Newsletter 03/2010 – HTML 5 und die Zukunft des Web

Das Leben für alle Websitebetreiber ist im Jahr 2010 ein Zuckerschlecken. Wir müssen uns mit viel weniger technischen Details herumschlagen als noch vor ein paar Jahren. Das gilt auch für alle, die nicht HTML erstellen, sondern Menschen haben, die das für sie tun – und für alle, die dazu WYSIWYG-Programme benutzen. Auch als Nutzer von Websites haben wir immer weniger technische Probleme, gleich, welchen Browser wir benutzen.

Das ist vor allem auf zwei Dinge zurückzuführen: Die Menschen beim W3C (World Wide Web Consortium) haben sich unermüdlich für Web-Standards eingesetzt. Und die Browserhersteller haben sich bemüht, Browser anzubieten, die möglichst viele Websites problemlos darstellen. Einen gewissen Anteil hatten wohl auch die Vorkämpfer für Usability und alle Konzepter, die sich bemüht haben, gute Sites zu erstellen – wie natürlich die Grafiker und Programmierer.

Doch es gibt weiter Verbesserungspotenzial. Wie die noch schönere Zukunft aussieht, darüber schlagen sich manche derzeit die Köpfe ein. Ich will hier nicht in die politischen Details gehen – und auch niemandem zu nahe treten. Daher meine ganz persönliche Einschätzung, die ich übrigens sehr gerne in den Kommentaren diskutiere!

Aus meiner Sicht gibt es derzeit drei Fraktionen: HTML 5-Fans, XHTML-Verfechter und Flash-Freunde.

HTML 5

Die Verfechter von HTML 5 sind derzeit am stärksten – zumindest nach meiner Wahrnehmung. Immer mehr Sites setzen auf diesen Standard (Beispiele siehe am Ende unter Links) – obwohl er noch gar nicht offiziell verabschiedet ist.

Mit HTML 5 können wir Websites bauen, die schön gestaltet sind, die extrem viel Interaktivität bieten und die dabei aus gut strukturiertem HTML bestehen. Das erleichtert das Erstellen, die Wartung und die korrekte Anzeige auch auf zukünftigen Browsern und Geräten.
Nicht nur abgerundete Ecken und Schatten (ohne Grafiken, nur mit HTML/CSS) sind damit möglich, sondern auch aufwändige Animationen und komplexe Interaktionen.

Der bekannte Webdesigner und Verfechter von offenen Standards, Jeffrey Zeldman, schimpft dennoch: „HTML 5 ist vermurkst. Was nun?“ Zeldman und viele andere meinen, HTML 5 sei ein zu großer Kompromiss. Sie sagen, damit verspielen wir die Chance, eine saubere Seitenbeschreibungssprache zu bekommen. Wir müssten weitere mühsame Jahre mit einer Lösung leben, die unlogisch, schwer zu durchschauen und fehleranfällig ist.

XHTML 2

Die Freunde von XHTML 2 sagen, genau diese Nachteile von HTML 5 hätte XHTML 2 nicht. Dieser Vorteil ist aber selbst ein großer Nachteil: Er bedeutet, dass aktuelle Browser nicht mit XHTML 2-Seiten umgehen können. Und die Browser müssen über Jahre hinweg zweigleisig fahren, um heutige Seiten wie zukünftige XHTML 2-Seiten richtig anzuzeigen.

Ich möchte hier nicht Stellung beziehen, dazu bin ich nicht genug HTML-Experte. Fakt ist aber, dass das W3C letztes Jahr die Arbeitsgruppe für XHTML 2 hat auslaufen lassen. Damit scheint der Streit zugunsten von HTML 5 entschieden zu sein – wer auch immer die besseren Argumente hatte.

Flash

Das iPad, der Tablett-PC von Apple, soll noch im März 2010 auf den Markt kommen. Es wird auch als Gerät zum Lesen von Zeitungen und Zeitschriften beworben. Neben der New York Times werden die amerikanischen Magazine Wired, GQ, Vanity Fair, New Yorker und Glamour darauf verfügbar sein – weitere werden sicher folgen. Für jedes Magazin muss eine eigene Anwendung erstellt werden, die der Nutzer dann im iTunes Store kaufen kann – so wie jetzt schon für das iPhone und den iPod Touch. Allen diesen Apple-Geräten ist gemeinsam, dass sie Flash nicht unterstützten. Angeblich macht Apple-Chef Steve Jobs auch bei den Verlagen Stimmung gegen Flash.

Sein Hauptkritikpunkt: Flash braucht zu viel Prozessorleistung und damit zu viel Batterielaufzeit. Welche strategischen Interessen Apple dabei hat, ist aber nicht ganz klar. Apple hat sicher kein Interesse daran, einen Konkurrenten zu unterstützen – in einigen Bereichen versucht Adobe aber genau das zu werden (Air, Flash-App-Store).
Jedenfalls hat Apple mittlerweile mit dem iPhone eine nicht unerhebliche Marktmacht. Wer will, dass seine Website auch für iPhone-Besitzer zugänglich ist, der muss zumindest eine Alternativversion ohne Flash anbieten oder gleich ganz auf die Adobe-Technologie verzichten. Kann Apple das iPad wie gewünscht als Surf-Computer für die Couch und für unterwegs etablieren, dann wird die Luft für Flash dünn. Manche Analysten sprechen schon davon, dass das iPad der Grabstein für Flash ist.

Flash hat viele tolle Möglichkeiten. Gerade bei der Entwicklung von Spielen kann es diese ausspielen. Außerdem arbeitet ein erfahrener Flash-Entwickler bei komplexen Anwendungen deutlich schneller als ein HTML-Programmierer. Solche Anwendungen nennt man oft Rich Internet Applications (RIA).
Und doch kommt Flash oft zum Einsatz, wenn man es eigentlich gar nicht braucht. Für animierte Banner, für einfachste Animationen oder sogar nur für die Anzeige von exotischen Schriftarten.
Für komplexe Buchungsformulare gibt es Flash-Vorlagen. So geht wohl zwar die Entwicklung schnell, doch führt das zu unflexiblen Seiten und dazu, dass einige Besucher die Seite nicht nutzen können – und zwar nicht nur diejenigen, die ein iPhone haben.
Auch die Stabilität, die Sicherheit und die Geschwindigkeit von Flash wird vor allem unter Mac OS kritisiert. Das Flash-PlugIn ist hier für manchen Absturz und für manchen vorschnell leergelaufenen Akku verantwortlich.

Der häufigste Einsatzzweck für Flash ist derzeit Flash-Video. Youtube und andere Videoplattformen setzen auf die Videos im .flv-Format. Und doch experimentieren die meisten mit HTML 5-Versionen ihrer Seiten.

Fazit

Was man aus dieser unübersichtlichen Situation macht, muss letztlich jeder einzeln für seine Site entscheiden. Ich persönlich empfehle XHTML 1.0/HTML 4.01 mit CSS und JavaScript, wenn immer möglich.
Arbeitet man mit Video, ist HTML 5 mit eingebettetem H.264-Video die beste Lösung. Allerdings braucht man eine Flash-Seite, die für den Internet Explorer angezeigt wird, da dieser das Video-Tag nicht unterstützt.
Und nur für aufwändige Spiele empfehle ich Flash.

Was denken Sie?

Links

Zeldmans Kritik an HTML 5: HTML 5 is a mess. Now what?

Tolle Demonstration, was alles mit HTML 5 geht – ganz ohne Flash (mit Internet Explorer sieht man hier nicht viel):
http://9elements.com/io/projects/html5/canvas

Ein Online-Dienst, bei dem man Gliederungen erstellen und gemeinsam bearbeiten kann. Fühlt sich an wie eine vollwertige Anwendung, ist aber nur HTML 5: http://thinklinkr.com

Die HTML 5-Seite von Youtube: http://www.youtube.com/html5
(Hier kann man die Anzeige von Youtube als HTML 5 aktivieren, die unterstützten Videos werden dann nicht mehr mit Flash angezeigt.)

Mehr zum Einbinden von Video mit dem Video-Tag:
www.benutzerfreun.de/umsetzung/video-einbinden-leicht-gemacht

Und zu Videocodecs:
www.content-crew.de/blog/videocodecs-ungeliebtes-detail-bei-onlinevideo und www.content-crew.de/blog/videocodec-h-264-weiter-kostenlos

Hervorragender technischer Artikel für alle, die HTML 5 einsetzen wollen oder müssen:
www.peterkroener.de/html5-was-geht-heute-schon-was-geht-nicht-der-grosse-ueberblick/

Und schließlich noch Hintergrundinfos für alle, die sich für die Vorgänge rund um XHTML und HTML 5 interessieren (englisch):
http://hsivonen.iki.fi/xhtml2-html5-q-and-a/

4 Gedanken zu „Newsletter 03/2010 – HTML 5 und die Zukunft des Web“

  1. Vielen Dank für den interessanten Artikel und die nützlichen Links. Ergänzend hier noch ein Link zu einem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung vom 04.03.2010 zum gleichen Thema:

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  2. Ich teile Ihre Einschätzung: Flash macht am meisten Sinn bei aufwändiger zu programmierenden Spielen. Zu HTML tendiere ich auch, weil es demokratischer ist, denn es kann mit einem Editor erstellt werden – für Flash braucht es bestimmte Software. Und es ist mit Tastaturnavigation zugänglich – also barriereärmer.

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