Redesign macht man für sich selbst, nicht für die Nutzer

Ein Beispiel aus dem Leben, das nichts mit Web zu tun hat, aber viel mit Nutzern/Käufern und Gestaltern: Seit Jahren kaufe ich dieselbe Buttermarke. Ja, ich bin ein Gewohnheitsmensch, so wie fast alle Menschen. Und ich habe sogar eine Butterdose, mit Deckel. Nun lege ich neulich beim Einkaufen ein Päckchen Butter in den Korb, alles wie immer. Erst beim Auspacken fällt mir auf: Die Butter hat eine neue Form. Sie ist nicht mehr flach und nun ja, eben butterförmig, sondern schmaler, dafür deutlich höher. In dieser Form sieht die Butter auf dem Unterteil meiner Butterdose nicht nur irgendwie fehl am Platz aus. Was viel schlimmer ist: Der Deckel passt nicht mehr drauf.

Warum erzähle ich Ihnen das? Weil es genau zur aktuellen Kolumne Alertbox des Usability-Beraters Jakob Nielsen passt. Und ein bisschen auch zum vorigen Blogeintrag, in dem es um die Schriftänderung bei Ikea ging.

Bewährt oder betagt? Wie Nutzer und Betreiber dieselbe Site sehen

Nielsen beschreibt sehr schön, wie es jedem Betreiber einer Website nach ein paar Jahren geht: Man hat das alte Design so lange gesehen, es kommt einem veraltet und langweilig vor. Das passiert, wenn Sie ein kleines Blog betreiben genauso, wie wenn Sie für eine Tausend-Seiten-Site eines internationalen Konzerns verantwortlich sind. Man kommt schließlich zu dem Schluss: „Eine neue Site muss her.“

Und oft lassen sich dafür auch gute Gründe anführen: Neue Inhalte sollen eingepflegt werden, Kollegen, Verwandte oder Freunde haben Details der aktuellen Site kritisiert, und ab und zu hat sich auch ein Nutzer über ein Detail beschwert.

Doch fast immer sind es die Betreiber, die einfach mal „was Neues“ wollen. Und am Ende, nach dem Relaunch, ist das Staunen groß: Die Nutzer der Site beschweren sich über die neue Site. Praktisch jeder, der regelmäßig mit einer Site umgeht, hat sich an sie gewöhnt und will keine Veränderung. Veränderung bedeutet zusätzliche Arbeit, und dagegen hat nun einmal jeder etwas.

Nielsen zeigt also, dass der Unterschied darin liegt, ob man eine Site ansehen oder benutzen muss. Die Betreiber müssen die Site nur ansehen, und da sie sie so oft ansehen, sind sie ihr überdrüssig. Die Nutzer müssen die Site nutzen, und das tun sie insgesamt nur wenige Stunden im Jahr. Außerdem sind sie meist darauf konzentriert, Aufgaben mit der Site zu erledigen, nicht ihren Eindruck zu würdigen.

Das gilt natürlich nicht für Sites, auf denen der Nutzer eigentlich nichts erledigen muss. Geht es nur darum, kleine Spielchen zu präsentieren, aktuelle Werbefilme oder insgesamt ein „Markengefühl“ zu transportieren, dann kann man eigentlich so oft man will Relaunchen. Dabei stelle ich mir nur die Frage, ob der Einsatzzweck der Site richtig definiert ist, und ob man hier nicht Potenzial verschenkt.

Nicht jeder Relaunch ist schlecht

Auch muss man berücksichtigen, dass jedes Redesign Nutzerbeschwerden nach sich zieht, selbst wenn die Site viel besser zu benutzen ist. Man braucht ein bisschen, bis man sich daran gewöhnt.

Ich will hier also kein Plädoyer gegen Redesigns halten. Ich möchte nur mit Nielsen dazu aufrufen, sich die Gründe für ein geplantes Redesign klar zu machen und – wie immer – an die Benutzer zu denken.

Zurück zum Anfangsbeispiel

Ich persönlich werde mich an das Butter-Redesign nicht gewöhnen. Ich werde die Marke wechseln.

Links

Nielsens Kolumne zum Redesign (englisch)

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