Mit Tests zum Erfolg – Newsletter 2/2014

Im letzten Newsletter habe ich versucht, Sie davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, jede Website ausführlich zu testen.

Im Folgenden ein paar Tipps, wie Sie die richtigen Tests für Ihren speziellen Einsatzfall aussuchen. Und niemand kann sich zurücklehnen: Auch wenn Ihre Site gerade fertig geworden ist, sollten Sie testen.

Arten & Zeitpunkte von Tests

Die Frage, wann Test sinnvoll sind, lässt sich leicht beantworten: immer.

Etwas komplizierter ist die Frage, wann welche Tests am meisten bringen. Denn Testen ist Aufwand, verursacht Kosten und bremst den Projektfortschritt. Zumindest kurzfristig. Langfristig bringen fast alle Tests mehr als sie Aufwand/Kosten verursachen.

Setzen Sie besser mehrere kurze Testrunden in verschiedenen Projektphasen an, als einen einzigen aufwendigen Test.

Testmethoden und ihr typischer Einsatz im Website-Projekt
Ausgewählte Testmethoden und ihr typischer Einsatz in den verschiedenen Projektphasen.

Je früher, je besser

Je früher Sie einen Fehler finden, desto weniger Aufwand ist es, diesen zu beheben. Testen Sie erst, wenn Ihre Site fertig konzipiert, gestaltet und programmiert ist, dann müssen Sie viele Schritte zurückgehen, um ein grundsätzliches Problem zu beheben.

Finden Sie dieses Problem dagegen schon bei der Konzeption, dann ist die Änderung oft schnell erledigt.

Daher ist es sinnvoll, von Anfang ein größeres Zeitbudget fürs Testen vorzusehen.

Konkurrenzanalyse, Schwachstellen-Check

Haben Sie noch keine Website oder wollen Sie Ihre Site grundlegend überarbeiten, dann haben Sie das beste mögliche Testmaterial vorliegen: eine fertige Website. Denn auch wenn Sie noch keine eigene Site haben, es gibt immer solche der Konkurrenz oder vergleichbarer Unternehmen. Und diese können Sie hervorragend nutzen, um daraus wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, womit die Besucher gut zurechtkommen und womit nicht.

Und haben Sie eine eigene Site, die Sie verbessern wollen, dann ist diese natürlich Ihr erstes Testprojekt.

Ein Websitekonzeptions-Projekt beginnt also immer mit dem Test vorhandener Sites. Wie Sie diese Sites dann testen, dazu gleich mehr.

Card Sorting

Bei der Konzeption denken Sie sich aus, wie die Site strukturiert sein soll, welche Inhalte und welche Funktionen Sie anbieten. Selbst wenn Sie das nicht allein tun, sondern in einem großen Team, sollten Sie immer die zukünftigen Nutzer einbeziehen. Denn alle Projektbeteiligten stecken viel zu sehr in der Materie, um den echten „Nutzerblick“ auf die Dinge zu haben.

Einfach, schnell und zuverlässig zum Testen der Informationsarchitektur ist das Kartenlegen (Card Sorting). Dabei lassen Sie die Nutzer Begriffe auf Karteikarten schreiben, die diese auf Ihrer Website zu finden wünschen (offenes Card Sorting).

Diese Karten mit Begriffen lassen Sie die Nutzer dann so sortieren, wie sie diese als zusammengehörig empfinden.

Oder sie drücken den Testpersonen einen Stapel Karteikarten in die Hand, auf denen die Begriffe stehen, die Sie als Kategorien für Ihre Site festgelegt haben. Diese lassen Sie dann ebenso in logische Gruppen sortieren. (geschlossenes Card Sorting)

Wenn Sie diese Übung mit etwa zehn Testpersonen durchgeführt haben, dann haben Sie eine gute Vorstellung davon, wie Ihre Zielgruppe Ihre Inhalte kategorisiert.

Prototyp-Tests

Bei einem Prototyptest lassen Sie einen Prototypen Ihrer Site testen. Im einfachsten Fall ist der Prototyp nur ein Stapel Papiere, auf die Sie die Oberfläche verschiedener Seiten Ihrer geplanten Site skizziert haben (Papierprototyp-Test).

Beim Test legen Sie den Testpersonen die Startseite vor und erklären ihr, was außer dem Dargestellten noch zu sehen sein wird. Fragen Sie, was die Person tun würde und worauf sie klicken würde. Legen Sie dann die entsprechende Seite vor, die bei diesem Klick auf dem Bildschirm erscheinen würde.

HTML-Prototypen werden auch häufiger für solche frühen Tests eingesetzt. Diese bilden oft nur die ganz elementare Struktur der Site ab, sind noch nicht endgültig gestaltet und haben noch nicht die volle Funktionalität.

Usability-Test

Der Klassiker des Website-Testing sind Usability-Tests. Bei diesen setzen Sie die Testpersonen vor den Bildschirm, geben ihnen eine Testaufgabe und beobachten, ob und wie sie diese lösen (Genaueres s. Ende dieses Beitrags).

Mit keiner anderen Methode gewinnen Sie so aussagekräftige Erkenntnisse.

Eigentlich sind die eben erwähnten Prototyp-Tests auch Usability-Tests. Häufig sind aber mit Usability-Tests Tests gemeint, die eine Website zumindest im endgültigen Design und mit den meisten fertigen Funktionen testen.

Remote Usability-Tests

Schneller und kostengünstiger als der klassische Usability-Test, bei dem der Testleiter neben der Testperson sitzt, sind online-Usability-Tests. Dabei arbeiten die Testpersonen an ihrem eigenen Rechner, und ihre Interaktion mit der Site wird dabei aufgezeichnet.

Sich in solche Systeme einzuarbeiten erfordert eine gewisse Einarbeitung – aber auch das Durchführen von Präsenz-Tests muss man lernen.

Reverse Cardsorting

Mit dem „umgekehrten Kartenlegen“ können Sie testen, ob die Struktur der Site, die Sie sich ausgedacht haben, funktioniert. Sie schreiben alle Titel aus ihrem Site-Menü auf je eine Karteikarte und sortieren diese so, wie sie auf der Site auch gruppiert sind.

Dann lassen Sie Testpersonen suchen, welche Inhalte sie in welchem Bereich vermuten. Dann merken Sie, ob sie dort nachsehen, wo Sie die jeweiligen Inhalte platziert haben – oder ob sie mit Ihrer Struktur nicht klarkommen.

Usability-Review

Beim Usability-Review, oder etwas formeller, der heuristischen Evaluation, geht ein Usability-Experte Ihre Site (manchmal auch ein Konzept oder einen Prototypen) durch. Dabei versucht er alle die Dinge zu finden, über die tatsächliche Nutzer auch stolpern würden.

Ein Test mit echten Nutzern bringt immer verlässlichere Ergebnisse, aber gerade wenn die Zeit oder das Budget knapp ist, kann ein solches Review einige gute Verbesserungspotenziale zutage fördern.

Beta-Test

Der sogenannte Betatest ist eine Funktionskontrolle. Er ist vor allem wichtig, wenn Sie komplexere Funktionen, Datenbankintegrationen oder Bezahlfunktionen auf Ihrer Site haben.

Mystery Shopper-Test / Testkauf

„Mystery Shopper“ heißen die Testeinkäufer, die incognito bei großen Einzelhändlern als Kunden auftreten, um zu testen, wie gut die Verkäufer die Kunden behandeln.

Solche Testkäufer sollten Sie auch auf Ihre Site loslassen, wenn Sie auf dieser etwas verkaufen. Auch Newsletter-Abo-Funktionen, Kontaktformulare etc. sollten Sie so prüfen. Und zwar mit echten Testpersonen, die die Transaktion auch tatsächlich vollständig abschließen. Am besten mit dem Gerät, das sie auch privat nutzen.

Es ist überraschend, wie oft man hierbei ganz banale Probleme findet, die bei allen Tests davor nicht aufgefallen sind. Und solche Probleme sind fatal, weil sie genau das verhindern, wofür Sie Ihre Site eigentlich betreiben.

Mit solchen Tests testen Sie nicht nur die Usability Ihrer Site, sondern die ganze User Experience, die Ihre Nutzer mit Ihrem Unternehmen machen.

Laufende Tests

Und wenn Ihre Site zufriedenstellend läuft, selbst dann können Sie das Testen nicht ganz vergessen. Sie sollten sicherstellen, dass Ihre Site auch tatsächlich erreichbar ist. Es ist peinlich, wenn Sie erst nach einer Woche durch Zufall bemerken, dass Ihre Website offline ist. Das macht nicht nur einen schlechten Eindruck, es kann Ihnen auch Ihr Suchmaschinenranking bei Google & Co verhageln.

Es gibt Dienste wie Pingdom, die Ihnen eine E-Mail schicken, wenn Ihre Site nicht mehr erreichbar ist. Auch wenn die Geschwindigkeit/Performance aus technischen Gründen in die Knie geht, schlägt der Dienst Alarm.

Und wenn Sie ein Content Management-System oder Blog haben und/oder häufig Inhalte auf Ihrer Site hinzufügen, dann ist es sinnvoll, alle paar Monate zu testen, ob die Struktur Ihrer Site noch für die Menge der Inhalte Schritt hält. Es kommt immer wieder vor, dass Wildwuchs entsteht, bei dem die Nutzer früher oder später den Durchblick verlieren.

Meine persönliche Testempfehlung

Ich hoffe, Sie lassen sich nicht durch die lange Liste entmutigen – sehen Sie es als Vorteil: Für jeden Fall gibt es einen passenden Test. (Dass es noch viel mehr gibt, dass können Sie sich vorstellen – nur falls Sie nichts gefunden haben sollten, was für Sie richtig ist.)

Damit Sie eine ungefähre Vorstellung davon bekommen, wie viel und wann Sie was testen sollten, gebe ich eine ganz stark verallgemeinerte Empfehlung für das absolute Minimum an Tests. Diese gilt für die Website eines kleineren Unternehmens, das sich im Wesentlichen nur präsentieren will mit der Site.

Natürlich wird das in jedem Einzelfall etwas anders aussehen. aber das ist schon mal ein grober Anhaltspunkt. (Alle Angaben in Personentagen – d)

  1. Planungs-Phase: Usablity-Review von 3 Konkurrenz-Sites: 1d
  2. Konzeptions-Phase: Cardsorting mit 10 Benutzern: 1,5d
  3. Umsetzungs-Phase: Usability-Test Papierprototyp mit 5 Nutzern: 1d
    Usability-Test Rohfassung der Site mit 3 Nutzern: 1d
    Beta-Test der fertigen Site: 0,3d
  4. Betrieb: „Testkauf“ Kontaktformular & Newsletter-Abo & Abo-Kündigung: 0,3d
    Erreichbarkeits-Test (Einrichtung): 0,1d

In der Summe fallen also etwa fünf Tage Aufwand zum Testen an. Hinzu kommt natürlich die Zeit, die Sie brauchen, um die gefundenen Probleme zu beheben. Diese müssen Sie für die Zeitplanung berücksichtigen. Für das Budget brauchen Sie diese aber eigentlich nicht berücksichtigen, denn Sie müssen davon ausgehen, dass diese Fehler ja sowieso aufgetreten wären – dank der Tests sind sie nur früher aufgefallen und Sie sparen sich also unterm Strich Aufwand.

Und als zweite Orientierungshilfe für größere Projekte: Wenn Sie 10 Prozent Ihres Zeit- und Kostenbudgets fürs Testen reservieren, dann sind Sie schon besser als die meisten anderen und werden mit einer überdurchschnittlichen Site belohnt.

Links / mehr Infos im benutzerfreun.de-Blog

Einführung zu Usability-Tests

Infos zu Online-Usabilitytests

Weitere Testmethoden

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