur Links zu den Landesverbänden, was vermutlich nicht die Information ist, welche die meisten Besucher als erste suchen.

Bei 800 x 600 Pixeln Fenstergröße ist die eine Seitenleiste ganz, die andere zum Teil verdeckt.

Die Spalte rechts mit Bannern enthält Links, die vorwiegend zu internen Seiten führen; Sie sehen fast alle aus wie Fremdwerbung.

Fazit

Die Volksparteien SPD und CDU unterscheiden sich im Stil ihrer Startseiten kaum. Beide sind professionell, angenehm und wirken aufgeräumt. Die Site der SPD ist etwas emotionaler und frecher. Dafür ist die der CDU übersichtlicher strukturiert. Eine gute Vorstellung davon, was die Site bietet bekommt man bei beiden.

Die CSU gibt sich folkloristischer und setzt als einzige eine Flash-Animation auf der Startseite ein, in der Stoiber grüßt. Interessanterweise bekommt man dagegen bei SPD bzw. CDU den zukünftigen Kanzler bzw. die zukünftige Kanzlerin auf der Homepage nicht zu Gesicht. Die CSU hat die aufgeräumteste Startseite, dafür hat man als Besucher keine genaue Vorstellung davon, welche Inhalte in welcher Tiefe die Site bietet.

Die Startseiten von FDP und Grünen wirken am stärksten wie Nachrichten-Sites. Dabei gibt die Navigation bei der FDP sehr wenig Informationen über die Inhalte der Site, die Grünen haben hier klar die Nase vorn. Auch wirkt die Startseite der Grünen deutlich klarer. Die FDP gibt sich ganz staatstragend, vom Spaßwahlkapf 2002 keine Spur mehr. Bei den Grünen finden sich bei den Texten und den abgebildeten Plakaten und e-Cards ein paar provokative Ansätze, wie man sie von einer kleineren Partei mit jüngerer Zielgruppe erwartet.

Die PDS hat meiner Meinung nach die beste Navigationsleiste. Schon auf der Startseite kann sie so die ganze Bandbreite der Themen vermitteln, mit denen sich eine politische Partei auseinander setzen muss. Dabei schafft sie es dennoch, dass der Besucher nicht vor lauter Optionen den Kopf in den Sand steckt. Leider wirkt der Rest der Seite auf mich etwas zusammengewürfelt und wenig animierend.

Die Seite der WASG läuft außer Konkurrenz, die Partei ist noch jung, und sie hat nicht annähernd die finanziellen Mittel wie die durch Spenden und Wahlkampfkostenerstattung gut ausgestatteten etablierten Konkurrenten. Das merkt man der Startseite auch an.

Auffallend ist, dass fast alle Seiten den Rand, der auf 800 x 600-Monitoren nicht ohne Scrollen sichtbar ist, für Banner nutzen, so dass man keine wesentlichen Informationen verpasst, wenn man diesen ignoriert.

Ansonsten muss man sagen, dass man für seine eigenen Websites nur begrenzt von denen der politischen Parteien lernen kann. Keine bietet Ideen, die man nicht schon auf anderen Sites gesehen hat, Technik und Gestaltung sind meist solides Mittelmaß.

Was man dagegen gut studieren kann, ist, wie man mit einer breiten Fülle von Themen umgeht, die für eine sehr breite Zielgruppe aufbereitet werden muss. Meiner Meinung nach am besten bei SPD, CDU und den Grünen.

Anders als beim Wählen haben Sie für Ihre eigenen Sites die Möglichkeit, sich das Beste von allen Parteien herauszusuchen und damit Sites zu erstellen, mit denen Sie ganz an die Spitze kommen. Viel Glück dabei!
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(c) Jens Jacobsen 2005

Bei Weiterleitung oder Zitat bitte Quellenangabe („Quelle:
benutzerfreun.de-Newsletter August 2005“).

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